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Bittersüßer Abend für Suarez und das "halbe Barça"

El Clasico: Enrique muss sich Aufstellungsfragen gefallen lassen

Bittersüßer Abend für Suarez und das "halbe Barça"

Konsternierte Katalanen: Lionel Messi und Xavi bei der Pleite gegen Real Madrid.

Konsternierte Katalanen: Lionel Messi und Xavi bei der Pleite gegen Real Madrid. Getty Images

Kein Tempo und Aufbäumen bei Barça

Alles hatte auf den glamourösen Dreiersturm der Gäste geblickt: Erstmals waren Neymar, Messi und Luis Suarez vorne vereint. Was in der ersten Halbzeit noch schwungvoll aussah - Neuling Suarez bereitete in seinem ersten Pflichtspiel im blau-granatroten Dress Neymars Treffer vor und legte hernach auch noch mustergültig auf Messi ab, der frei vor Casillas das 2:0 vergab - flachte nach dem Pausenpfiff völlig ab. Plötzlich war von Barcelona offensiv kaum noch etwas zu sehen, die drei Superstars traten kaum noch in Erscheinung. Bei Suarez war das kaum ein Wunder, der Uruguayer hatte nur Luft für knapp 70 Minuten, dann war sein Arbeitstag beendet. Suarez erklärte, er sei froh über seine Rückkehr, aber natürlich hatte er sich diese anders vorgestellt: "Es ist ein bittersüßes Gefühl."

Trainersteckbrief Martinez Garcia
Martinez Garcia

Martinez Garcia Luis Enrique

FC Barcelona - Vereinsdaten
FC Barcelona

Gründungsdatum

29.11.1899

Vereinsfarben

Blau-Rot

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Da die Katalanen besonders im zweiten Durchgang jeglichen Biss und jegliche Gier im Angriffsspiel vermissen ließen - besonders in den letzten 20 Minuten war nichts von einem Aufbäumen zu spüren oder sehen, Barça wirkte nach dem Gegentoren zum 1:3 mental und körperlich erschöpft - musste sich Luis Enrique hernach natürlich die unausweichliche Frage gefallen lassen: Hätte er Suarez als Joker aufsparen sollen, um zum Ende, bei einem Rückstand, die Psychologie des Spiels zu ändern und der Mannschaft einen Schub zu geben?

Hat Luis Enrique falsch aufgestellt?

Ernüchtert: Luis Enrique muss sich Fragen gefallen lassen, ob er die richtige Startaufstellung gewählt hat.

Ernüchtert: Luis Enrique muss sich Fragen gefallen lassen, ob er die richtige Startaufstellung gewählt hat. Getty Images

"Ich bereue es nicht, ihn von Beginn an gebracht zu haben", verteidigte Enrique seine Entscheidung: "Er hat mehr gemacht, als ich erwartet habe." Erwartet hätte der Chefcoach aber sicherlich mehr von Messi und Neymar, die nach dem Pausenpfiff kaum noch in Erscheinung getreten waren. "Ein enttäuschender Tabellenführer" titelte die in Barcelona ansässige Zeitung Sport auch dementsprechend kleinlaut. "Halbes Barça" schrieb die Mundo Deportivo und begründete: "Nach der Pause wurde die Mannschaft übertroffen."

Xavis ungewohnte Passschwäche

Auch eine andere Aufstellungsfrage wird diskutiert: Die Hereinnahme von Xavi. Bisher wurde Ivan Rakitic stets dem alternden Regisseur vorgezogen, weil der Kroate läuferisch besser, zweikampfstärker und in der Rückwärtsbewegung aufmerksamer ist. Doch im Clasico vertraute Enrique urplötzlich wieder auf die gestalterischen Fähigkeiten von Xavi - der Schuss ging nach hinten los. Der Taktgeber brachte nur 78 Prozent aller Pässe an den Mann, ein beinahe desaströser Wert für die Klasse des Spielmachers. Enrique gab zu, im Vorfeld mit einem anderen Spiel gerechnet zu haben: "Ich habe ehrlich gesagt ein anderes Spiel erwartet."

Mit Xavi zeigten die Katalanen wieder ihre gewohnten Schwächen auf: Das Umschaltspiel nach Ballverlust und die Unterlegenheit bei Standards - Real Madrid nutzte die bekannten Unzulänglichkeiten gekonnt aus. Eine "resolutere Defensive" habe sich Enrique gewünscht. "Es ist wichtig das anzusprechen, weil wir heute gesehen haben, dass uns das das Spiel gekostet hat."

Madrid dominiert im Mittelfeld

"Was soll ich noch alles machen?" - Javier Mascherano stemmte sich als einziger bravourös gegen die Pleite.

"Was soll ich noch alles machen?" - Javier Mascherano stemmte sich als einziger bravourös gegen die Pleite. Getty Images

Einen "großen Unterschied zwischen beiden Teams" gab Barcelonas Coach hernach zu. Das galt besonders für das Mittelfeld, hier wirkte Madrid galliger und gieriger. Besonders der starke Isco beeindruckte durch Zweikampf- und Laufstärke - Attribute, für die der offensive Mittelfeldmann bisher nicht bekannt war. "Isco hat einen fantastischen Job gemacht", lobte Carlo Ancelotti den 22-Jährigen.

"Die Mannschaft war in jedem Aspekt unglaublich", bilanzierte derweil der tadellose Abwehrspieler Sergio Ramos hernach, "es war beinahe eine komplette Performance." Ancelotti stellte die "mentale Kraft" und die Gier als Hauptgründe für den Sieg hervor. "Wir haben gewonnen, weil wir gewinnen wollten." Bei den Katalanen stemmte sich hingegen lediglich Javier Mascherano gegen die Niederlage, der Argentinier warf sich gewohnt heldenhaft in jedes Duell und jeden Schuss, als sei es die entscheidende Szene in einem Finale. Doch ansonsten ließ die Mannschaft eben jenen absoluten Willen vermissen. Selbstzweifel ob der eigenen Stärke lässt Enrique nach den Pleiten gegen die Topteams Real und in der Königsklasse gegen Paris St. Germain (2:3) aber nicht aufkommen: "Verlieren ist ein Teil des Lernprozesses. Niederlagen können dich stärker machen", erklärte der 44-Jährige. Der Clasico stellte wohl auch für Enrique einen wichtigen Lernprozess dar.