Bundesliga

Was beim BVB schieflief: Nuri Sahins schonungslose Aufzählung nach Borussia Dortmunds 1:3 in Hoffenheim

Wunsch nach "viel Selbstkritik" bei Borussia Dortmund

Was beim BVB 2017/18 schieflief: Sahins schonungslose Aufzählung

Seine Problem-Auflistung wollte gar nicht mehr enden: BVB-Mittelfeldspieler Nuri Sahin.

Seine Problem-Auflistung wollte gar nicht mehr enden: BVB-Mittelfeldspieler Nuri Sahin. imago

Die Blicke gingen nur noch zur Bank: Die letzten Minuten der Partie in Hoffenheim offenbarten den erschreckenden Zustand von Borussia Dortmund in der Saison 2017/18. Die Gastgeber führten mit 3:1 und waren damit am BVB vorbeigezogen. Doch die Borussen versuchten gar nicht, mit ihren eigenen Mitteln am Spielstand etwas zu drehen. Sie hofften nur inständig darauf, dass Bayer Leverkusen im Parallelspiel nicht hoch genug gegen Hannover gewinnt.

Am Ende ging die Rechnung auf, durch zwei späte Hannoveraner Treffer geriet der BVB nicht mehr in Gefahr und qualifizierte sich für die Königsklasse. Der GAU war abgewendet worden. Die Art und Weise aber war ein Spiegelbild eines Jahres, das so mancher Borusse wohl am liebsten aus seinem Gedächtnis streichen würde.

"Ich wünsche uns allen viel Selbstkritik und ehrliche Analysen"

Immerhin: Noch in den Katakomben der Rhein-Neckar-Arena begann bei einigen die Aufarbeitung der vielfältigen Problemlage des Klubs. "Ich wünsche uns allen viel Selbstkritik und ehrliche Analysen", sagte Nuri Sahin, der von Peter Stöger überraschend in die Startelf beordert worden war.

Dann zählte der Mittelfeldspieler die Gründe auf, die seiner Meinung nach für den sportlichen Rückschritt verantwortlich waren: "Trainerwechsel vor der Saison, Trainerwechsel in der Saison, ein streikender Spieler vor der Saison, der für uns sehr wichtig war, dann noch ein Spieler, der unbedingt wegwollte und uns mit seiner Qualität geholfen hätte. Es gab viele Probleme am Anfang der Saison , auch in der Kabine. Vor allem disziplinarischer Natur." Die Aufzählung des langjährigen Dortmunders, sie schien kaum ein Ende zu nehmen. Sein Fazit: "Mehr als Platz vier war nicht drin."

Ich weiß, woran ich selbst anknüpfen muss. Alles andere wäre in die Tasche gelogen.

Nuri Sahin

Peter Stöger, der in den Minuten nach der Partie das baldige Ende seiner BVB-Tätigkeit verkündete , erfüllte durch die erreichte Champions-League-Qualifikation seine Mission. In der kommenden Saison wird dennoch ein neuer Trainer mit neuen Ideen versuchen, den BVB zurück in die Erfolgsspur, zurück zu mehr Konstanz und Verlässlichkeit zu führen. Nach kicker-Informationen soll das Lucien Favre sein.

Doch mit dem Trainerwechsel allein ist es nicht getan . Die Analyse wird tiefergehen müssen, um einen Wandel herbeizuführen - auf allen Ebenen des Klubs. "Jeder Einzelne, nicht nur die Spieler, muss Selbstkritik anbringen, von A bis Z", forderte Sahin - und schloss sich selbst mit ein: "Ich weiß, woran ich selbst anknüpfen muss. Alles andere wäre in die Tasche gelogen."

Sich sechs Wochen nicht zu sehen - das werde helfen, sagt Sahin

Doch warum erst jetzt? Warum nicht früher in der Saison? Sahin versuchte es mit der Eigendynamik, die die schwierige Situation entwickelt habe: "Dann wird es schwer, das zu stoppen", sagte der 29-Jährige, dessen Fazit des Tages kurz und prägnant ausfiel: "Auf gut deutsch: Leck mich am Arsch, wir haben uns qualifiziert."

Zwei Testspiele in Zwickau und Herne sowie ein fünftägiger PR-Trip nach Los Angeles stehen für die Borussen noch an, bis sich die Wege vorerst trennen. Diese Ruhe, sagte Sahin, werde helfen, einen klaren Kopf zu bekommen: "Wir werden uns vielleicht sechs Wochen nicht sehen. Man bekommt eine andere Sichtweise, wenn man Abstand gewinnt, im Urlaub ist."

Anfang Juli dann, wenn sich die Dortmunder wieder treffen, wird nicht nur ein neuer Trainer auf der Bank sitzen, sondern die Mannschaft auch personell verändert sein. Gesucht werden Spieler, die Qualität und Mentalität gleichermaßen verkörpern. "Schaden", sagte Sahin offen, "kann das ja nicht." Dass Bedarf besteht, konnte man in den letzten Minuten am Samstag mehr als deutlich erkennen.

Matthias Dersch