Der Elfmeterheld
Das große Frankfurter Plus in dieser Pokal-Saison heißt Lukas Hradecky. Der Keeper schleppte die Eintracht quasi im Alleingang nach Berlin. In der ersten Runde in Magdeburg (4:3 i.E.) avancierte der 27-Jährige zum Elfmeterhelden. In der zweiten Runde gegen Ingolstadt (4:1 i.E.) musste er nicht groß eingreifen, weil der FCI das Tor nicht traf. Im Achtelfinale beim 2:1 in Hannover wandte er mit einem gehaltenen Strafstoß in der 96. Minute eine erneute Verlängerung ab. Den Halbfinaleinzug sicherte der Torhüter beim 1:0 gegen Bielefeld, als es ebenfalls mehrere Top-Paraden von ihm brauchte, um nach 90 Minuten als Sieger vom Feld zu gehen.
Und in Gladbach ... Hradecky hielt wieder zwei Elfmeter im Shootout (7:6 i.E.)! Nur zehn von 18 Elfmetern konnten gegen den Eintracht-Keeper in diesem Wettbewerb verwandelt werden. Beeindruckend!
Die Frühstarter
Zwar erzielte das Team von Trainer Niko Kovac nur fünf Tore (exklusive Elfmeterschießen) auf dem Weg ins Finale, drei davon allerdings in der Anfangsviertelstunde: Branimir Hrgota (7. Minute) in Magdeburg, Danny Blum (6.) gegen Bielefeld, Taleb Tawatha (15.) in Gladbach. Frankfurt startet häufig aggressiv – eben mit dem Ziel, früh in Führung zu gehen. Die Eintracht ist nämlich in der Lage, eine Führung zu verteidigen. In der Bundesliga waren die Hessen 15-mal in Front, elfmal gewannen sie, nur zwei Partien gingen verloren.
Die Mittelfeld-Aggressivität
Mit Omar Mascarell (Achillessehnenentzündung) und Makoto Hasebe (Aufbau-Training nach Knie-OP) – der zwar häufig in der Dreier-Abwehrkette spielte, aber ein potenzieller Sechser wäre – brachen im Mittelfeldzentrum zwei entscheidende Säulen weg. Dennoch versteht es Kovac, das Team taktisch so einzustellen, dass Räume dichtgemacht werden. Das gelingt aber nur dann, wenn jeder Spieler um jeden Millimeter kämpft. "Es geht darum, dass wir dem Gegner bei der Ballannahme auf den Füßen stehen", sagt der Coach im kicker-Interview (Freitagsausgabe). So wie in der Hinrunde, als die Eintracht auch bei zweiten Bällen die nötige Aggressivität und Handlungsfrische zeigte. Deshalb fordert auch David Abraham, dass sich jeder einzelne „zerreißen“ müsse. Bestes Beispiel: Das Hinrunden-Spiel gegen Dortmund (2:1), was taktisch einer der besten Eintracht-Auftritte war. Bleiben die Hessen im Zentrum stabil, können sie mit den flinken Marco Fabian, Ante Rebic oder Danny Blum blitzschnell umschalten und den Ball in die Schnittstellen schicken.
Wir müssen dem Gegner bei der Ballannahme auf den Füßen stehen.
Trainer Niko Kovac
Die Fans
Klar, Frankfurts und Dortmunds Anhänger nehmen sich nichts; es treffen zwei große und außergewöhnliche Fangemeinden aufeinander. Wie wichtig diese für die eigene Mannschaft sind, zeigen die jüngsten Ergebnisse der direkten Duelle. Die Eintracht verlor die letzten sechs Pflichtspiele in Dortmund; gewann aber die letzten drei Partien im eigenen Stadion gegen den BVB. Nach dem Spiel gegen Leipzig versprach einer der Capos (Ultras-Anführer), das Finale in ein Heimspiel zu verwandeln. "Ihr habt euch das (den Finaleinzug, Anm. d. Red.) selbst erarbeitet", schrie er ins Stadionmikrofon - auch um zu sagen: In Berlin wird die Mannschaft dann von den Fans alle Unterstützung bekommen.
Die Erfahrung
Noch kein Frankfurt-Spieler hat bislang den DFB-Pokal gewonnen; mit Alex Meier und Marco Russ standen lediglich zwei im Finale. Allerdings: Die Verantwortlichen Fredi Bobic, Niko Kovac und Robert Kovac kennen das Gefühl, den Pokal in den Händen zu halten. Der Sportvorstand triumphierte 1997 mit dem VfB Stuttgart, als er Teil des Magischen Dreiecks (mit Giovane Elber und Krassimir Balakov) war. Der Chef-Coach holte den Pott 2003 mit dem FC Bayern - gemeinsam mit seinem Bruder, dem aktuellen Co-Trainer, der 2005 erneut mit den Münchnern in Berlin feiern durfte. Ob die fehlende Erfahrung der Spieler ein Nachteil ist? Frankfurt betritt zumindest Neuland – dabei gilt es, kühlen Kopf zu bewahren und sich nicht allzu sehr von der Atmosphäre beeindrucken zu lassen. Dortmund steht zwar als erster Klub zum vierten Mal in Serie im Endspiel - die Erfahrungen der vergangenen drei Jahre sind jedoch auch nicht gerade Mutmacher.
Die Torausbeute
Traf zuletzt gegen Leipzig und auch im Pokal: Der Frankfurter Danny Blum. imago
Nur fünf Tore im laufenden Wettbewerb. Magerkost. Die Probleme bestehen darin, dass sich die Eintracht einerseits nur wenige Chancen (13 seit dem Achtelfinale) erspielt; andererseits die Hochkaräter dann aber auch völlig hanebüchen vergibt. Branimir Hrgota, der das erste Frankfurter Tor des laufenden Wettbewerbs erzielte, scheiterte vor allem 2017 oft kläglich. Die Offensivkollegen Ante Rebic und Marco Fabian trafen im Pokal gar nicht. Lediglich Danny Blum und Haris Seferovic waren als Offensiver noch erfolgreich. Bezeichnend dafür: Mit Taleb Tawatha ist ein Außenverteidiger mit zwei Treffern Eintrachts bester Pokaltorschütze.
Der Trend
Frankfurts Rückrundenserie ist katastrophal. Letzter wurden die Hessen in der zweiten Saisonhälfte. David Abraham lässt sich davon aber nicht beirren, er sagt: "Es handelt sich um einen ganz anderen Wettbewerb." Der - wie eine alte Binsen-Weisheit besagt - seine eigenen Gesetzte hat. Die Aufholjagd gegen RB Leipzig, als die Eintracht nach einem 0:2 zurückkam und eine furiose Schlussviertelstunde hinlegte, gebe zwar ein gutes Gefühl, das es mitzunehmen gilt. Am Samstag aber sei es egal, was bislang passierte. Es komme auf ein einziges Spiel an.
Die Personalien
Hasebe fehlt und wird vermisst. Gleiches gilt für Mascarell. Marc Stendera erwischte es wieder schwer (Knie-OP). Und Guillermo Varela beförderte sich selbst ins Aus - auch sein Wegfall schmerzt angesichts der Lücke auf der Sechserposition. Wer den Posten neben Mijat Gacinovic übernehmen wird, ist noch offen. In Frage kommen Michael Hector, Aymen Barkok, Marco Russ und Timothy Chandler. Genauso ist ungewiss, wer das Rennen in der Offensive für sich entscheidet. Danny Blum hat sich mit einem starken Auftritt gegen Leipzig empfohlen - vielleicht aber eben auch für eine Jokerrolle? Diesen frischen Wind könnte die Eintracht auch nach 60 Minuten gut gebrauchen. Auch Hrgota hat sich aufgedrängt - aber eher für einen Reservistenplatz. Haris Seferovic blieb gegen Leipzig glücklos, zeigte zumindest eine ganz andere Körpersprache: Wille und Kampfgeist kann ihm niemand abstreiten. Rebic und Fabian stehen hinter den Spitzen bereit. Und Alex Meier? Er ist fit. Dass es für die Startelf reicht, ist indes eher nicht zu erwarten.
Die Finalbilanz
Frankfurts "Fußballgott" weiß, was es heißt, ein Pokalfinale zu bestreiten. 2006, beim bislang letzten Endspiel der Eintracht, gewann der FC Bayern 1:0. "Ich glaube, wir haben verdient verloren", blickt Meier zurück. Nun möchte er seiner Mannschaft mit all seiner Erfahrung helfen. Und alles dafür tun, dass Frankfurt nach 1974, 1975, 1981, 1988 wieder den Pokal in die Mainmetropole holt. Mit einem fünften Titelgewinn würde die Eintracht mit Schalke gleichziehen - nur Bremen (sechsmal) und Bayern (18-mal) hätten dann noch mehr Pokalsiege gefeiert.