EM

Xavi: "Wir sind nicht gelangweilt"

Spanien: Platini nimmt Titelverteidiger in Schutz

Xavi: "Wir sind nicht gelangweilt"

Ist nicht gelangweilt: Spaniens Lenker Xavi.

Ist nicht gelangweilt: Spaniens Lenker Xavi. imago

Das Tiki-Taka der Spanier, einst hoch gelobt und gefeiert, bei dieser EURO mehr und mehr kritisiert. Wenig attraktiv sei die Kurzpassorgie der Spanier, die mit ihren dritten Triumph bei einem großen Turnier in Folge einen Rekord aufstellen wollen.

Doch Platini, einst selbst ein Schöngeist des Fußballs und Spielmacher der französischen Europameisterelf 1984, hält mit Nachdruck fest: "Sie sind diesmal mit einem anderen Stil ins Finale gekommen, basierend auf taktischer Intelligenz und ihren technischen Möglichkeiten. Spanien kreiert eine Menge Chancen, und man sollte immer nach den Stärken der Spieler spielen lassen."

Das EM-Finale 2012

Auch Spaniens Spielmacher Xavi hat kein Verständnis für die Kritik. "Wir sind nicht gelangweilt, wir erfreuen uns an unserem Stil. Unsere Philosophie ist die richtige, unsere Fans können sich damit identifizieren", sagte der Mittelfeldspieler des FC Barcelona: "Und alle Fans, nicht nur unsere, sollten sich daran erfreuen."

Schlussmann Iker Casillas bedankte sich für die Respektbekundungen aus dem gegnerischen Lager, jedoch beruhe dies auf Gegenseitigkeit. "Italien hat gezeigt, das es berechtigt im Finale steht, es hat einen definierten Stil", so "San Iker", der ferner für das Endspiel ankündigte: "Wir werden im Finale das verteidigen, was uns vor vier Jahren in Wien so viel Arbeit gekostet hat, erstmals zu gewinnen. In Südafrika haben wir den Titel von Wien dann bestätigt. Aber man muss mal zurückdenken. Vor vier Jahren (zu Turnierbeginn, d.Red.) wäre es undenkbar gewesen, dass wir 2012 den Titel im Finale verteidigen können - und das sogar als Weltmeister." Über seinen Weggefährten Xavi, mit dem er 1999 ja gemeinsam den U-20-WM-Titel in Nigeria gewann, sagte Casillas: "Wir haben vor langer Zeit gemeinsam begonnen und sind seither parallele Wege gegangen. Hoffen wir, dass es für Spanien auch in Zukunft so weitergeht, dass Spanien auch in Zukunft junge Spieler haben wird, die solche Erfolge feiern werden."

Wir wollen allen zeigen, dass wir noch hungrig auf Siege sind.

Spaniens Lenker Xavi

Am Sonntag treffen in Kiew zwei grundverschiedene Systeme aufeinander. Während die Spanier zum Teil ohne echte Spitze ("4-6-0" mit Mittelfeldmann Fabregas in vorderster Front) den maximalen Ballbesitz anstreben, agieren die Azzurri mit den beiden schwer ausrechenbaren Balotelli und Cassano im Angriff, unterstützt durch den genialen Regisseur Pirlo, der das Spielfeld gerne einmal mit einem öffnenden Pass schnell überbrückt.

"Ich hätte gerne eine bedeutendere Rolle gespielt"

Welches System wird sich durchsetzen? Regisseur Xavi gab durchaus zu, dass er bei dieser EURO noch nicht das ganz große Niveau erreicht habe. Gegen Portugal im Halbfinale war das vermeintliche Mastermind ja sogar ausgewechselt worden. "Ich hätte gerne eine bedeutendere Rolle gespielt bei dieser EURO. Aber nun versuche ich eben, gegen Italien eine große Partie zu machen." Ob dies sein letztes großes Turnier werde, davon wollte der 32-Jährige nichts wissen: "Das weiß ich nicht. Abwarten. Ich fühle mich gut, was dieses Finale anbelangt, den Rest wird man sehen. Aber ich hoffe, dass ich gegen Italien dem Team das geben kann, was es von mir erwartet."

Richtig verärgert zeigte sich der Barça-Regisseur aber über Gedankenspiele in der Öffentlichkeit, dass sich der Titelverteidiger im Falle einer Finalniederlage vielleicht selbst zuzuschreiben habe, weil man in der Gruppenphase verpasst habe, Italien auszuschalten. Vor zwei Wochen hätte am dritten Spieltag ein 2:2 gegen Kroatien sowohl den Spaniern als auch der Mannschaft von Slaven Bilic den Sprung in Viertelfinale ermöglicht - Italien wäre dann unabhängig seines Sieges gegen Irland ausgeschieden.

Es kam bekanntlich anders: Spanien gewann am 18. Juni 1:0, Italien 2:0 gegen die "Boys in Green" von Giovanni Trapattoni, womit die Kroaten raus waren. Xavi zu dem Mutmaßungen in den Medien: "Wir haben damals unsere Arbeit gemacht. Dass wir uns den Finalgegner Italien mit einem anderen Ergebnis hätten ersparen können, daran denken wir nicht. Denn wir gehen ja morgen auch nicht von einer Niederlage aus."

Doch auch Xavi warnte vor überzogenen Überwartungen: "Dass Spanien immer gewinnt, ist der Idealfall. Wenn man uns das vor einiger Zeit gesagt hätte, hätten wir es selbst nicht geglaubt." Doch von steten Erfolgen könne man nicht automatisch ausgehen. Gleichwohl wolle die Mannschaft in Kiew ab 20.45 Uhr "versuchen, Geschichte zu schreiben" und den dritten Titel in Folge zu gewinnen nach 2008 und dem WM-Sieg 2010.

Abschluss-PK in Kiew: Xavi neben seinem langjährigen Weggefährten in der "Roja", Iker Casillas (re.).

Abschluss-PK in Kiew: Xavi neben seinem langjährigen Weggefährten in der "Roja", Iker Casillas (re.). Getty Images

Ein Schlüssel für das "Triple" sei "der Ballbesitz. Den streben beide Teams an." Abwarten, wer sich durchsetzt.

Und dann wurde der Spielmacher sogar ein wenig nostalgisch: "Ich habe sehr viel Glück gehabt mit meiner Karriere. Vor ein paar Jahren zählte im Fußball sehr viel mehr die physische Komponente. Nun wird viel offensiver gespielt, das ist ein Glück für Spieler wie mich, die physisch nicht so robust sind."

Dass Spanien bei diesem Wandel stilbildend und wegweisend war, ließ Xavi unausgesprochen. Auch, dass er immer wieder zu den Dauerläufern und Spielern mit den meisten Ballbesitzen und Pässen zählte bei dieser EM. Der Katalane ist eben kein Lautsprecher. Für ihn wie für die "Roja" zählt auf dem Platz. In Kiew wollen sie es zum Abschluss dieser EM erneut zeigen.

Und sollte es nicht klappen, dann, so sagte Sergio Ramos, einer der Elfmeter-Helden vom Halbfinalsieg am Mittwoch gegen Portugal, ja dann "ist es wichtig, dass wir erhobenen Hauptes nach Hause kommen können". Doch auch der Verteidiger malte sich viel lieber den "Super-Glücksmoment eines Sieges" aus: "Das wäre die Belohnung für all unsere in den letzten Jahren gebrachten Opfer und die Tatsache, dass wir trotz aller Erfolge nie abgehoben haben."

Bonhof hält fest: "Statistik ist falsch"

Eine kuriose Statistik weist die UEFA indes in ihren Archiven aus. Demnach soll Rainer Bonhof der einzige Fußballer sein, der zweimal Europameister geworden ist (1972, 1980). Doch der einstige Spanien-Legionär weist die Lorbeeren zurück. "Ich kannte diese Statistik überhaupt nicht, und außerdem ist sie in meinen Augen falsch." Gegenüber dem SID erklärt der 53-malige Nationalspieler: "Ich habe mich 1980 kurz vor der EM beim Abschiedsspiel von Sepp Maier an der Achillessehne verletzt. Ich stand zwar im Kader, bin aber gar nicht nach Italien gefahren." Und auch sein Titel 1972 sei für ihn nicht so wichtig, schließlich sei er dabei keine Minute zum Einsatz gekommen.

Die "Marca" hatte den Rekord des Gladbacher Vizepräsidenten aufgegriffen. "Zwölf Spieler auf den Spuren von Rainer Bonhof", hieß es. Iker Casillas, Sergio Ramos, Xavi, Andrés Iniesta, Cesc Fàbregas, Pepe Reina, Álvaro Arbeloa, Xabi Alonso, David Silva, Fernando Torres, Raúl Albiol und Santi Cazorla wären mit einem Finalsieg am Sonntag gegen Italien zum zweiten Mal nach 2008 Europameister.