Champions League

Chelsea gegen Barcelona: Das Skandalspiel von Tom Henning Övrebö und der Ausraster von Michael Ballack

Erinnerungen an das Halbfinale 2009

Övrebös Skandalspiel: Ballacks bösen Sprint übersah er auch

Unvergessene Szene: Michael Ballacks wütende Beschwerden nach einem nicht gegebenen Elfmeter.

Unvergessene Szene: Michael Ballacks wütende Beschwerden nach einem nicht gegebenen Elfmeter. picture-alliance

Nach diesen hochdramatischen, emotionalen und verrückten 97 Minuten wurde es tatsächlich nochmal dramatischer, emotionaler und verrückter. Ein Schiedsrichter, der umringt von Ordnern in die Kabine begleitet werden muss? Nicht üblich, aber auch nicht neu. Und ein Schiedsrichter, der unter Polizeischutz das Land verlässt? Hochdramatisch, emotional und einfach verrückt.

Den 6. Mai 2009 wird Tom Henning Övrebö nie vergessen, so viel ist klar. Da ist er aber auch bei weitem nicht der Einzige. Beim Champions-League-Halbfinale zwischen dem FC Chelsea und dem FC Barcelona - die Blues hatten ein 0:0 aus dem Hinspiel mit an die Stamford Bridge gebracht - denken manche an das Traumtor von Michael Essien zum 1:0 oder das Traumtor von Andres Iniesta in der dritten Minute der Nachspielzeit zum 1:1-Endstand. Dem Rest schießt einfach nur ein Name ins Gedächtnis: Övrebö - und eine abenteuerliche Schiedsrichterleistung.

Drogba kaum zu halten: "Eine verdammte Schande!"

"Habt ihr das gesehen?", schrie ein kaum noch zu haltender Didier Drogba nach Spielschluss in die TV-Kamera. "Das ist eine verdammte Schande!" Am liebsten hätte er Övrebö, der ihm wegen der ersten Verbalattacken schon die Gelbe Karte gezeigt hatte, mit in die Kabine begleitet, doch dann schritten die Ordner ein. Nur Chelsea-Kapitän John Terry hinderte seinen Kollegen wohl daran, diese aus dem Weg zu räumen.

Man kann es, und nicht mal Trainer Guus Hiddink wollte es seinem Stürmer verdenken. Der Niederländer nahm ebenfalls kein Blatt vor den Mund, sprach angesichts der zahlreichen Fehlentscheidungen vom "schlechtesten Referee, den ich meiner Karriere erlebt habe", und stand seinen Spielern voll zur Seite.

Ich weiß nicht, ob es Betrug war - ich hoffe nicht.

Michael Ballack über die Leistung von Tom Henning Övrebö

Dass Barça und nicht Chelsea am Ende in das Finale in Rom einzog, sorgte beim Coach für "ein allgemeines Gefühl, beraubt worden zu sein". Ähnlich wie bei Kapitän Terry: "Warum haben wir für ein Halbfinale einen Schiedsrichter bekommen, der bislang erst zehn Spiele in der Champions League gepfiffen hat?"

Övrebö hatte in diesen 90 Minuten, die ihm noch drei Jahre später Morddrohungen beschafften, viermal eindeutig danebengelegen. Viermal hätte Chelsea einen Elfmeter bekommen müssen. Einmal verlegte er ein Foul von Dani Alves an Florent Malouda - warum auch immer - außerhalb des Sechzehners, dreimal blieb die Pfeife ganz stumm, einmal nach Foul von Eric Abidal an Drogba, zweimal bei einem Handspiel im Strafraum (Gerard Piqué und Samuel Eto'o).

Eto'o wehrt Ballacks Schuss mit der Hand ab - zum vierten Mal kein Elfmeter

Besonders die letzte Szene - und die darauffolgenden Bilder - wird der deutsche Zuseher sofort vor Augen haben: Mit der finalen Aktion des Spiels, nach einer Ecke, landete der Ball beim im Rückraum des Strafraums lauernden Michael Ballack. Der Nationalmannschafts-Kapitän zögerte keine Sekunde, zog direkt ab und beförderte das Leder an den hochgerissen Arm Eto'os.

Övrebö versagte ihm den Pfiff, der Chelsea in der achten Minute der Nachspielzeit die Möglichkeit auf das Endspiel der Königsklasse beschert hätte. Und was machte Ballack? Der war völlig außer sich, legte den bösesten Sprint seiner Karriere hin, verfolgte Övrebö, zog ihn zu sich, gestikulierte und schimpfte, war einfach völlig außer sich und fassungslos. "Ich weiß nicht, ob es Betrug war", meinte er später, "ich hoffe nicht." Bestraft wurde er für diesen Satz nicht, dafür aber seine Kollegen und der Verein: 100.000 Euro musste Chelsea zahlen, weil Gegenstände auf den Platz geflogen waren. Drogba wurde erst für vier, später doch nur für drei Spiele gesperrt. Teamkollege José Bosingwa, der Övrebö als Dieb bezeichnet hatte, musste zwei Partien aussetzen.

Övrebö selbst zog sich anschließend etwas zurück, pfiff allerdings im Achtelfinale 2010 die Bayern gegen Florenz. Auch hier leistete er sich wie zwei Jahre zuvor bei der Europameisterschaft in einem Gruppenspiel Italiens einen deutlichen Fehler: Den irregulären Siegtreffer von Miroslav Klose winkte er durch, Italien erkannte er ein reguläres Tor ab.

Övrebö gesteht Fehler ein: "War nicht mein bester Tag"

Vor dem erneuten Aufeinandertreffen der beiden Schwergewichte am Dienstag (20.45 Uhr, LIVE! bei kicker.de) an der Stamford Bridge gestand Övrebö, der seit Mai 2010 gar nicht mehr pfeift, der "Marca" in einem Interview "mehrere Fehler". Er sei "ganz und gar nicht stolz" auf diese Leistung, verwies aber darauf, dass auch er nur ein Mensch sei und Fehler eben passieren. "Es war nicht mein bester Tag."

Auch die Szene mit Ballack kramte er aus seinen Erinnerungen hervor. Warum hatte er ihm trotz wütenden Drängens und Schubsens nur die Gelbe Karte gezeigt? "Schwierig zu erklären", antwortete er wie auf so viele Fragen. "Vielleicht, weil er hinter mir war und ich es nicht gesehen habe." Wie so viele Szenen an diesem Abend.

mkr