kicker

Mourinho: "Ich bin der beste Trainer, den Chelsea je hatte"

Nach dem schlechtesten Start seit 37 Jahren

Mourinho: "Ich bin der beste Trainer, den Chelsea je hatte"

"Ich werde nicht vor der Verantwortung weglaufen": José Mourinho beim 1:3 gegen Southampton.

"Ich werde nicht vor der Verantwortung weglaufen": José Mourinho beim 1:3 gegen Southampton. picture alliance

Ein wenig verloren sah er aus an der Seitenlinie, die gewohnte Selbstsicherheit - von ihm gewichen. Schon im Vorfeld hatte José Mourinho von der "schlimmsten Phase seiner Karriere gesprochen". Das Heimspiel gegen die Saints zeigte eindrucksvoll: Es geht noch schlimmer. Selbstsicherheit durch das frühe Tor? Fehlanzeige. Stabilität in der Defensive die (von den Fans geforderte) Rückkehr von Kapitän John Terry? Fehlanzeige. Durchschlagskraft in der Offensive in Abwesenheit des gesperrten Diego Costa? Fehlanzeige. Falcao gab nicht einen einzigen Torschuss ab. Hazard, vergangene Saison der überragende Spieler der Liga: unsichtbar - wie Cesc Fabregas.

Mit dem Team, das in der vergangenen Saison souverän den Meistertitel einfuhr, scheint der FC Chelsea Anfang Oktober rein gar nichts mehr gemein zu haben. Besonders besorgniserregend bleibt das Chaos in der Defensive. Drei Tore schenkte Southampton, das in der Premier League auswärts saisonübergreifend zuvor zehnmal in Folge sieglos geblieben war, den Blues ein. Das hatte in 101 Liga-Heimspielen noch kein Team gegen Mourinhos Chelsea geschafft. Nur Sunderland (18) hat in dieser Saison mehr Gegentore kassiert als die Blues (17). Ein Mourinho-Team mit Defensiv-Problemen? Eigentlich undenkbar. Die einstige Festung Stamford Bridge als Selbstbedienungsladen? Eigentlich auch unvorstellbar.

Dass Kapitän Terry, der zuletzt mehrmals auf der Bank geschmort hatte, wieder anstelle von Zouma im Abwehrzentrum spielte, machte kaum einen Unterschied. Beim 1:2 ließ er sich vom starken Sadio Mané komplett abkochen. Zuvor hatte Cahill sich im Mittelfeld einen folgenschweren Ballverlust erlaubt.

Ivanovic: Nicht nur von Tadic vorgeführt

Und dann war da ja noch Branislav Ivanovic. Beim Serben, in der Vergangenheit eigentlich die Zuverlässigkeit in Person und absoluter Leistungsträger, fragt man sich dieser Tage öfter mal: Ist er es wirklich? Auch gegen die Saints lieferte der Rechtsverteidiger einen desolaten Auftritt ab. In der ersten Hälfte hatte er Glück, dass sein Halten gegen van Dijk nicht mit dem fälligen Elfmeterpfiff bestraft wurde. Im zweiten Durchgang ließ er sich von Tadic nahe der Torauslinie derart vorführen, dass man fast schon Mitleid haben musste.

John Terry

Oh Captain, mein Captain: Auch John Terry konnte Chelseas Abwehr nicht stabilisieren. picture alliance

Mourinhos Festhalten an Ivanovic - man kann sich kaum einen Reim darauf machen. Zumal mit dem Augsburger Baba im Sommer für viel Geld einen Außenverteidiger verpflichtet wurde. Der Chelsea-Coach sprach sicher auch über Ivanovic als er nach dem Spiel sagte: "Ich bin in einer Situation, in der ich weiß, dass dieser oder jener Spieler gut ist und ich ihm vertrauen kann. Ich weiß, was er in den vergangenen Saisons für uns geleistet hat, auch wenn er gerade eine schlechte Phase hat. Was tue ich? Lasse ich ihn im Team oder tausche ich ihn aus?"

Es ist ein entscheidender Moment in der Geschichte dieses Klubs, denn wenn sie mich entlassen, entlassen sie den besten Trainer, den dieser Klub jemals hatte.

José Mourinho

Diese Aussagen waren Teil eines siebenminütigen Monologes, den Mourinho nach Spielschluss gegenüber "Sky Sports" hielt. Nach dem schlechtesten Start seit der Saison 1978/79 gerät auch der 52-Jährige unter Beschuss - und weiß das auch: "Ich renne nicht vor Verantwortung davon. Wenn der Klub mich entlassen will, muss er das tun. Jetzt noch Meister zu werden, wird schwierig, aber ich bin überzeugt davon, dass wir noch unter die ersten Vier kommen werden", gab sich der Portugiese kämpferisch, um dann wieder das alte Mourinho-Selbstverständnis durchschimmern zu lassen: "Es ist ein entscheidender Moment in der Geschichte dieses Klubs, denn wenn sie mich entlassen, entlassen sie den besten Trainer, den dieser Klub jemals hatte."

Sündenbock Schiedsrichter: "Sie trauen sich nicht, für uns zu pfeifen"

Wenig überraschend kam, dass Mourinho Schiedsrichter Robert Madley kritisierte. "Die Referees trauen sich nicht, Entscheidungen für Chelsea zu treffen", war der Portugiese dem ihm nur allzu bekannten Reich der Verschwörungstheorie wieder nahe: "Wenn die FA mich bestrafen will, kann sie das tun. Andere Trainer bestraft sie ja nicht. Der Elfmeter war glasklar, und er hatte Angst ihn zu geben, wie jeder andere auch Angst hat, sie zu geben."

Graciano Pelle

Jubelte mit Southampton an der Stamford Bridge: Saints-Torjäger Graciano Pelle. picture alliance

Die Szene, die er konkret meinte: Beim Stand von 1:1 ging Falcao im Strafraum im Duell mit Stekelenburg zu Boden - und sah wegen einer vermeintlichen Schwalbe Gelb. Der Kolumbianer war zwar schon vor dem Kontakt mit dem Torhüter zu Boden gesunken, aber Elfmeter wurde in solch einer Situation durchaus schon gegeben. Nicht unerwähnt bleiben sollte allerdings: Chelsea hatte in der ersten Hälfte Glück, dass sich Ivanovic (gegen van Dijk) und Ramires (gegen Mané) sich keinen Elfmeterpfiff einhandelten.

Zwei Minuten nach der Szene mit Falcao traf Mané zum 2:1 und Chelsea zerfiel - unter den Augen eines nachdenklich wirkenden Roman Abramovich - in seine Bestandteile. Nun kommt die Länderspielpause. Danach gastiert das zuletzt siebenmal sieglose Aston Villa an der Stamford Bridge. Der richtige Aufbaugegner? Man sollte sich nicht zu sicher sein. Sicher ist nur: Noch keinem Team, das nach acht Spieltagen acht Punkte auf dem Konto hatte, schaffte es in der Premier-League-Historie noch unter die ersten Vier.

ski