Bundesliga

Tarashaj: "Im Herzen hat man das Kosovarische"

Frankfurt: Everton-Leihgabe arbeitet sich heran

Tarashaj: "Im Herzen hat man das Kosovarische"

Kommt immer besser in Tritt: Shani Tarashaj (li.) arbeitet sich an Frankfurts Startelf heran.

Kommt immer besser in Tritt: Shani Tarashaj (li.) arbeitet sich an Frankfurts Startelf heran. picture alliance

Ab diesem Dienstag heißt es mehr denn je bei Eintracht Frankfurt: Schotten dicht. Inklusive der Einheit am Dienstagmorgen finden acht der neun auf der Vereinshomepage für die nächsten zwei Wochen angekündigten Trainingseinheiten unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Lediglich das Auslaufen und Reservistentraining am Samstagvormittag nach dem Spiel in Hamburg ist für Fans und Journalisten zugänglich. Lockere Gespräche am Rande des Übungsplatzes gehören mit wenigen Ausnahmen der Vergangenheit an. Niko Kovac will seine Mannschaft komplett von möglichen gegnerischen Spähern abschotten.

Wenigstens haben die Spieler noch keinen Maulkorb verpasst bekommen. Am Dienstagmittag erschien Neuzugang Shani Tarashaj zu einem Mediengespräch in der Loge 3.02 der Arena, um über seine ersten Eindrücke in der Bundesliga, das Highlight gegen Bayern München und seine Familie und Herkunft zu sprechen.

Spielersteckbrief Tarashaj
Tarashaj

Tarashaj Shani

Beinahe das Siegtor gegen die Bayern

Viel fehlte nicht, und der 21-Jährige hätte am vergangenen Samstag gegen den Rekordmeister vor den Augen seiner angereisten Familie für die ganz große Sensation gesorgt. Die 81. Minute war gerade angebrochen, als der beste Mann auf dem Platz, Timothy Chandler, eine Flanke in Richtung des langen Pfostens schlug und Tarashaj per Direktabnahme die Chance zum 3:2 auf dem Fuß hatte. Die kurz zuvor eingewechselte Leihgabe aus Everton hatte sich im Rücken des in dieser Szene schlafmützigen Philipp Lahm angeschlichen, die Kugel aber nicht perfekt getroffen. "Das war knapp. Ich war überrascht, dass ich überhaupt an den Ball gekommen bin. Wenn ich das früher sehe, muss ich ihn machen", erzählt der Offensivspieler.

Jetzt bin ich 100-prozentig da.

Shani Tarashaj

Auf einen Einsatz von Beginn an wartet der Schweizer Nationalspieler bislang vergeblich. Verwunderlich ist das nicht, schließlich fand der Transfer erst am 31. August statt, unmittelbar darauf fing sich der schnelle und technisch versierte Youngster in der Länderspielpause bei der Nationalelf eine Angina an. Mittlerweile ist Tarashaj jedoch näher an die Mannschaft herangerückt, seine Einsatzchancen steigen. Bereits am vorletzten Spieltag in Freiburg kam er zu einem gut halbstündigen Joker-Einsatz, seinem Debüt im Adler-Dress. "Jetzt bin ich 100-prozentig da", sagt der 1,76 Meter große Schweizer, "ich fühle mich wohl. Die Spiele in der Bundesliga sind gut, das Stadion und die Fans sind weltklasse. Ich genieße es."

Profitieren könnte er von seiner hohen Variabilität: "Ich kann links, rechts, vorne oder auf der Zehn spielen, eigentlich ist das egal. Wo der Trainer mich braucht, da spiele ich." Möglicherweise läuft er schon am Freitag in Hamburg von Beginn an auf, denn Flügelstürmer Ante Rebic musste die Trainingseinheit am Montag abbrechen, nachdem er umgeknickt war. Ein Vereinssprecher teilte am Dienstag zwar mit, dass nichts Schlimmes passiert sei, ob der Kroate beim HSV auflaufen kann, steht aber in den Sternen.

Kann Tarashaj die SGE in der Bundesliga verstärken?

Gegen die Bayern (hier im Duell mit Jerome Boateng) hätte Shani Tarashaj beinahe für das Siegtor gesorgt.

Gegen die Bayern (hier im Duell mit Jerome Boateng) hätte Shani Tarashaj beinahe für das Siegtor gesorgt. getty images

Während Rebic schon nachwies, die Eintracht in der Bundesliga verstärken zu können, fällt ein Urteil bei Tarashaj noch schwer. Bisher spielte er lediglich in der ersten Schweizer Liga. In 52 Partien für Grasshoppers Zürich erzielte Tarashaj zwölf Tore. Der FC Everton verpflichtete ihn im vergangenen Januar, lieh ihn aber direkt wieder an Zürich aus. Nach der Rückkehr auf die Insel gelang es ihm in der Sommer-Vorbereitung nicht, sich für einen Platz im Kader der Engländer zu empfehlen. Deshalb soll er nun in Frankfurt Spielpraxis sammeln.

Ich habe der Schweiz viel zu verdanken, aber im Herzen hat man das Kosovarische, das ist mein Blut.

Shani Tarashaj

Verlassen kann er sich dabei auf die große Unterstützung seiner Familie. "Seit ich Fußball spiele, hat mein Vater erst zwei Spiele von mir verpasst", berichtet Tarashaj. Sein Papa war es auch, der ihn früher immer zum Training gefahren hat – obwohl er mit seiner Arbeit selbst genug um die Ohren hatte. Mit 17 Jahren wanderte Ymri Tarashaj (49) aus dem früheren Jugoslawien mutterseelenallein in die Schweiz aus. "Er musste für die ganze Familie arbeiten, um sie zu ernähren. Das war nicht einfach. Sein Vater starb, als er neun Jahre alt war. Als ältester von vier Brüdern war er wie der Papa für die ganze Familie."

Den Bezug zum Kosovo nie verloren

Es schwingt viel Stolz mit, wenn der in Hausen am Albis geborene Shani über seinen aufopferungsvoll arbeitenden Vater spricht. Den Bezug zum Kosovo, der alten Heimat, hat die Familie nie verloren. Obwohl Tarashaj in der Schweiz geboren ist und für die Nati spielt, fühlt er sich auch als Kosovare: "Ich habe der Schweiz viel zu verdanken, aber im Herzen hat man das Kosovarische, das ist mein Blut. Es ist normal, dass ich das Land liebe. Meine Verwandten und Großeltern leben dort, ich besuche sie jedes Jahr."

Julian Franzke