Nationalelf

Nach Kritik an Erdogan-Treffen: Gündogan erklärt sich

Grindel deutlich - Bierhoff kündigt Aussprache an

Nach Kritik an Erdogan-Treffen: Gündogan erklärt sich

Trikot-Übergabe: Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit Recep Tayyip Erdogan in London.

Trikot-Übergabe: Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit Recep Tayyip Erdogan in London. picture alliance (2)

Bei der Zusammenkunft im Hotel "Four Seasons" war mit Evertons Cenk Tosun noch ein dritter deutsch-türkischer Premier-League-Profi dabei, der allerdings für die türkische Nationalelf spielt. Alle drei posierten mit dem Präsidenten für Fotos und überreichten ihm jeweils ein Trikot ihres Arbeitgebers. Auf Gündogans stand als Widmung "Mit großem Respekt für meinen Präsidenten".

Erdogan, der sich im Wahlkampf für die am 24. Juni anstehenden Präsidentschaftswahlen befindet, weilt derzeit zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Großbritannien. Seine Partei veröffentlichte die Fotos in den sozialen Medien.

Spielersteckbrief Özil
Özil

Özil Mesut

Spielersteckbrief Gündogan
Gündogan

Gündogan Ilkay

Spielersteckbrief Tosun
Tosun

Tosun Cenk

Dass sich mit Özil und Gündogan zwei Aushängeschilder der deutschen Nationalmannschaft mit Erdogan zeigen, ist auch in sportlicher Hinsicht heikel: Die Türkei ist der einzige DFB-Konkurrent um die Ausrichtung der EM 2024, die die UEFA im September vergeben wird.

Grindel: "Haben der Integrationsarbeit des DFB sicher nicht geholfen"

Auch beim DFB wird das Treffen der beiden Nationalspieler mit dem türkischen Staatspräsidenten kritisch gesehen: "Der DFB respektiert und achtet selbstverständlich die besondere Situation unserer Spieler mit Migrationshintergrund", teilte DFB-Präsident Reinhard Grindel über seinen Twitter-Kanal mit: "Aber der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdogan nicht hinreichend beachtet werden. Deshalb ist es nicht gut, dass sich unsere Nationalspieler für seine Wahlkampfmanöver missbrauchen lassen."

Ich habe nach wie vor überhaupt keine Zweifel an Mesuts und Ilkays klarem Bekenntnis, für die deutsche Nationalmannschaft spielen zu wollen.

Oliver Bierhoff

Der DFB fördert und unterstützt durch verschiedene Projekte und Stiftungen die Vielfalt im Fußball und in der Gesellschaft. Seit dem Jahr 2007 wird der Integrationspreis vergeben. "Der Integrationsarbeit des DFB haben unsere beiden Spieler mit dieser Aktion sicher nicht geholfen", sagte Grindel.

Teammanager Oliver Bierhoff kündigte eine Aussprache mit Özil und Gündogan an. "Die beiden waren sich der Symbolik und Bedeutung dieses Fotos nicht bewusst, aber natürlich heißen wir die Aktion nicht gut und besprechen das mit den Spielern." Allerdings habe er "nach wie vor überhaupt keine Zweifel an Mesuts und Ilkays klarem Bekenntnis, für die deutsche Nationalmannschaft spielen zu wollen und sich mit unseren Werten zu identifizieren".

Gündogan: "Haben uns für eine Geste der Höflichkeit entschieden"

Am späten Montagnachmittag reagierte Ilkay Gündogan. In einer Stellungnahme, die bei Bild veröffentlicht wurde, sprach der 27-Jährige für sich und im Namen von Özil, dass es "nicht unsere Absicht war, mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben, geschweige denn Wahlkampf zu machen. Als deutsche Nationalspieler bekennen wir uns zu den Werten des DFB und sind uns unserer Verantwortung bewusst. Fußball ist unser Leben und nicht die Politik." Weiter führte er aus, dass sie am Sonntag "eine Veranstaltung einer türkischen Stiftung in London" besucht hätten.

"Wir finden es gut, dass es eine Stiftung gibt, die türkische Studenten im Ausland fördert und Ihnen damit eine internationale Karriere ermöglicht", schrieb der Mittelfeldspieler. Am Rande der Veranstaltung habe man den türkischen Staatspräsidenten getroffen. "Aus Rücksicht vor den derzeit schwierigen Beziehungen unserer beiden Länder haben wir darüber nicht über unsere sozialen Kanäle gepostet. Aber sollten wir uns gegenüber dem Präsidenten des Heimatlandes unserer Familien unhöflich verhalten? Bei aller berechtigten Kritik haben wir uns aus Respekt vor dem Amt des Präsidenten und unseren türkischen Wurzeln - auch als deutsche Staatsbürger - für die Geste der Höflichkeit entschieden", erklärte Gündogan.

Koch appelliert an Gündogan

DFB-Vize-Präsident Rainer Koch reagierte darauf in einem Post auf seiner Facebook-Seite. "Ich respektiere, dass Nationalspieler mit Migrationshintergrund die deutsche Nationalhymne nicht mitsingen, habe das immer verteidigt und werde das auch weiterhin verteidigen. Ich bin persönlich auch dafür, dass in Deutschland geborene Bürger mit Migrationshintergrund zwei Staatsbürgerschaften besitzen können", schrieb Koch und wandte sich dann mit einer Forderung direkt an Gündogan: "Allerdings meine ich, lieber Ilkay Gündogan, dass man als Deutscher mit türkischen Wurzeln wenige Wochen vor der Fußballweltmeisterschaft, bei der man im deutschen Nationaltrikot spielen möchte, schon auch deutlich sagen und aussprechen sollte, dass der deutsche Staatspräsident mindestens auch 'mein Präsident' ist. Ich würde mich freuen, wenn ein solches Statement in den nächsten Stunden kommen würde."

jpe/jer/dpa/sid