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Kernig, tätowiert, bärtig - und gute Fußballer

Isländer sind auf den Geschmack gekommen

Kernig, tätowiert, bärtig - und gute Fußballer

So jubeln Isländer: Aron Gunnarsson und seine Teamkollegen.

So jubeln Isländer: Aron Gunnarsson und seine Teamkollegen. Getty Images

Aus Nizza berichten Thomas Hennecke und Benni Hofmann

Sie sind groß, kernig (alle), tätowiert (nicht alle), und manche tragen zottelige Bärte. Problemlos könnte man einen Wikinger-Film mit diesen Fußballern besetzen, die am 27. Juni wohl das Spiel ihres Lebens ablieferten und noch zehn Minuten nach dem Schlusspfiff mit ihren Anhängern ausgelassen feierten.

"Die Engländer haben gedacht, dass dieses Achtelfinale ein Spaziergang wird", sagte Sigurdsson, "aber wir haben immer an unsere Chance geglaubt". Das wird am Sonntagabend in Paris nicht anders sein, wenn Gastgeber Frankreich in der nächsten Runde wartet und sich auf mehr Gegenwehr gefasst machen muss als zuletzt von den Iren. "Unser Spiel gegen den Turnier-Gastgeber wird noch größer als das gegen England", ahnt Lars Lagerbäck, der Islands Nationalmannschaft gemeinsam und gleichberechtigt mit Heimir Hallgrimsson führt.

Ich hoffe, das beste kommt noch.

Heimir Hallgrimsson

Seltsam konzeptlose und in ihrer fußballerischen Einfalt fast schon bemitleidenswerte Engländer machten die schmerzhafte Erkenntnis, dass diese Isländer mehr als nur gut verteidigen können. Sie allein auf ihre Defensivqualitäten zu reduzieren, wird ihren Fähigkeiten nicht annähernd gerecht: Island war dem dritten Tor (durch Sigurdsson (55.) und Gunnarsson (84.) näher als konfuse Engländer dem Ausgleich. "Das war unser bestes Spiel bisher", strahlte Hallgrimsson. Augenzwinkernd fügte er hinzu: "Ich hoffe, das beste kommt noch."

Erst Holland, dann Österreich - und nun England

Island hat in der Qualifikation die Niederlande eliminiert und bei dieser Europameisterschaft erst Österreich und jetzt auch England von der Teilnehmerliste gestrichen. "So eine Hürde zu überwinden, verändert deine Mentalität als Fußballer", sagt Hallgrimsson, "du wirst selbstbewusster". Islands Kicker, so viel ist sicher, reisen am Wochenende nicht nach Paris, um dort die Autogramme von Giroud, Griezmann oder Pogba einzusammeln. Sie wollen dieses Märchen fortschreiben. Und ins Halbfinale einziehen.

Ragnar Sigurdsson, der Wayne Rooneys Führungstor nur zwei Minuten später ausglich und England damit in eine Art Schockstarre versetzte, wird dafür mit jeder Faser seines Körpers kämpfen. Noch steht er beim russischen Klub FK Krasnodar unter Vertrag, mit dem Borussia Dortmund in der Europa League im Herbst 2015 Bekanntschaft schloss (1:2; 1:0). "Bald werden ihn größere Klubs auf dem Einkaufszettel haben", prophezeit Hallgrimsson. Kollege Lagerbäck ergänzt: "So ein Spiel kann eine Karriere erheblich beeinflussen. Viele Spieler werden jetzt besser dotierte Verträge bekommen."

Könnte sein, dass Fußballer demnächst zu einem Exportschlager Islands werden.