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Leicesters Höhenflug: Mit Vardy, Huth und Pizza

"Foxes" stehen sensationell auf Platz 1 der Premier League

Leicesters Höhenflug: Mit Vardy, Huth und Pizza

Ungeahnte Helden in der Geldmaschine Premier League: Leicester-Coach Claudio Ranieri und sein Torjäger Jamie Vardy.

Ungeahnte Helden in der Geldmaschine Premier League: Leicester-Coach Claudio Ranieri und sein Torjäger Jamie Vardy. Getty Images

Leicester City Tabellenführer der Premier League. Nach 13 Spieltagen. Für eine solche Vorhersage wäre man zu Saisonbeginn mit Sicherheit für verrückt erklärt worden. Als die "Füchse" im Juli völlig überraschend Ranieri als Nachfolger des Skandaltrainers Nigel Pearson präsentierten, sorgte das für Verwunderung. Doch der Italiener hat seine Kritiker Lügen gestraft. Nicht Meister Chelsea, dessen Trainer José Mourinho sich einst über Ranieri lustig machte, schaut sich die Tabelle am 22. November von ganz oben an, nicht das Star-Ensemble von Manchester City, nicht Arsenal, nicht Rekordchampion Manchester United, sondern Leicester City.

Eine märchenhafte Entwicklung des Klubs, der einst Spieler wie Peter Shilton und Gary Lineker hervorbrachte. Und maßgeblichen Anteil daran hat ein Stürmer, dem bis vor kurzem kaum jemand zugetraut hätte, sich in der Premier League durchzusetzen, geschweige denn zum Nationalspieler zu avancieren und einen zwölf Jahre alten Tor-Rekord zu brechen. Aber der Reihe nach.

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"Claudio Ranieri? Ernsthaft?"

Ein kleiner Rückblick: Acht Spieltage vor Ende der Saison 2014/15 ziert Aufsteiger Leicester in Englands Oberhaus das Tabellenende, der Rückstand auf die Nicht-Abstiegsplätze beträgt bereits sieben Punkte. Doch von den letzten neun Spielen (inklusive Nachholspiel) gewinnen die "Foxes" sieben, am Ende steht Platz 14 - Klassenerhalt. Trainer Pearson, der sich während der Saison einiges geleistet, unter anderem eigene Fans beschimpft und gegnerische Spieler gewürgt hatte, musste trotz des Husarenstücks "wegen nicht zu überbrückender Differenzen" Ende Juni gehen. Zwei Wochen später die Überraschung: Die Klub-Besitzer aus Thailand präsentierten Ranieri als neuen Trainer. Den Ranieri, der von 2003 bis 2007 als Chelsea-Trainer belächelt wurde. Den Ranieri, der im November 2014 nach peinlichen Ergebnissen als griechischer Nationaltrainer entlassen worden war. Das konnte doch wohl nicht gutgehen. "Claudio Ranieri? Ernsthaft?", twitterte Klublegende Lineker.

Der gleiche Lineker schrieb nun am Samstag beim Kurznachrichtendienst: "Hatte letzte Nacht diesen lächerlichen Traum. Träumte, dass Leicester an der Spitze der Premier League steht. Und es fühlte sich so echt an." Weil es wahr ist: Da Manchester City (1:4 gegen Liverpool) und Arsenal (1:2 bei West Brom) am Samstag patzten, heißt der Tabellenführer nach dem 3:0 in Newcastle Leicester City.

Ranieris Schützlinge stehen in dieser Saison für Offensiv-Spektakel. Vier Tore fallen im Schnitt bei den Partien der "Füchse", die ein Torverhältnis von 28:20 vorweisen können. 28 Tore - das bedeutet die beste Offensive der Premier League. 20 Gegentore - nur sechs Klubs kassierten mehr Gegentore, und die belegen die Plätze 15 bis 20!

2012 noch fünfte Liga: Der unglaubliche Aufstieg des Jamie Vardy

Fast die Hälfte der Tore des Spitzenreiters gehen auf das Konto eines Mannes, dessen Karriere mit Ende 20 einen völlig ungeahnten Verlauf genommen hat: Jamie Vardy. Der 28-Jährige spielte vor drei Jahren noch in der fünftklassigen Conference bei Fleetwood Town, jetzt führt er die Torschützenliste der Premier League mit 13 Treffern an. Sein Führungstor beim 3:0 in Newcastle am Samstag hatte historische Ausmaße: Dadurch hat Vardy in zehn aufeinanderfolgenden Ligaspielen getroffen - was in der Premier-League-Geschichte bislang nur ein Spieler schaffte: Ruud van Nistelrooy (saisonübergreifend im Jahr 2003) für Manchester United.

Jamie Vardy

Die Rekordserie geht weiter: Jamie Vardy trifft in Newcastle im zehnten Ligaspiel in Folge. imago

Beim 5:3-Erfolg gegen die Red Devils hatte Vardy - der nach seinem Rekord schrieb: "Ich muss mich noch kneifen" - vergangene Saison sein erstes Premier-League-Tor erzielt. Mittlerweile ist er schon viermal für England aufgelaufen. Selten traf das Prädikat märchenhaft so zu wie auf den wundersamen Aufstieg des Jamie Vardy, der bei Stocksbridge in der 8. Liga nach einer Verurteilung wegen Körperverletzung einst mit elektronischer Fessel spielte und vor 18 Uhr ausgewechselt werden musste, um nicht gegen Bewährungsauflagen zu verstoßen.

Mahrez wirbelt auf dem Flügel - Huth hält die Abwehr zusammen

Robert Huth

Kante: Abwehrchef Robert Huth hat diese Saison noch keine Premier-League-Minute verpasst. imago

Neben Vardy hat sich in Leicester noch ein zweiter Spieler ins Rampenlicht gezaubert. Der Algerier Riyad Mahrez kam 2014 zum Schnäppchenpreis aus Le Havre. Sieben Tore und sechs Assists stehen bislang in der Saisonbilanz des 24-jährigen Wirbelwinds. Zu den Stützen in der Defensive gehört neben dem dänischen Nationaltorhüter Kasper Schmeichel (Sohn von ManUnited-Legende Peter) auch ein alter Bekannter: Ex-Nationalspieler Robert Huth hat im Kader die meisten Premier-League-Einsätze auf dem Buckel (demnächst wird er Dietmar Hamann als Deutschen mit den meisten Spielen ablösen) und ist der Abwehrchef bei den "Füchsen", die mit Christian Fuchs (Schalke) und Shinji Okazaki (Mainz) im Sommer zwei Spieler aus der Bundesliga holten. Während der Österreicher zuletzt zweimal durchspielte, kam der Japaner (zwei Tore) zwar in jedem Spiel zum Einsatz, allerdings nur zweimal über 90 Minuten und zuletzt nur noch als Joker.

In Leicester passt derzeit fast alles - auch die Stimmung im Team. Nachdem Ranieri für das erste "Zu Null" der Saison eine Runde Pizza für seine Schützlinge ausgelobt hatte, war es am 10. Spieltag soweit. 1:0 gegen Crystal Palace - und ab zum Italiener (wo Ranieri seine Spieler selbst backen ließ).

Klar, dass Leicester sich in der Spitzengruppe halten kann, glauben die Wenigsten. Aber ein bisschen darf das Märchen schon noch weitergehen. Zum Beispiel am kommenden Wochenende. Dann könnte sich Vardy - im Heimspiel gegen Manchester United (!) - den alleinigen Tor-Rekord schnappen. Und Gary Lineker noch ein bisschen weiter träumen...

ski