Bundesliga

Relegations-Check: Die ganze Saison schürt Angst

Der kicker analysiert die Lage beim VfL Wolfsburg

Relegations-Check: Die ganze Saison schürt Angst

Verlängerung der Horror-Saison: Wolfsburgs Profi nach dem letzten Spiel in Hamburg.

Verlängerung der Horror-Saison: Wolfsburgs Profi nach dem letzten Spiel in Hamburg. imago

So ist die Form

Sehr wechselhaft. Am letzten Spieltag in Hamburg (1:2) war der VfL zunächst deutlich überlegen, dennoch ließ er den HSV durch gravierende individuelle Fehler zurück ins Spiel und schließlich zur Rettung kommen. Spielerisch hat sich die Mannschaft unter Andries Jonker gesteigert, die Probleme in puncto Chancenverwertung (19,8 Prozent, Platz 18 der Liga) und mangelnde Kampfkraft konnte jedoch auch der Niederländer nicht beheben. Von den letzten fünf Spielen hat der VfL nur eines gewonnen - 2:0 am 32. Spieltag in Frankfurt.

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So sieht's im Kopf aus

Mental war der VfL dem Abstiegskampf in den vergangenen Wochen nicht gewachsen. Auf Schalke (1:4) und gegen die Bayern (0:6) gerieten die Niedersachsen brachial unter die Räder, auch die Siege gegen Ingolstadt (3:0) und Frankfurt gaben nicht die nötige Sicherheit. Nun dieses Spiel in Hamburg. Die Rettung vor Augen, kurz vor Schluss aber der Absturz auf den Relegationsrang. "Jeder von uns ist todtraurig", sagte Verteidiger Robin Knoche. "die Köpfe müssen wieder hoch." Gelingt das so einfach? Knoche: "Der Trainerstab ist gefragt, uns wieder zu motivieren und nach oben zu ziehen."

Werden besondere Maßnahmen ergriffen?

Ja. Nachdem Jonker auf ein Trainingslager im Saisonendspurt verzichtet hatte, weil die Bedingungen daheim besser seien als überall sonst, reiste der VfL von Montag bis Mittwoch ins niederländische De Lutte, um den Kopf vor den Entscheidungsspielen freizukriegen. Die Mannschaft spielte Minigolf, trainierte, Jonker führte Einzelgespräche, lotet aus, wer dem Nervenspiel gegen die Eintracht gewachsen ist.

Was macht Hoffnung?

Keine Frage: Der VfL Wolfsburg ist individuell auf jeder Position besser besetzt, verfügt normalerweise spielerisch über ganz andere Mittel. "Wir sind die bessere Mannschaft", sagt Mario Gomez, "wir werden uns durchsetzen." Die größten Hoffnungen ruhen logischerweise auf dem Torjäger, der in der Liga zur Lebensversicherung wurde. Ohne die 16 Treffer des 31-Jährigen hätte es für den VfL wahrscheinlich nicht einmal für die Relegation gereicht.

Was macht Angst?

Im Grunde genommen die gesamte Saison. Auch da hieß es immer: Der VfL ist ja viel besser als Hamburg, Augsburg oder Mainz. Die jedoch haben sich gerettet, der VfL muss mit einer Mannschaft in die Relegation, die gar nicht für den Abstiegskampf zusammengestellt wurde. Verräterisch ist diese Aussage von Trainer Jonker: "Wir sind fußballerisch komplett in Ordnung, wenn wir das mit Kampfgeist verbinden, sind wir einer der besseren Bundesligisten." Eine Wolfsburger Saison im Konjunktiv. Zum großen Finale sind nun auch die Verletzungssorgen zurückgekehrt. Sebastian Jung (Oberschenkelverletzung), Riechedly Bazoer (Meniskusriss), Jakub Blaszczykowski (Audduktorenprobleme), Paul Seguin (Muskelfaserriss in der Wade) fallen sicher aus, Ricardo Rodriguez (Sprunggelenksverletzung) wird sehr wahrscheinlich erneut zu fehlen.

Wie ist die Stimmung im Umfeld?

Im Gegensatz zur Mannschaft präsentierte sich der Anhang in dieser Saison fast ausnahmslos erstklassig, in den vergangenen Wochen hätte die Unterstützung der Fans nicht besser sein können. Eigner Volkswagen steht die Angst vor dem Abstieg praktisch ins Gesicht geschrieben. Der von VW-Managers besetzte Aufsichtsrat wurde von dem Absturz der Konzenrtochter völlig unvorbereitet getroffen, erkennt freilich auch die eigene Verantwortung. "Wir haben nicht alles richtig gemacht", sagt der Chef des Kontrollgremiums, Francisco Javier Garcia Sanz. Immerhin breitet der Spanier für den Fall des Abstiegs schon einmal das Auffangtuch aus. „VW lässt keine Tochter fallen.“

So reagiert der Trainer auf die Situation

Andries Jonker setzt seit seinem Amtsantritt Ende Februar auf den Faktor Ruhe. "Wir kriegen das hin", sagte er am Samstag nach dem Niederschlag in Hamburg. Allerdings: Bei dem Spiel in der Hansestadt hat der Niederländer viele fragwürdige Personalentscheidungen getroffen, dadurch eine Angriffsfläche geboten und auch innerhalb der Mannschaft für Unverständnis gesorgt. Zuvor probierte er viel – manch einem war es fast schon zu viel - die Rettung nach 34 Spielen hat es nicht gebracht. So ließ er die Zehner Yunus Malli und Daniel Didavi lange auf den für sie ungewohnten Flügeln ran, um Maximilian Arnold, der sich in der Doppelsechs etabliert hatte, wieder ins offensive Zentrum vorzuziehen, zuletzt durfte dann mal Malli, mal Didavi als Spielmacher ran. Hinten rechts wechselten sich Blaszczykowski, Vieirinha und Sebastian Jung ab. Christian Träsch, der nun womöglich gegen Braunschweig ran muss, spielte zuletzt gar keine Rolle mehr.

Was passiert im Falle des Scheiterns?

So oder so gibt es in Wolfsburg nach dieser Horrorsaison einen Neuanfang. Die Mannschaft wird komplett umgebaut, ein neuer Geschäftsführer Sport soll künftig die Geschicke leiten. Bei einem Abstieg würde es seitens Eigner Volkswagen, der zuletzt jährlich rund 100 Millionen Euro beisteuerte, tiefgehende finanzielle Einschnitte geben, doch selbst dann wäre der VfL in der 2. Liga noch besser aufgestellt als die Konkurrenz. Unabhängig von der Ligazugehörigkeit benötigt der Klub eine neue Identität, eine professionelle Außendarstellung. In den vergangenen 24 Monaten wandelte sich Wolfsburg vom Pokalsieger, Vizemeister und potenziellen Bayern-Jäger zum unkontrollierbaren Chaos-Klub. Interne Verwerfungen und Intrigen müssen aufgedeckt und konsequent behandelt werden.

Thomas Hiete

10:1 Trainer, 2 Überläufer und 2 VfL-Siege