DFB-Pokal

Dietz: "Ein Jahrhundertspiel eben"

Pokal-Wahnsinn im Halbfinale 1984

Dietz: "Ein Jahrhundertspiel eben"

Schalkes Bernhard Dietz (re., im Duell mit  Klaus Augenthaler) im "Jahrhundertspiel" gegen die Bayern.

Schalkes Bernhard Dietz (re., im Duell mit Klaus Augenthaler) im "Jahrhundertspiel" gegen die Bayern. imago/kicker

kicker: Herr Dietz, derzeit steigen die Halbfinals im DFB-Pokal. Wie oft werden Sie denn noch an das Wahnsinnsspiel von 1984 angesprochen?

Bernard Dietz: Immer wieder mal. So was bleibt bei den Leuten hängen, das ist auch 31 Jahre später ein Thema. Zwölf Tore in einem Spiel, so eine irre Abfolge, das war wirklich Wahnsinn.

kicker: Das ging ja schon mit Vollgas los am 2. Mai 1984. Erinnern Sie sich noch?

Dietz: Ja, wir gingen als großer Außenseiter in das Spiel. Schalke als Zweitligist gegen die großen Bayern. Es war eigentlich nur die Frage, ob es eine Klatsche gibt, oder ob wir das einigermaßen im Rahmen halten können.

kicker: Nach 20 Minuten waren schon fünf Tore gefallen. Was war denn da mit den Abwehrreihen los?

Dietz: Erst mal legten ja die Bayern richtig los und führten schnell 2:0. Angeblich gingen da einige Zuschauer schon zu ihren Autos, weil sie dachten, das wird eine ganz herbe Abfuhr. Dann stand es 2:3, da sind wohl alle zurückgekommen. Da lag was Besonders in der Luft, das lief dann wie im Rausch. Und vorher hatten wir noch über das Spiel am Vortag gesprochen. Das war ja schon irre, Gladbach schlägt Bremen mit 5:4, das war ich ein ganz verrücktes Spiel. Eigentlich nicht zu toppen, aber genau das haben wir geschafft.

Lothar Matthäus

Schon das erste Halbfinale war ein Spektakel, Gladbach siegte mit 5:4 n.V. gegen Bremen. imago

kicker: Hat die Schalker Mannschaft gemeinsam das Gladbacher Spiel im Fernsehen angeschaut?

Dietz: Nein, wir hatten nur Tagesbetten und waren nicht extra im Trainingslager. Jeder hat das Spiel zu Hause gesehen, da gab es an unserem Spieltag natürlich eine Menge zu diskutieren.

kicker: Wieder zurück zum Spiel. Hatten Sie zwischendurch mal das Gefühl: Jetzt sind wir durch, das lassen wir uns nicht mehr nehmen? Zum Beispiel nach dem 4:3? Oder gab es mal eine Phase, wo Ihnen der Gedanke kam: Das können wir nicht mehr umbiegen?

Dietz: Nein, es gab ja gar keine Ruhephasen, da kamst du auch gar nicht richtig zum Nachdenken. Und es gab viele kuriose Szenen. Zum Beispiel das 5:4 für die Bayern: Ich spiele den Ball zurück zu Walter Junghans, drehe mich um und orientierte mich nach vorne. Auf einmal jubeln die Bayern-Fans. Ich habe gar nicht mehr hingesehen, da macht der Junghans einen Riesenfehler, Dieter Hoeneß ist da, 4:5.

kicker: Nicht die letzte Kapriole an diesem Abend im Parkstadion.

Dietz: Tatsächlich gelang mir altem Sack dann das 5:5, fünf Minuten vor dem Ende. Man sieht, ich hatte noch genügend Kraft. Eigentlich war ich ja Linksverteidiger und musste mich vorwiegend mit Kalle Rummenigge beschäftigen. Aber auch mit 36 zog es mich immer wieder nach vorne, ist ja klar, als ehemaliger Stürmer.

Thon rückt raketenmäßig ins Rampenlicht

kicker: Nicht zu fassen, danach fielen noch zwei Tore.

Dietz: Zwei Minuten vor dem Abpfiff machte wieder Dieter Hoeneß das 6:5 für die Bayern, und dann kam noch der eigentliche Clou. Denn es war ja für Olaf Thon das Spiel, in dem er so richtig spektakulär in Erscheinung trat. Der Olaf war damals gerade 18 und kam aus unserer A-Jugend. Ich hatte vorher schon mit seinem Vater in der Westfalenauswahl zusammen auf dem Platz gestanden. Und jetzt mit dem Sohn: Er 18, ich 36. Tja, Olaf machte dann in letzter Minute das 6:6, dann war endlich Schluss in diesem Wahnsinnsspiel, es gab ja kein Elfmeterschießen.

Olaf Thon

Der damals 18-jährige Olaf Thon wird auf den Schultern der Fans vom Platz getragen. imago

kicker: Wie erinnern Sie sich an die Minuten nach dem Abpfiff?

Dietz: Riesentrubel, Olaf Thon auf den Schultern der Fans. Ich war tot wie ein Hund.

kicker: Ins Finale gekommen ist Schalke trotzdem nicht.

Dietz: Eine Woche später gab es das Wiederholungsspiel in München, und wir haben uns als Zweitligist wieder sehr gut verkauft. 2:0 für die Bayern, 2:2, dann macht Kalle Rummenigge das 3:2. Wir waren raus, aber insgesamt war es eine Riesensaison für Schalke. Wir sind unter Diethelm Ferner im gleichen Jahr aufgestiegen. Und dieses Halbfinale, davon reden die Leute halt auch heute noch. Ein Jahrhundertspiel eben.

Interview: Oliver Bitter

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