Bundesliga

Kovac erklärt das Huszti-Dilemma

Warum Frankfurt den Ungarn ziehen lässt

Kovac erklärt das Huszti-Dilemma

Wohl ein Bild der Vergangenheit: Frankfurts Coach Niko Kovac im Gespräch mit Szabolcs Huszti.

Wohl ein Bild der Vergangenheit: Frankfurts Coach Niko Kovac im Gespräch mit Szabolcs Huszti. imago

Selbst bei einem Verbleib Husztis wäre die Personaldecke im zentralen defensiven Mittelfeld alles andere als üppig gewesen. Slobodan Medojevic ist mehr verletzt als gesund und soll sich einen neuen Verein suchen, Johannes Flum wurde ebenfalls ausgemustert und schloss sich St. Pauli an, Marco Fabian, der als offensiver Sechser agieren könnte, fällt unbestimmt lange aus (Probleme im Hüftbereich), Marc Stendera ist nach seinem im Mai 2016 erlittenen Kreuzbandriss noch immer nicht im Mannschaftstraining - und nun macht auch noch Huszti den Abflug nach China.

Wir haben als Mensch gehandelt - wissend, dass wir einen guten Spieler verlieren.

Niko Kovac über die Beweggründe zu Husztis Abgang
Trainersteckbrief Kovac
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Doch wieso lässt die Eintracht den Ungarn überhaupt ziehen? Kovac holt bei seiner Antwort etwas weiter aus: "Er ist 33 Jahre alt und wird nicht mehr allzu lange spielen. Als Trainer stehen sie vor der Frage: Wollen sie ihn behalten, weil er sportlich sehr wichtig ist? Oder wollen sie als Mensch handeln und ihm sagen, du hast noch ein, maximal zwei Jahre und kannst in China gutes Geld verdienen? Wir haben als Mensch gehandelt - wissend, dass wir einen guten Spieler verlieren. Aber es ist auch ein Dankeschön an ihn, da er gute Arbeit geleistet hat."

Kovac: Das Unterbewusstsein spielt mit

Aus reiner Nächstenliebe gibt Frankfurt den ungarischen Ex-Nationalspieler natürlich nicht her. Das wäre im knallharten, oft auch schmutzigen Profi-Geschäft eine ziemlich naive Annahme. Kovac glaubt, dass Huszti nicht mehr die gewohnte Leistung abrufen würde, falls man ihm den Wechselwunsch ausgeschlagen hätte: "Wenn ich sage, ich lasse dich nicht gehen, werde ich einen Szabi haben, der zwar alles geben wird, aber im Unterbewusstsein eines Spielers ist immer der Gedanke: Ich bin nicht gegangen, ich hätte dort das und das verdienen können. Kann er dann die 100 Prozent bringen? Wenn es nur noch 99 Prozent sind, ist das ein Problem."

Welche Alternativen gibt es?

Ein Dilemma für die Eintracht. Denn ohne Huszti hat Kovac ebenfalls ein Problem. Omar Mascarell hat sich auf der Sechs zum Leistungsträger entwickelt, ihm droht bei neun Gelben Karten demnächst aber eine weitere Sperre. Doch auch so musste der Coach bereits improvisieren. Auf Schalke beorderte er den offensiven Tempodribbler Mijat Gacinovic überraschend ins defensive Mittelfeld. "Er hat das sehr gut gemacht und pflichtbewusst nach hinten gearbeitet", lobt Kovac eine tatsächlich nur mäßige Leistung (kicker-Note 4).

Als weitere Alternativen nennt der Trainer Makoto Hasebe, Michael Hector und Max Besuschkow. Letzterer sieht sich selbst allerdings in einer offensiveren Rolle als Achter oder Zehner und verfügt über keinerlei Profi-Erfahrung, während Hector eigentlich als Alternative für die Innenverteidigung verpflichtet wurde. Die Leihgabe aus Chelsea kann man sich nur mit viel gutem Willen als bundesligatauglichen Sechser vorstellen, auch wenn er diese Position in der zweiten englischen Liga zuweilen gespielt hat.

Kovacs Improvisationskünste gefragt

Bleibt Hasebe, dessen angestammte Position das defensive Mittelfeld ist. Allerdings verleiht der Kapitän der japanischen Nationalmannschaft dem Team in seiner neuen Funktion als Libero eine unheimliche Stabilität in der Defensive. Stellt Kovac Hasebe ins Mittelfeld, muss er die freie Stelle in der Abwehr mit Hector besetzen, was wiederum eine Schwächung ist.

Ein für Frankfurt bezahlbarer defensiver Mittelfeldspieler, der sportlich sofort geholfen hätte, sei im Winter nicht auf dem Markt gewesen, erklärt Kovac. Hinzu kommt, dass er nicht damit gerechnet hatte, Huszti zu verlieren: "Das kam für uns recht überraschend und war sehr kurzfristig. Im Trainingslager war uns das noch nicht bekannt." Der Fußballlehrer wird viel improvisieren müssen, bisher ist ihm das bei anderen Ausfällen ganz gut gelungen.

Julian Franzke