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Weltmeisterschaft, Spanien - Diego Costa: Der Durchbruch des Gescholtenen

"Er hat eine sensationelle Arbeit abgeliefert"

Diego Costa: Der Durchbruch des Gescholtenen

Doppelpack im Schatten: Diego Costa.

Doppelpack im Schatten: Diego Costa. imago

Aus Sotschi berichtet Jörg Wolfrum

Was soll man da sonst auch sagen? "Das ist eben Cristiano Ronaldo" , meinte Diego Costa nach diesem denkwürdigen Abend im Fischt Stadium von Sotschi. Zweimal hatte der für Spanien spielende Brasilianer getroffen, sein bestes Länderspiel von nun 21 im Dress der Roja absolviert. Am Ende aber stand er doch im Schatten eines noch Spektakuläreren - auf der Gegenseite: "Cristiano Ronaldo wird oft kritisiert. Aber ich würde mich freuen, wenn ich spielte wie er."

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Der Portugiese hatte mit seinem Superfreistoß für das 3:3 gesorgt, damit seinen Dreierpack perfekt gemacht und war erstmals überhaupt bei einer WM so richtig explodiert. Und das gegen Spanien und damit gegen einen der Topfavoriten - sowie gegen seine, die Gerüchteküche brodelt ja wild, in halber Mannschaftsstärke angetretenen Noch-Mannschaftskollegen von Real Madrid. Der MVP, most valuable player, das war dann am Ende einer dramatischen Nacht im Olympiastadion von Sotschi eben nicht Diego Costa, sondern der Weltfußballer.

Die Kämpfernatur kann es auch elegant, "aber dann..."

Aber Costa stand dem Superstar außer in der Trefferzahl in nichts nach. Wie CR7 arbeitete auch der 29-Jährige defensiv extrem, half immer wieder aus, räumte immer wieder ab, nicht nur bei Standards. Den Kämpen im Kämpfen kennt man bei Costa, oft an der Grenze zur Legalität, wie etwa vor dem 1:1, als er Pepe (ja auch ein brasilianischer Landsmann, allerdings mit portugiesischem Zweitpass) den Arm in den Hals rammte, den Verteidiger so aus dem Weg drückte und damit freie Bahn hatte zum Ausgleich. Wobei: Wie er dabei zugleich José Fonte austanzte, das sieht man sonst eher selben bei der Kämpfernatur Costa.

Sein 2:2 - nachdem zwischendurch Ronaldo Portugal wieder in Führung gebracht hatte - war dann ein typisches Costa-Tor: Im Fünfmeterraum war er da nach einer Kopfball-Vorlage von Sergio Busquets. "Ich bin sehr zufrieden. Wir hatten das Spiel im Sack. Aber dann...", so der Doppeltorschütze. Dann kam eben am Ende doch nochmal Cristiano Ronaldo. "Wir haben es uns entreißen lassen. Wir hätten den Sieg verdient gehabt, wir haben viel mehr für den Spielaufbau getan, wir hatten mehr Ballbesitz. Wir sind zweimal zurückgekommen", doch auch Costa weiß: "Am Ende reichte es nicht." Zwar nicht für den Sieg. Für einen spektakulären Abend aber allemal.

Nach vier Jahren endlich der Durchbruch bei der Roja?

Und vielleicht war das Auftaktmatch nun auch der Durchbruch für Costa im Nationalteam. Vor vier Jahren, bei seiner Heim-WM in Brasilien, war der damals 25-Jährige neu im Nationalteam gewesen. Ein Jahr zuvor erst hatte ihn der damalige Nationaltrainer Vicente del Bosque in die Seleccion berufen. Beim 1:5 gegen die Niederlande und dem 0:2 gegen Chile traf der gebürtige Brasilianer 2014 dann aber kaum einen Ball, wurde jeweils nach einer Stunde ausgewechselt. Weltmeister Spanien schied aus, und die vorzeitige Heimkehr in die Heimat: Sie schien das schnelle Ende von der eben erst eingeleiteten Nationalelf-Karriere zu befördern. Zumal er bei der EM 2016 in Frankreich nicht im Kader war.

Meist umstritten waren seine Berufungen ohnehin gewesen, als zu rustikal und damit Hemmschuh im Spiel der Roja von Kritikern verschrien, konnte er meist zu wenig seine Körperlichkeit einsetzen in der Seleccion - auch, weil das Spiel oft nicht darauf ausgelegt war. "Ich mache mir da keinen Kopf. Ich halte den Mund, arbeite hart und versuche, Leistung zu bringen."

Hierros Lob für Costa: "Sensationell"

Genau dieses harte Arbeiten trug nun erstmals im weißen Dress der Roja so richtig Früchte, ein früherer Doppelpack bei einer Torflut gegen Lichtenstein in der WM-Qualifikation hat dagegen nur statistischen Wert. Unter seinem - nur anfänglichen - Förderer del Bosque hatte der aus dem Nordosten Brasiliens stammende Sturmtank, der schon mit 16 nach Portugal zu Sporting Braga auswanderte, sein Debüttor für Spanien erzielt. Unter Nachfolger Julen Lopetegui traf er dann sechsmal. Von einem spielerischen Durchbruch konnte dennoch nicht die Rede sein - auch wenn er sich im Fernduell mit Alvaro Morata durchsetzte und das WM-Ticket löste.

Lopeteguis Nachfolger Fernando Hierro fand nun aber offenbar die richtige Ansprache. Vielleicht auch, weil sich die beiden irgendwie gleichen: Hierro war ein treffsicherer Verteidiger. Mit 29 Toren ist der frischgebackene Coach noch immer Fünfter im Ranking der Rekordtorschützen der Roja. Costa hingegen ist ein arbeitender Stürmer, der sich zum Verteidigen nie zu schade ist. Und wie es sich für die Spielweise des Angreifers gehört, wurde der oft Gescholtene von Hierro am Freitag so gelobt: "Er hat eine sensationelle Arbeit abgeliefert."

Ich träume immer. Man soll nie aufhören, zu träumen.

Diego Costa

Da war es wieder, das A-Wort. Aber das "A" stand am Freitagabend auch für "amar", lieben. Zumindest transportierte dies Hierro so: "Wir lieben uns alle, wir untereinander zweifeln an keinem Mitglied unserer Familie." Und, als in zahllosen Abwehrschlachten für Real und die Roja selbst gestählter Recke, wusste der Eben-noch-Sportdirektor-und-jetzt-Nationaltrainer, "dass dies eine Art Spiel sein würde für Diego Costa".

Kampf, Einsatz, Gerangel mit dem nicht minder zähen Pepe auf der Gegenseite - in solch einem Umfeld blüht Costa auf. Ob bei Atletico oder zwischenzeitlich auch Chelsea, mit denen er 2014, 2015 und 2017 Meister wurde: wenn es hart wird, wird Costa gut.

Das Ziel ist klar, was auch sonst?

Gut möglich, dass die kommenden Spiele gegen Iran und Marokko angesichts einer zu erwartenden (noch größeren) Dominanz Spaniens nicht so ins Portfolio des Stoßstürmers passen: seinen Durchbruch im Nationalteam scheint er dennoch geschafft zu haben. Nach fünf Jahren und bei seinem insgesamt dritten WM-Einsatz.

Es ist schon eine Krux, dass es trotz des Doppelpacks gegen den Europameister doch nicht zum Sieg reichte. Doch Diego Costa bleibt ruhig, furchteinflößend ist er ja nur auf dem Platz: "Ich träume immer. Man soll nie aufhören, zu träumen." Von was er denn genau träume? Dem WM-Titel? "Klar. Sonst müsste ich nicht hier sein."