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Lachgas, "Fortnite", Rücken: Der heikle Fall Mesut Özil

Warum er für Arsenal ein Problem wurde, aber keines bleiben muss

Lachgas, "Fortnite", Rücken: Der heikle Fall Özil

Ein Jahr voller Schwermut: Mesut Özil.

Ein Jahr voller Schwermut: Mesut Özil. imago

Wären die Bilder nicht so bedrückend, man könnte sie glatt als Beleg dafür aufführen, dass der Teamgeist bei Arsenal stimmt: Shkodran Mustafi scheint seinem neuen Teamkollegen Matteo Guendouzi genau zu erklären, wie er sein Lachgas zu inhalieren hat; und als der 19-jährige Franzose kurz danach offensichtlich das Bewusstsein verliert, eilen die anderen anwesenden Arsenal-Profis gleich hilfsbereit herbei.

Weitere Protagonisten aus dem Schwarz-Weiß-Video, das die "Sun" am Freitagmorgen veröffentlichte und das schnell global die Runde machte: Mesut Özil, der nach ein paar kräftigen Zügen aus seinem Luftballon fast vom Sofa rutscht, was Nebenmann Sead Kolasinac zum Schießen findet; und Henrikh Mkhitaryan, der das Inhalationsangebot verschmäht und anscheinend lieber einen Lolli lutscht.

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Özil ist zum Problem geworden bei dem Klub, dessen Aushängeschild er jahrelang war

Nun muss man wissen, dass das Video, in dem auch Pierre-Emerick Aubameyang und Alexandre Lacazette auftauchen, erstens offenbar schon im August auf einer Londoner Privat-Party entstand und damit vor Arsenals Höhenflug mit inzwischen 20 niederlagenfreien Pflichtspielen; zweitens, dass weder der Kauf noch der Konsum von Lachgas, auch "Hippie Crack" genannt, in England verboten ist; und drittens, dass Arsenal recht unaufgeregt reagiert hat, mit den Spielern "sprechen" und sie "an ihre Verantwortung als Repräsentanten des Klubs erinnern" will.

Doch so schnell werden die Gunners diese Szenen in den nächsten Wochen trotzdem nicht abschütteln können - schon gar nicht derjenige unter den Inhalierenden, an dem Arsenals Aufschwung unter Trainer Unai Emery vorbeigegangen zu sein scheint: Özil. Es ist nur ein weiteres Kapitel in der schwermütigen Saison des deutschen Ex-Nationalspielers, die auf einen schwermütigen Sommer folgte und in der sogar die Partys bedrückend aussehen. Er ist zum Problem geworden bei dem Klub, dessen Aushängeschild er jahrelang war.

Der "beste Zehner der Welt" ist Bournemouth nicht mehr gewachsen

Mit Özil gewann Arsenal 2018/19 gut die Hälfte der Pflichtspiele, ohne ihn fast 90 Prozent. Es ist offensichtlich, dass Emery ein Problem hat, den eleganten Zehner in sein 3-4-3-System zu integrieren, in dem es keinen Zehner gibt, dafür im Idealfall zehn Feldspieler, die bei Ballverlust aggressiv jagen und schnell umschalten. Als Emery, der Wenger-Nachfolger, Özil, den Wenger-Liebling, beim 2:1-Sieg in Bournemouth 90 Minuten auf die Bank setzte, erklärte er es unumwunden damit, dass er ein "sehr physisches und intensives Spiel" erwartet habe. Das muss man als Weltmeister, als "bester Zehner der Welt" (José Mourinho 2013), erst einmal schlucken. Gesetzt ist bei Emery niemand, auch nicht der Topverdiener.

Im Februar hatte Özil einen neuen Vertrag unterschrieben, der ihm bis 2021 kolportierte 340.000 Euro pro Woche garantiert, und man muss sich fragen, ob Arsenal mit diesem Schritt kurz vor dem Ende der Ära Wenger eine langfristige Strategie verfolgte oder nicht doch eher den Vorwurf vermeiden wollte, mal wieder einen großen Namen ablösefrei zu verlieren.

Auf einmal heißt es, Özils Rückenprobleme kämen vom vielen Zocken

Im "neuen Arsenal" wirkt Özil jetzt wie aus der Zeit gefallen, Vergleiche mit Wayne Rooneys schleichendem Abgang bei Manchester United machen die Runde. Immer wieder gibt es böse Gerüchte: Als Emery Özils Fehlen in den Spielen nach dem gegen Bournemouth mit Rückenproblemen begründete, wollte das erst keiner glauben. Als dann ein Arsenal-Blogger die Theorie verbreitete, sie könnten vom exzessiven "Fortnite"-Spielen kommen, glaubten es alle. Angeblich lässt sich an Özils Account ablesen, dass dieser im letzten Jahr im Schnitt rund fünf Stunden pro Tag benutzt wurde.

Dazu kommt, dass es Emery in seinem noch holprigen Englisch schwerfällt, heikle Fragen souverän abzuwehren, stattdessen selbst immer wieder Anlässe zu neuen Spekulationen bietet. So war es beim angeblichen Trainingszoff mit Özil zu Saisonbeginn , so war es nach dem 4:2 im Derby gegen Tottenham , als er die Fragen, woher Özils Rückenschmerzen kämen und ob er im Stadion gewesen sei, jeweils nur mit "Weiß ich nicht" beantwortete.

Die Kritik von Klublegende Ian Wright wirkt wie ein schlechter Witz

Was also kann Özil Arsenal noch geben knapp drei Jahre vor seinem Vertragsende? Auch in dieser Saison kreierte der inzwischen 30-Jährige mit die meisten Arsenal-Chancen, und wenn ihn Klublegende Ian Wright wie neulich mit dem Vorwurf kritisiert "Ist es das, was wir wollen: Nur Assists?", ist das natürlich ein schlechter Witz in einem Team mit Aubameyang (10 Saisontore) und Lacazette (6). Wie er Leicester Ende Oktober sezierte , wurde vielleicht zu schnell vergessen.

Die große Frage bleibt: Ist Özil, der wohl auch am Samstag (16 Uhr) gegen Huddersfield wieder ausfällt, bereit, sich voll auf Emerys Fußballidee einzulassen? Kann er das rein körperlich überhaupt? Und bleibt ihm angesichts seines Gehalts und mangelnder Top-Interessenten überhaupt etwas anders übrig?

Sergio Aguero zum Beispiel, anfangs als nicht kompatibel zu Pep Guardiolas strikten Anforderungen abgestempelt, erfand sich mit Ende 20 noch mal neu. Letzte Saison schoss er in 25 Ligaspielen 21 Tore und verlängerte im September bis 2021. Nach der Endzeitstimmung muss nicht das Ende kommen.

jpe