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Alles wankt: Arsenal nach dem 0:3 bei Crystal Palace - was wird aus Arsene Wenger?

Fans beschimpfen bei 0:3 gegen Palace eigene Spieler

Alles wankt: Arsenals neuer Tiefpunkt

"Das war nicht Arsenal" - tatsächlich? Mesut Özil, Arsene Wenger und Arsenal-Fans beim 0:3 gegen Crystal Palace.

"Das war nicht Arsenal" - tatsächlich? Mesut Özil, Arsene Wenger und Arsenal-Fans beim 0:3 gegen Crystal Palace. picture alliance (3)

Endlich sagt es mal einer! Mit großer Erleichterung hatte Arsene Wenger vorige Woche Pep Guardiolas Worte zur Kenntnis genommen, wonach es "definitiv" einem Titelgewinn gleichkomme, in der Premier League unter den besten Vier zu landen. Bekannt war diese fiktive Trophäe längst, und zwar als "Wenger Trophy", so beharrlich hatte der Arsenal-Trainer in den letzten Jahren von ihr gesprochen. Natürlich wurde er dafür belächelt, sie klang halt schwer nach der Ausrede von einem, der zwischen 2005 und 2014 keinen echten Pokal mehr hatte präsentieren dürfen und seit 2004 auf den Meistertitel wartet.

"Ich bin glücklich, dass die Leute plötzlich realisieren, dass es nicht so leicht ist, wie es immer aussah", lobte Wenger also Guardiolas Erkenntnisse. Das Problem: Genau das klang wiederum nach der Ausrede von einem, der erstmals seit 1996 die Top vier, erstmals seit 1997 die Champions League zu verpassen droht. Die Aufholjagden Richtung CL-Qualifikation, zu denen sich Arsenal immer wieder aufgerafft hatte, sobald die Enttäuschung über die abermalige Zuschauerrolle im Meisterrennen erst mal verfolgen war - nicht einmal sie scheint Wengers Team noch im Portfolio zu haben. Arsenal im April 2017 ist eine Mannschaft ohne Mumm, ein Klub ohne Geschlossenheit, tief gespalten auf allen Ebenen.

Beleidigungen statt Ball: Arsenal-Fans schießen sich auf Bellerin ein

Das war der Eindruck, den die Gunners am Montagabend in aller Öffentlichkeit vermittelten : auf dem Rasen, wo eine unorganisierte, teilweise ängstliche Elf von Abstiegskandidat Crystal Palace nicht nur kämpferisch, sondern auch spielerisch übermannt wurde und leistungsgerecht mit 0:3 unterging; und auf den Rängen, wo ihr deshalb die pure Ablehnung entgegenschlug. Die Spieler seien es "nicht wert, das Trikot zu tragen", skandierten die Gäste-Fans immer wieder.

Es spielten sich tragikomische Szenen ab: Als Hector Bellerin direkt vor der Kurve einen Einwurf ausführen wollte, warfen die eigenen Anhänger den zuvor auf die Tribüne geflogenen Ball aufs Spielfeld zurück statt zu Bellerin und beschimpften ihn stattdessen. Genau wie nach dem Schlusspfiff, als der 22-jährige Spanier dem einsamen Alex Oxlade-Chamberlain zunächst Richtung schäumende Kurve gefolgt war, ehe er auf halbem Weg entsetzt umkehrte. Jetzt ist klar: Das addierte 2:10 gegen den FC Bayern im Champions-League-Achtelfinale war nicht Arsenals Tiefpunkt in dieser Saison .

Man müsse eine Antwort finden, sagt Wenger - die Fans kennen ihre schon

"Diese Niederlage ist schädigend, natürlich", erklärte Trainer Wenger hinterher, und es fühlte sich fast vertraut an. "Ich habe über 1100 Spiele für Arsenal bestritten und wir sind nicht gewohnt, so zu verlieren. Das macht mir große Sorgen." Man müsse jetzt schnell eine Antwort finden. Immer mehr Fans - ob es eine Mehrheit ist, ist schwer zu sagen - haben ihre schon gefunden: "Verschwinde!", riefen sie am Montagabend noch etwas lauter als sonst.

"Ich weiß, was ich in Zukunft machen werde, und auch ihr werdet es bald wissen", hatte Wenger Mitte März angekündigt, und es war bald kein Geheimnis mehr, dass er damit die Unterzeichnung seines längst vorliegenden neuen Vertrags meinte . Seitdem aber passierte nichts, es wirkte, als würde Arsenal auf den richtigen Moment warten, diese Nachricht den Fans schonend mitzuteilen. Doch wird es diesen Moment jemals geben?

Wirkungslos auch mit Ballbesitz: Özil widerlegt seinen Trainer

"Es wäre unpassend, heute Abend über meine Zukunft zu sprechen", wehrte Wenger nach dem 0:3 alle Fragen zu dem heiklen Thema ab. Zu schmerzhaft sei die Niederlage, die vierte in Folge auf fremdem Platz mit jeweils drei Gegentoren. Die englische Presse charakterisierte die hilflose Elf als eine "ohne Führung", und tatsächlich gelang es Wenger in der Halbzeitpause nicht, irgendwelche Akzente zu setzen: Es wurde nur noch schlimmer. Die Weltmeister Shkodran Mustafi und Mesut Özil gingen mit unter; Özil, gegen das noch stärker kriselnde West Ham vorige Woche Torschütze (3:0), widerlegte gleichzeitig die Annahme seines Trainers, er sei vor allem dann wirkungslos, wenn der Gegner häufig den Ball hat : Arsenal hatte gegen Palace 72 Prozent Ballbesitz.

In der Tabelle rutschte Arsenal auf Rang sechs ab, alle davor platzierten Konkurrenten haben am Wochenende gewonnen. Der Vierte, Manchester City, ist - bei einem Spiel mehr - sieben Punkte entfernt. Auf Tottenham (A), Manchester United (H) und Everton (H) trifft Arsenal an den letzten vier Spieltagen noch, eine gute Nachricht ist das angesichts der Schwächen gegen die "Großen" nicht gerade, und gerade schon gar nicht.

Die Zukunft des Trainers, die Zukunft einzelner Spieler (Sanchez, Özil, Oxlade-Chamberlain), die Unterstützung des Anhangs, die Champions-League-Teilnahme: Alles ist in der Schwebe beim FC Arsenal, alles, worauf in den Vorjahren im Zweifel immer Verlass war, wankt. Eine Ungewissheit, die den ganzen Klub lähmt. "Das", sagte Kapitän Theo Walcott nach der Demütigung am Montag entschuldigend, "das war nicht Arsenal, das waren nicht wir." Die Gegenfrage muss erlaubt sein: Wer soll es sonst gewesen sein?

jpe