Bundesliga

"Ich habe nie gesagt, ich spiele hier bis zum Ende"

Hertha: Ben-Hatira über seinen Zeh, seine Ziele, seine Zukunft

"Ich habe nie gesagt, ich spiele hier bis zum Ende"

Lässt offen, ob das sein letztes Halbjahr für Hertha BSC ist: Änis Ben-Hatira.

Lässt offen, ob das sein letztes Halbjahr für Hertha BSC ist: Änis Ben-Hatira. picture alliance

Aus Herthas Trainingslager in Belek berichtet Steffen Rohr

kicker: Im November sagten Sie, Sie würden zur Rückrunde "so fit sein wie nie zuvor". Tritt das jetzt genauso ein, Herr Ben-Hatira?
Ben-Hatira: Es sieht so aus. Ich spüre, dass mein Körper die Belastung im Training und in den Testspielen mitmacht. Ich hatte eine Reha und dann eine lange Vorbereitung, in der unsere Fitnesstrainer einen tollen Job gemacht haben. Meine Grundlagen sind sehr gut. Die Spritzigkeit, die ich für mein Spiel brauche, kommt auch langsam. Noch sind es ein paar Tage bis zum Start. Das Timing passt.

kicker: Am Mittwoch standen Sie beim 1:4 im Testspiel in Belek gegen den VfL Bochum zum ersten Mal seit langer Zeit 90 Minuten auf dem Platz. Wie war's?
Ben-Hatira: Hintenraus anstrengend, aber das wusste ich vorher. Irgendwann in der zweiten Halbzeit hat der Körper nicht mehr gemacht, was der Verstand wollte. Aber solche Spiele brauchst du auf dem Weg zurück.

kicker: Spüren Sie Ihren Zeh?
Ben-Hatira: Der Schmerz ist weg. Ich bin zum ersten Mal seit Jahren beschwerdefrei, das ist ein Super-Gefühl. Aber der Zeh wird nie mehr so sein, wie er mal war. Das ist auch klar.

Der Fuß funktioniert jetzt so, wie er soll - zum ersten Mal seit langer Zeit.

kicker: Was heißt das?
Ben-Hatira: Ich kann ihn voll belasten, er wurde in der ganzen Zeit seit meiner Rückkehr ins Aufbautraining und dann ins Mannschaftstraining nie dick. Aber die Abrollbewegung hat sich verändert. Das schränkt mein Spiel nicht ein, aber trotzdem musst du dafür erstmal ein Gefühl entwickeln. Aber der Fuß funktioniert jetzt so, wie er soll - zum ersten Mal seit langer Zeit. Das macht mich glücklich. Viele wissen bis heute nicht, was ich durchgemacht habe, aber das ist völlig okay: Ich will nicht den Super-Helden spielen.

kicker: Sie sagten, Sie hätten in der Rückrunde der Vorsaison Ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt. War das eigener Ehrgeiz oder gab es Druck?
Ben-Hatira: Das kam schon von mir selbst, mich hat niemand dazu gezwungen. Ich wollte der Mannschaft im Abstiegskampf helfen, ich habe funktioniert wie ein Roboter. Ich stand kurz vor einem Ermüdungsbruch, auch andere gravierende Verletzungen hätten wegen der Fehlbelastung passieren können. Ich habe eineinhalb Jahre lang mit einem kaputten Fuß gespielt und habe noch Schlimmeres riskiert.

Ich denke, dass ich künftig früher auf meinen Körper höre.

kicker: Könnte Ihnen das nochmal passieren?
Ben-Hatira: Es bringt nichts, so weit nach hinten zu schauen. Aber in gewissen Situationen würde ich es jetzt sicher anders machen. Ich denke schon, dass ich künftig früher auf meinen Körper höre.

kicker: Ihr Ziel war, am Ende der Hinrunde noch drei oder vier Bundesliga-Spiele zu machen. Das blieb Ihnen verwehrt. Hat Sie das enttäuscht?
Ben-Hatira: Ich war bereit. Und mein Fitness-Level, denke ich, hätte das auch hergegeben. Aber der Trainer hat mir seine Sicht erklärt. Die Mannschaft war erfolgreich. Er hatte keinen Grund, etwas zu verändern. Ich wünschte, ich hätte Argumente dagegen, aber ich habe keine. Ich habe Spielpraxis bei den Amateuren gesammelt.

Ich sehe keine Notwendigkeit mehr, U 23 zu spielen.

kicker: Sie liefen dreimal für Herthas U 23 in der Regionalliga Nordost auf. Ist das künftig vorbei?
Ben-Hatira: Ja. Ich sehe darin keine Notwendigkeit mehr. Ich hatte hier im Trainingslager bisher drei Einsätze in den Testspielen mit insgesamt vier Halbzeiten. Ich spüre, dass ich jeden Tag vorankomme.

Änis Ben-Hatira

Änis Ben-Hatira hatte im Trainingslager bisher drei Einsätze in den Testspielen mit insgesamt vier Halbzeiten. imago

kicker: Die Erfolgself der Hinrunde hat aktuell einen Bonus. Zu Recht?
Ben-Hatira: Auf jeden Fall. Die Jungs haben sich das verdient. Ich bin erstmal Herausforderer, trotzdem gibt es für mich nur ein Ziel: Ich will in die Mannschaft zurück.

kicker: Wie gefällt Ihnen Herthas Fußball?
Ben-Hatira: Richtig gut. Die Mannschaft spielt mit viel Plan und viel Herz und wirkt sehr stabil. Wir haben ähnlich tollen Fußball vor zwei Jahren in der Hinrunde unter Jos Luhukay gespielt, das vergessen manche gerade.

kicker: 2013/14 war das. Hertha stand nach der Hinrunde mit 28 Punkten auf Platz sechs und...
Ben-Hatira: ...dann sind wir eingebrochen. Und damit rechnen jetzt viele wieder. Genau das sollte eine Extra-Motivation für uns sein, um es diesmal besser zu machen als damals. Diese Saison ist für den Klub eine riesige Chance.

kicker: Heißt das, Sie bleiben in jedem Fall bis zum Vertragsende im Sommer bei Hertha?
Ben-Hatira: Ich lebe im Hier und Jetzt. Stand jetzt bin ich hier. Was morgen sein könnte, damit befasse ich mich nicht.

kicker: Klingt, als würden Sie sich eine Hintertür offen lassen.
Ben-Hatira: Nochmal - das ist jetzt nicht mein Thema. Eines kann ich aber sagen: Ich war ein halbes Jahr raus. Ich habe riesigen Hunger darauf, Teil dieser erfolgreichen Mannschaft zu sein. Ich habe hier über die Jahre die ganzen Aufs und Abs mitgemacht. In dieser Saison geht es bisher nur nach oben. Das möchte ich auf dem Platz miterleben. Ob mir das gelingt, entscheidet der Trainer. Er ist der Boss.

kicker: Entscheidend ist vermutlich Ihre Leistung. Sieht Pal Dardai Sie kritischer als andere?
Ben-Hatira: Nein. Unser Verhältnis ist in Ordnung.

Ich hätte mir gewünscht, dass der Trainer mich nicht öffentlich kritisiert.

Änis Ben-Hatira und Pal Dardai, Hertha BSC

Ihr Verhältnis ist "in Ordnung": Änis Ben-Hatira und Pal Dardai (r.). imago

kicker: Er nahm Ihnen im Frühjahr 2015 übel, dass Sie gegen seine Empfehlung mit der tunesischen Nationalmannschaft nach China und Japan reisten und sich dort prompt einen Muskelfaserriss zuzogen, nachdem Sie gerade erst bei Hertha aus einer Verletzungspause zurückgekehrt waren.
Ben-Hatira: Er war sauer. Das war sein gutes Recht. Ich hätte mir gewünscht, dass er mich nicht öffentlich attackiert, sondern unter vier Augen. Aber diese Geschichte haben wir längst ausgeräumt. Ich weiß, dass er mich sportlich schätzt.

kicker: Ein Vorwurf an Ihre Adresse ist oft mangelnde Effizienz auf dem Platz. Trifft der zu?
Ben-Hatira: Ich war in der vergangenen Saison mit vier Toren und vier Assists in 15 Spielen einer der besten Scorer - obwohl ich nicht mal fit war. Meine Ausbeute ist über die Jahre nicht so schlecht, wie manche sie machen. Was viele meinen, ist: Es hätte noch mehr rauskommen können bei mir. Und da haben sie recht.

Ich habe nie gesagt, ich spiele hier bis ans Karriere-Ende.

kicker: Wird das Ihr letztes Halbjahr für Hertha BSC?
Ben-Hatira: Das ist völlig offen. Ich muss niemandem beweisen, was mir dieser Klub und diese Stadt bedeuten. Aber ich habe auch nie geheuchelt, Liebes-Szenarien entworfen und gesagt: Ich spiele hier bis ans Karriere-Ende. Wenn ich den Klub hätte verlassen wollen, hätte ich das schon längst getan. Ich hatte jedes Jahr Optionen - auch in der Bundesliga.

kicker: Haben Sie mit Hertha schon abgeschlossen? Oder Hertha mit Ihnen?
Ben-Hatira: Warum sollte ich mit Hertha abschließen? Ich bin endlich fit, endlich schmerzfrei und will nur eins: Fußball spielen. Keine Ahnung, was im Sommer ist. Damit befasse ich mich jetzt nicht. Das ist keine Show und kein Gebabbel von mir. Natürlich wird die Zeit kommen, wo ich mich hinsetze, meine Situation bewerte und mir auch andere Sachen anhöre. Aber wann das so weit ist, weiß ich nicht.

Als Berliner überlegst du dir zweimal, ob du Hertha verlässt.

kicker: Hertha verhandelt seit langem mit John Brooks und Tolga Cigerci über eine vorzeitige Vertragsverlängerung über 2017 hinaus. Sie sind mit beiden befreundet. Was raten Sie den Jungs?
Ben-Hatira: Klar sprechen wir ab und zu darüber, aber ich kann da schwer einen Rat geben. Sie sind alt genug, um selbst zu entscheiden, was sie machen wollen. Ich verstehe den Verein, der bald Klarheit haben will, aber ich verstehe auch die Spieler, die sich Zeit lassen. Ich habe bei beiden Jungs nicht das Gefühl, dass sie unbedingt weg wollen. Bei John kommt hinzu: Er ist wie ich ein Berliner Junge. Und als Berliner überlegst du dir zweimal, ob du Hertha verlässt. Ich bin selbst gespannt, wie es am Ende bei beiden ausgeht.