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EM-Vergabe: Wie stehen Deutschlands Chancen?

Mehrere Exko-Mitglieder sind schwer einzuschätzen

EM-Vergabe: Wie stehen Deutschlands Chancen?

Wird er zum Zünglein an der Waage? UEFA-Präsident Aleksander Ceferin.

Wird er zum Zünglein an der Waage? UEFA-Präsident Aleksander Ceferin. picture alliance

Die deutsche EM-Bewerbung wird einen klaren Sieg einfahren. Diese Erwartung jedenfalls bekommt, wer sich in den Ländern und Verbänden umhört, die die 17 stimmberechtigten Mitglieder des UEFA-Exekutivkomitees (Exko) um Präsident Aleksander Ceferin stellen. Doch Vorsicht: Was Umfragen vor Wahlen wert sind, zeigt sich nicht nur permanent in der Politik, auch bei den WM-Vergaben durch die FIFA für 2018 und 2022 galten Russland und Katar nicht als die großen Favoriten, weil andere Bewerbungen klar im Vorteil schienen.

Bislang äußert sich niemand aus dem UEFA-Gremium offen pro Deutschland oder pro Türkei, die Lobbyisten beider Lager netzwerken ohnehin bis zum Schluss. Und dennoch zeichnet sich ab, dass die PR-Tour des am Donnerstag im schweizerischen Nyon nicht stimmberechtigten DFB-Präsidenten Reinhard Grindel Früchte trägt. So warb er zuletzt erneut in Bulgarien um die Gunst von Borislav Mikhailov, dessen Wiederwahl zum Verbandschef Grindel unterstützte. Sehr gute Beziehungen zum DFB pflegen auch Exko-Mitglieder wie Davor Suker (Kroatien), Zbigniew Boniek (Polen), Michele Uva (Italien) oder John Delaney (Irland), der als Volunteer bei der EM 1988 in Deutschland arbeitete, und diese für ihn schöne Erinnerung immer wieder betont.

Evaluierungsbericht sieht Defizite bei der Türkei

Der englische Vertreter David Gill, Schatzmeister der UEFA, dürfte naturgemäß die Finanzen besonders im Blick haben, was angesichts der zu erwartenden Mehreinnahmen bei der Vergabe nach Deutschland und der türkischen Wirtschafts- und Währungskrise nicht unerheblich ist. Auch Ivan Gazidis, noch Geschäftsführer bei Arsenal und bald in gleicher Funktion beim AC Mailand tätig, gilt vor allem als Mann der Zahlen. Der Portugiese Fernando Gomes hingegen erklärt gern, "der Fußball kann und soll zur Beachtung der Menschenrechte beitragen", was angesichts beispielsweise eingeschränkter Pressefreiheit im Land von Recep Tayyip Erdogan ebenfalls dafür spricht, dass er seine Stimme Deutschland gibt. Auch der Evaluierungsbericht der UEFA bescheinigte der Türkei hier Defizite.

Mehrere Exko-Mitglieder jedoch sind schwer einzuschätzen, wie der Ungar Sandor Csanyi, oder halten sich bedeckt, wie der Schweizer Peter Gillieron oder die Französin Florence Hardouin, die einzige Frau im Gremium, die sich am Rande des Länderspiels vor knapp drei Wochen aber mit DFB-Vertretern traf. Der Schwede Karl-Erik Nilsson sagt auf kicker-Nachfrage: "Ich will erst die technische und wirtschaftliche Analyse abwarten."

Sein Landsmann Lars-Christer Olsson, Vorsitzender der European Leagues, hat schon vor Wochen angekündigt, dass er bei der Abstimmung krankheitsbedingt fehlen wird; Andrea Agnelli, Chef des Verbands der Topvereine ECA, ist offenbar ebenfalls nicht in Nyon dabei, weil er wegen anderer Termine verhindert ist. Gerüchten zufolge wolle er es sich als Vorstandsmitglied von FIAT aber auch einfach nicht mit der Türkei verscherzen.

Neun Stimmen reichen also für einen der Bewerber, sollte es zu einem Patt kommen, zählt die Stimme von Verbandsboss Ceferin. Ihn unterstützte der DFB 2016 bei seiner Kür zum UEFA-Präsidenten. Der unterlegene Gegenkandidat damals hieß Michael van Praag. Wählt der Niederländer nun deshalb die Türkei?, fragte ihn De Telegraaf. "Die Abstimmung ist geheim. Und ich sage nichts über die Art, wie ich zu meiner Wahl komme."

Martin Gruener

In diesen Stadien wird bei der EM 2024 gespielt