WM

Island: "Wir schreiben Geschichte und hören nicht auf"

Finnbogason und das "begeisternde Gefühl" nach dem Tor

Island: "Schreiben Geschichte und hören nicht auf"

Torschütze mit vorbildlicher Abwehrarbeit: Islands Alfred Finnbogason.

Torschütze mit vorbildlicher Abwehrarbeit: Islands Alfred Finnbogason. imago

Aus Moskau berichtet Jörg Jakob

"Jeder einzelne Argentinier hat bessere Fähigkeiten und spielt in größeren Mannschaften. Wenn man die Spieler durchgeht, haben wir keine Chance. Um zum Erfolg zu kommen, brauchen wir einen speziellen Plan", erklärte Trainer Heimir Hallgrimsson. "Einen Matchplan, der fast perfekt aufging, weil wir ihnen nicht viel Raum gelassen haben", freute sich Hannes Halldorsson. Der Torhüter hatte entscheidenden Anteil daran, dass eine wieder einmal geschlossene, beeindruckende Teamleistung zum Erfolg führte. Nicht nur, weil er stets auf dem Posten war, sondern speziell auch beim Versuch des bei einem Strafstoß wiederholt scheiternden Lionel Messi, immerhin fünfmaliger Weltfußballer.

Kleines Land, fantastischer Erfolg

Denn daran besteht ja gar kein Zweifel: Dieses Unentschieden im ersten Gruppenspiel gegen einen der Mitfavoriten und zweimaligen Weltmeister ist ein fantastischer Erfolg für das mit 340.000 Einwohnern kleinste Land, das bisher an einer WM-Endrunde teilgenommen hat. "Wir schreiben Geschichte und hören nicht auf damit", sagte der zweite Insel-"Held", Alfred Finnbogason (29). Der Augsburger Bundesligaprofi hatte Sergio Agueros Führungstreffer mit einem Abstaubertor ausgeglichen und ragte nicht nur mit weiteren gefährlichen Offensivaktionen in der ersten Halbzeit heraus, sondern auch mit vorbildlicher Abwehrarbeit. "Er tut weh", legte Hallgrimsson, der Zahnarzt, dar, warum Finnbogason, der im Saisonverlauf länger verletzt war, unter "vier guten Stürmern, die wir haben", den Vorzug erhielt. "Es war eine taktische Entscheidung für Alfred. Er hat getroffen, also war es nicht falsch."

"Es war ein begeisterndes Gefühl, als der Ball im Tor war", berichtete Finnbogason weit über eine Stunde nach Abpfiff von dem Erlebnis, gleich im ersten WM-Spiel der Karriere auch getroffen zu haben. "In einem großen Spiel, einem Meilenstein für das Team", wie der Trainer es ausdrückte. Hochkonzentriert hatte seine Männer es angegangen, beruhigend angeführt vom erfahrenen Kapitän Aron Gunnarsson. Von einer besonderen Nervosität bei dieser Weltpremiere der EM-Sensation 2016 war im Stadion von Spartak Moskau nichts zu erkennen. "Wir waren zuletzt in Testspielen vielleicht etwas nachlässig, aber wenn es zählt, sind wir bereit", so Finnbogason. Im Anlaufen vom hinter ihm agierenden Everton-Profi Gylfi Sigurdsson in einer 4-5-1-Formation unterstützt, die häufig zu einem 4-4-2 wurde, machten der Augsburger und die beiden Abwehrreihen hinter ihm dem Favoriten von Beginn an giftig das Kombinieren schwer. "Wir hatten sie da, wo wir sie haben wollten", freute sich Keeper Halldorsson, "Argentinien wurde ungeduldig". Man habe das recht früh im Spiel erkennen und verfolgen können, fügte Finnbogason an. Mit Geschick und auch dem nötigen Glück schafften es die Isländer immer wieder, sich 1:1-Situationen vom Hals zu halten und den gefühlten Sieg über diese erste Runde zu bringen.

Islands Keeper bereitete sich intensiv auf Messis Elfmeter vor

Der entscheidende Moment des Spiels: Hannes Halldorsson pariert gegen Lionel Messi.

Der entscheidende Moment des Spiels: Hannes Halldorsson pariert gegen Lionel Messi. imago

Freude, Stolz und Selbstvertrauen ohne Übermut strahlten sie nach getaner Arbeit aus – und große Lust auf weitere gute Geschichten. Am Dienstag ist Nigeria der nächste Gegner. "Heute genießen wir es, ab morgen denken wir an die nächste Aufgabe" (Finnbogason). Vermutlich genauso pflichtbewusst wie Halldorsson auf Messis halbhohen Schuss beim Elfmeter. "Einem der besten Spieler der Welt gegenüber zu stehen ist ein großer Moment. Ein Traum wurde wahr, als ich den gehalten habe. Ich hatte meine Hausaufgaben gemacht, mir viele Elfmeter von ihm angesehen und wusste, dass sowas passieren kann." Aber auch sein eigenes Bewegungsverhalten bei Strafstößen habe er studiert, sagte der beim dänischen Erstligisten FC Randers angestellte Profi. "Das ist meine Arbeit als Torwart". Und nach den Reaktionen der Fans gefragt, ergänzt der im zweiten Beruf als Filmemacher arbeitende 34-Jährige: "Ich glaube, dass wieder viele Sympathien bei uns liegen werden. Die Mehrheit mag uns. Nur unsere Gegner mögen uns nicht."