kicker

Wengers Selbstverteidigung - Özil-Berater wirft Fragen auf

Arsenal-Trainer über seine Zukunft nach dem München-Debakel

Wengers Selbstverteidigung - Özil-Berater wirft Fragen auf

Ohne Fußball kann er nicht. Und ohne Arsenal? Arsene Wenger steht vor einer schweren Entscheidung.

Ohne Fußball kann er nicht. Und ohne Arsenal? Arsene Wenger steht vor einer schweren Entscheidung. picture alliance

Arsene Wenger ist auch in der nächsten Saison noch Trainer, diese Erkenntnis brachte seine erste Pressekonferenz nach Arsenals Rückkehr aus München. Welche Erkenntnis sie nicht brachte: wo. "Egal, was passiert", sagte der 67-Jährige, der seit gut 20 Jahren wichtigster Mitarbeiter des FC Arsenal ist, "ich werde eine weitere Saison als Trainer arbeiten - ob hier oder woanders."

Damit bestätigte Wenger knapp zwei Tage nach dem 1:5 im Champions-League-Achtelfinalhinspiel beim FC Bayern das Bild, das die Öffentlichkeit längst von ihm gewonnen hat: Wenger ist ein Vollblut-Trainer, er braucht den Fußball und wird sich nicht plötzlich auf andere Hobbys beschränken. Manche sagen: Er hat nicht viele.

Sein Vertrag bei Arsenal läuft am Saisonende aus, ein neuer Zweijahresvertrag liegt ihm vor. Soll er ihn unterschreiben? Die Gunners-Fans sind gespalten , die einen heben diese, die anderen jene Konstante der Wenger-Ära hervor: 17 Jahre Champions League in Folge, das ist die eine Konstante, verbunden mit finanzieller Stabilität; keine Meisterschaft seit 2004 und (mutmaßlich) sieben CL-Achtelfinal-Knockouts hintereinander, sportlicher Stillstand also, das ist die andere.

Selbst wenn ich gehe, wird Arsenal nicht jedes einzelne Spiel gewinnen.

Arsene Wenger

Kürzlich sagte Wenger, er werde wohl im März oder April entscheiden, ob er noch einmal verlängert. "Wenn ich das gesagt habe, dann, weil ich es nicht weiß", ruderte er am Freitag nun zurück. Dass es eine schwere Entscheidung ist, kann sich nun wirklich jeder vorstellen. Von der zunehmend kritischen Wahrnehmung seiner Rolle will sich Wenger jedenfalls nicht überrollen lassen, er hat ja schon Übung. "Ich bin die Kritik gewohnt. Ich glaube, im Leben ist es wichtig, das zu tun, was man für richtig hält, der Rest ist Beurteilung. Ich habe einen öffentlichen Beruf und muss das akzeptieren, aber ich muss zu meinen Werten stehen."

Wengers Worte am Freitag waren nur allzu vertraut

Doch eine kleine Warnung schickte er schon mal an seine Kritiker. Tenor: Arsenal war vor ihm keine Titel-Maschine und wird es auch nach ihm nicht plötzlich werden. "Selbst wenn ich gehe", sprach er kämpferisch, "wird Arsenal nicht jedes einzelne Spiel gewinnen. Es ist nicht so, dass Arsenal gerade fünfmal den Europapokal geholt hatte, als ich gekommen bin."

Wenger machte einen gefassten Eindruck am Freitag, er hat schließlich so ungefähr jede Situation schon erlebt in seiner Londoner Zeit. Man muss aber auch sagen, dass einem die derzeitige besonders bekannt vorkommt . "Neu formieren", "neu fokussieren", "zurückschlagen" - die Worte, die Wenger als Reaktion auf das München-Debakel wählte, waren nur allzu vertraut.

Sein Appell für die nächsten Wochen, in denen am Montag (20.55 Uhr) erst mal das FA-Cup-Achtelfinale bei Fünftligist Sutton United ansteht: "Wir müssen uns auf die wirklichen Probleme, nämlich unsere Art, Fußball zu spielen, konzentrieren, nicht auf meine Zukunft." Wenn es nur so einfach zu trennen wäre.

Berater wehrt sich - doch war Özil überhaupt der Richtige für das Spiel?

In München ging Arsenal jede Gemeinschaftlichkeit auf dem Rasen ab , im Spiel nach vorne, erst recht im Spiel nach hinten. Mittendrin verloren: Mesut Özil. Als dem Weltmeister kurz vor Weihnachten schon einmal vorgeworfen wurde, in einem Spiel - dem 1:2 bei Manchester City - "unsichtbar" gewesen zu sein, nahm ihn Wenger so in Schutz: Özils Stärke komme dann zum Tragen, "wenn wir den Ball haben. Er leidet, wenn wir ihn nicht haben." Diese Verteidigungsstrategie wählte am Mittwochabend ein anderer aufs Neue.

"Mesut hat das Gefühl, dass die Leute nicht auf seine Leistung schauen. Sie benutzen ihn nach schlechten Ergebnissen als Sündenbock für die ganze Mannschaft", klagte Özils Berater Erkut Sögüt gegenüber der BBC und fragte rhetorisch: "Bayern hatte 74 Prozent Ballbesitz. Wie soll ein Zehner Chancen kreieren, wenn man nie den Ball hat?". Damit warf er nur weitere Fragen auf.

Fürwahr tat sich in München kaum ein Mitspieler hervor, mit dem der elegante Spielmacher mal eine Kombination hätte starten können. Nur: Hätte Arsenal und damit auch Özil die Bayern-Dominanz verhindern können? Wenn nicht: War Özil, zumal schon seit Wochen im Formtief, dann überhaupt der richtige Mann für dieses Spiel? Und hätte er, der gerade um einen neuen Traumvertrag verhandelt, nicht ganz anders dagegenhalten müssen, auch wenn seine Stärken woanders liegen? Wie sagte Wenger am Freitag: "Es ist immer wichtig im Leben, dass man nicht nach falschen Ausreden sucht."

jpe