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Newcastle United: Der Absturz der Elstern

England: Viele Investitionen, aber kein funktionierendes Team

Newcastle United: Der Absturz der Elstern

Am Ende musste Newcastle United auch noch die Häme der Fans des Erzrivalen AFC Sunderland hinnehmen.

Am Ende musste Newcastle United auch noch die Häme der Fans des Erzrivalen AFC Sunderland hinnehmen. imago

"Howay The Lads!", steht auf dem Schild im Spielertunnel im St.James' Park. Das ist Geordie, der Dialekt im Nordosten Englands, und heißt so viel wie: "Auf geht's, Jungs!" Angespornt jedoch hat das die Mannschaft auch in dieser Saison nur selten. Acht Siege, aber 19 Niederlagen reichen einfach nicht, um die Klasse zu halten. Der 3:0-Erfolg von Nachbar Sunderland über den FC Everton besiegelte am Mittwoch den Abstieg. Spieler und Fans der Magpies mussten es tatenlos mitansehen. Es ist der zweite Abstieg in sieben Jahren.

Alan Shearer, eine der Vereinslegenden und erbitterter Feind von Klubboss Mike Ashley, twitterte: "Niemand kann behaupten, man hätte es nicht kommen sehen. Newcastle United hat nichts gelernt aus dem Jahr 2009." Damals gelang immerhin 2010 der direkte Wiederaufstieg. Doch dauerhaft nach oben ging es in der Tabelle nie.

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2
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3
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Trainersteckbrief Benitez
Benitez

Benitez Rafael

Schon die vorige Saison hätte fast im Crash geendet, erst im allerletzten Spiel riss man das Steuer noch herum. Mit Steve McClaren, der auch mal Wolfsburg trainierte, hätte alles besser werden sollen. Wieder einmal wurde die Mannschaft runderneuert, aber man blieb im Keller, im März musste McClaren schließlich gehen. Sein Nachfolger Rafa Benitez begann die Saison als Trainer von Real Madrid und beendet sie nun als Absteiger mit Newcastle United. Auch für ihn ist es ein Jahr des Grauens.

Was wird aus Rafa Benitez?

Rafa Benitez

Bei den Fans beliebt, doch geht er in die zweite Liga: Rafa Benitez. picture allaince

Von den neun Spielen unter ihm verloren die Magpies nur drei, holten jedoch auch bloß zwei Siege. Am Spanier lag es wohl am allerwenigsten. Was nun aus ihm wird, ist ohnehin offen. Eigentlich hat Benitez bis 2019 unterschrieben, doch soll er eine Ausstiegsklausel bei Abstieg besitzen. Andererseits hatte er sich von Ashley einige Freiheiten zusichern lassen, etwa die volle Kontrolle bei Transfers, auch den Umbau der Akademie sowie des Trainingszentrums soll Benitez leiten. Beim Großteil der Anhänger ist er obendrein beliebt. Rund um das letzte Heimspiel am Sonntag jedenfalls haben allerlei Fangruppen schon Aktionen angekündigt, um ihn zum Bleiben zu überreden. Für den Fall, dass er doch geht, gibt es mit Hull Citys Steve Bruce bereits einen Nachfolgefavoriten.

Toon Army nennen sich die Fans der Magpies, und sie sind weiterhin eine lautstarke Truppe. Mit 49.619 Zuschauern im Schnitt hatte Newcastle den viertbesten Zuschauerschnitt der Premier League hinter ManUnited, Arsenal und Manchester City. Immer wieder protestierten die Anhänger gegen Ashley, einen schwerreichen Tottenham-Sympathisanten, der den Verein als Investment sieht und damit lieber Rendite einfährt, als eigenes Geld in die Mannschaft zu investieren. Dass in der jüngsten Bilanz ein Gewinn von gut 40 Millionen Euro ausgewiesen wurde, hilft ihm nun aber auch nicht weiter. Am Sonntag wird es für ihn im und um das Stadion sicher wieder ungemütlich werden. Falls er denn erscheint.

Kunterbunter Kader, aber keine funktionierende Mannschaft

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Bisher hatte stets der Vorstand um Ashley bei Neuzugängen das letzte Wort. Die Priorität besaßen dabei Spieler unter 25 Jahren, zumeist aus dem französischsprachigen Ausland, die beim Wiederverkauf das Potenzial für einen satten Gewinn besaßen. Heraus kam ein kunterbunt zusammengekaufter Kader, der zwar vereinzelt durchaus Perspektive aufweist, aber in der Summe nie eine funktionierende Mannschaft ergab. Über 100 Millionen Euro wurden in dieser Saison für Spieler wie Giorgino Wijnaldum, Aleksandar Mitrovic, Henri Saivet oder Florian Thauvain ausgegeben, der bereits im Winter wieder nach Marseille verliehen wurde. Auch an bereits etablierten Spielern war Newcastles Niedergang festzumachen, etwa am Ex-Freiburger Papiss Demba Cissé (3 Tore in 21 Einsätzen). Der im Winter vom AS Rom geliehene Seydou Doumbia kam auf ganze drei Spiele, alle ohne Treffer.

Bei den allermeisten Spielern sind in den Verträgen Klauseln enthalten, die bei Abstieg das Gehalt automatisch um die Hälfte kürzen. Jetzt werde mal wieder alles auf den Kopf gestellt, hat Geschäftsführer Lee Charnley angekündigt. "Wir sind alle am Boden zerstört", sagte er. "Aber unsere Fans wollen jetzt wissen, wie es weitergeht und das werden wir in Kürze verkünden." Es wird nicht unbedingt ein radikaler Schnitt im Team erwartet, doch Spieler wie Wijnaldum, Cissé, Moussa Sissoko oder auch Andros Townsend könnten wohl noch gute Preise erzielen.

Die Kanarienvögel verabschieden sich leise

Gar so laut geht es bei Norwich City nicht zu. Auch ein 4:2-Sieg über Watford konnte den absehbaren Abstieg nach einem Jahr Premier League nicht verhindern. Die Fans sangen für Coach Alex Neil, mit dem vorige Saison der Aufstieg gelungen war. "Das ist wirklich außergewöhnlich, ich kann mich bei unseren Anhängern nur bedanken", sagte der Schotte mit feuchten Augen. Um einiges mehr Tränen fließen sicher am Sonntag im St. James' Park zu Newcastle.

Martin Gruener