Bundesliga

Der Anti-Aubameyang

BVB-Wunschstürmer Olivier Giroud im Porträt

Der Anti-Aubameyang

Er sprintet seinen Gegnern nicht davon, er räumt sie eher aus dem Weg: Olivier Giroud in seinem Element.

Er sprintet seinen Gegnern nicht davon, er räumt sie eher aus dem Weg: Olivier Giroud in seinem Element. picture alliance

Diese beiden Sätze gehören zu Olivier Girouds Karriere, obwohl sich beide nicht als wahr erwiesen haben. Beim einen ist nicht einmal sicher, ob er tatsächlich so gefallen ist: Mecha Bazdarevic, sein einstiger Trainer in Grenoble, soll "Le Monde" zufolge über den knapp 22-Jährigen gesagt haben, er sei leider nicht gut genug für die erste Liga. Den anderen sprach Arsene Wenger sieben Jahre später voller Überzeugung aus: "Olivier gehört zu den besten Stürmern Europas."

Sollte sich Borussia Dortmund mit Arsenal über einen Transfer von Pierre-Emerick Aubameyang einig werden, kommt im Gegenzug, zunächst auf Leihbasis, ein Stürmer, der in der Lage ist, zwischen genau diesen Extremen zu pendeln, manchmal sogar binnen eines Spiels: mal nicht erstligatauglich - mal europäische Elite. Mal, "als habe ihm jemand Boxhandschuhe über die Füße gestreift" ("Guardian" nach einem Champions-League-Auftritt 2015) - mal drei Tore in einem Champions-League-Spiel. Also: Wie gut ist Giroud?

Spielersteckbrief Giroud
Giroud

Giroud Olivier

Spielersteckbrief Aubameyang
Aubameyang

Aubameyang Pierre-Emerick

Premier League - Torjäger 2017/18
Tottenham Hotspur Kane Harry
21
FC Liverpool Salah Mohamed
18
Manchester City Aguero Sergio
16
FC Arsenal - Vereinsdaten
FC Arsenal

Gründungsdatum

01.05.1886

Vereinsfarben

Rot-Weiß

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Borussia Dortmund - Vereinsdaten
Borussia Dortmund

Gründungsdatum

19.12.1909

Vereinsfarben

Schwarz-Gelb

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Erster Profivertrag mit 21, Erstligadebüt mit 24

Seine Karriere erzählt von einem ewigen Kampf um Anerkennung, sie ist voll von unerwarteten Wendungen. Erst mit 21 unterschrieb er beim damaligen Zweitligisten Grenoble, nahe seines Geburtstorts Chambéry, seinen ersten Profivertrag. Nach seiner Leihstation Istres (3. Liga) wechselte er nach Tours (2. Liga), weil Trainer Bazdarevic, siehe oben, nach dem Aufstieg in Grenoble lieber auf andere setzte. Zwei Jahre später verließ Giroud Tours als Ligue-2-Torschützenkönig.

Montpellier verpflichtete ihn, und er durfte, mit inzwischen 24 Jahren, sein erstes Erstligaspiel bestreiten. Zwei Jahre später verließ Giroud Montpellier als Ligue-1-Torschützenkönig - und als Überraschungsmeister obendrein. Die vielen Umwege: Plötzlich hatten sie sich ausgezahlt. Als in der Winterpause die ersten Wechselgerüchte aufgekommen waren, hatte Klubbesitzer Louis Nicollin erklärt, Interessenten müssten für Giroud schon mindestens 50 oder 60 Millionen Euro auf den Tisch legen. Arsenal schlug zu, für zwölf Millionen Euro. Es waren eben noch andere Zeiten.

Ich bewundere Giroud, weil er durch schwere Zeiten gegangen und immer zurückgekommen ist. Wenn er mit dem Rücken zur Wand steht, hat er jedes Mal eine Antwort.

Arsene Wenger

Giroud ist 1,92 Meter groß, 88 Kilogramm schwer, er sprintet seinen Gegnern nicht davon, er räumt sie eher aus dem Weg. Innenverteidiger prallen von ihm ab, Bälle mitunter ebenso. Er ist einer, der sich seine Tore erarbeiten muss, der eher am Ende als am Anfang einer Traumkombination steht; einer, dessen Kopf Christoph Daum als drittes Bein bezeichnen würde, der andernorts aber manchmal unbeholfen wirkt, Boxhandschuhe an den Füßen eben. Würde man sich also den perfekten Arsenal-Spieler vorstellen: Giroud wäre es ganz bestimmt nicht.

Und doch ist er seit nun fünfeinhalb Jahren dort. In jeder Saison wurde er mal ausgepfiffen, in jeder schoss er mindestens elf Tore (11/16/14/16/12), obwohl er immer öfter nur noch eingewechselt wurde. "Ich bewundere Giroud, weil er durch schwere Zeiten gegangen und immer zurückgekommen ist", sagt Trainer Arsene Wenger (auf den ja ungefähr das Gleiche zutrifft). "Wenn er mit dem Rücken zur Wand steht, hat er jedes Mal eine Antwort." Er sei ein "Kerl, der auf dem Boden war und wieder aufgestanden ist. Das zeigt seine mentale Stärke."

Giroud steht für das etwas andere Spektakel - und erntet Pfiffe

Anfangs spielte Giroud bei Wenger fast immer, irgendwann war er vor allem sein Plan B, der Brecher, wenn Arsenal mal wieder ein Tor brauchte. "Wenn du auf Konter spielen willst, ist er natürlich nicht der Spieler, den du benötigst", erklärte er mal. "Aber wenn du Spiele dominierst und Präsenz im Strafraum brauchst, gibt es keinen Besseren als Olivier."

Er steht für das etwas andere Spektakel: für den wuchtigen Kopfball in den Winkel, den geschickt abgeschirmten Ball, die unermüdliche Arbeit für die Mannschaft. Jahr für Jahr forderten die Arsenal-Anhänger einen neuen Stürmer, vor der Heim-EM 2016 buhten ihn die französischen Fans regelmäßig aus. Nun hat er in 179 Premier-League-Spielen (60 als Joker) 73 Tore und 23 Vorlagen gesammelt und ist Vize-Europameister, steuerte drei Tore und eine Vorlage dazu bei (insgesamt 69 Länderspiele, 29 Tore).

Ein Führungsspieler, der nicht gerne redet, "sensibel und stark"

Spornen ihn die Pfiffe etwa an? Nie gehe es für ihn auf dem Platz darum, "den Leuten etwas zu beweisen", betont Giroud, "nie". Er gebe eh immer alles für die Mannschaft. "Er ist nicht aus Metall, er ist sensibel", sagt Wenger, "Aber sensibel und stark." Stark genug, sich die Anerkennung zu erarbeiten, von der er, so Wenger, "weniger bekommt, weil er nicht der elektrisierende Spielertyp ist und weniger spektakuläre Aktionen bietet".

Olivier Giroud erzielt

Unerwarteter Preisträger: Ausgerechnet Olivier Giroud erzielte das FIFA-Tor des Jahres 2017. picture alliance

Manchmal aber zeigte Giroud, dass er nicht nur ganz besonders hässliche, sondern auch ganz besonders schöne Tore schießen kann. Es war noch so eine Wendung: Er, der Fußball-Arbeiter, erhielt für seinen "Scorpion Kick" aus rund elf Metern gegen Crystal Palace am Neujahrestag 2017 den Puskas-Award der FIFA für den schönsten Treffer des Jahres. Das war elektrisierend, das war spektakulär! Sein Geheimnis? "Maximales Glück."

Also: Wie gut ist Giroud? Nun, es kommt wohl ganz drauf an, welchen Fußball man spielen will, wie viel Vertrauen man ihm entgegenbringt, ob man bereit ist, sich auf ihn und sein Spiel einzulassen. Der BVB, der mit ihm schon im Sommer verhandelt hatte, bekäme einen Torjäger und Teamplayer, der es mit 31 Jahren nach vielen Einwechslungen im WM-Jahr noch einmal wissen will. Einen Anti-Aubameyang: wuchtig statt schnell, Führungsspieler, ohne viel zu reden ("Das überlasse ich lieber den anderen"). Einen, über den man laut Wenger immer denkt: "Auf ihn kann ich mich verlassen."

Jörn Petersen

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