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Serie-A-Start! Juve, Roma & Co. im kicker-Check

Die große Vorschau zur italienischen Liga

Serie-A-Start! Juve, Roma & Co. im kicker-Check

Es geht wieder los: Am Wochenende startet die neue Spielzeit 2015/16 in der Serie A!

Es geht wieder los: Am Wochenende startet die neue Spielzeit 2015/16 in der Serie A! imago

JUVENTUS TURIN: Gelingt tatsächlich der fünfte Coup?

2015 gelang Juve mit stolzen 17 Punkten Vorsprung vor der AS Rom nach 2012, 2013 und 2014 der vierte Scudetto in Folge. Hinzu kam nach 20 langen Jahren des Wartens endlich wieder die Coppa Italia im Finale gegen Lazio Rom (2:1 n.V.). Die erntearmen Spielzeiten nach dem Zwangsabstieg 2006 und der direkt anschließenden Rückkehr in die Serie A waren vergessen, vielmehr regierte die "Alte Dame" unter Ex-Trainer Antonio Conte (aktuell Nationaltrainer) und dem aktuellen Coach Massimiliano Allegri den Fußball auf "Lo Stivale", dem Stiefel, meilenweit vor dem Rest.

Der Höhepunkt sollte am 6. Juni 2015 folgen, als die Turiner im Champions-League-Finale gegen Barcelona standen. Doch es sollte nicht sein: Die Mannschaft um den unverwüstlichen 37-jährigen Kapitän Gianluigi Buffon verlor im Berliner Olympiastadion gegen Lionel Messi, Luis Suarez, Neymar & Co. verdientermaßen mit 1:3.

Nun steht abermals die Mission Titelgewinn an. Doch auf einmal erscheinen am goldenen Horizont des italienischen Rekordmeisters Fragezeichen. Böse Zungen behaupten gar, das verlorene CL-Finale war der Anfang vom Ende der zuletzt neuzeitlichen "Vecchia Signora".

Was war passiert? Der Transfermarkt tat sich auf! Stürmer-Ass Carlos Tevez (20 Ligatore, insgesamt 50 Treffer in 96 Pflichtspielen) verabschiedete sich nach Jahren des Heimwehs Richtung Argentinien (Boca Juniors). Der Denker und Lenker, italienische Fußball-Regisseur und "Il Maestro" Andrea Pirlo überquerte den großen Teich und schloss sich dem New York City FC an. Und "Krieger" Arturo Vidal folgte dem Lockruf von Pep Guardiola und unterschrieb beim FC Bayern München.

Keine Frage, diese tiefen Einschnitte tun weh und werden definitiv nachbluten. Das sieht auch Andrea Stramaccioni, ehemaliger Trainer bei Udinese Calcio so: "Die Kluft zwischen Juve und den Verfolgern ist kleiner geworden. Es ist zum Beispiel schwierig, jemanden wie Tevez zu ersetzen. Er hat es immer wieder verstanden, sein Team in Front zu bringen, wenn es gerade unter Druck stand."

Andrea Pirlo hinterlässt eine Kluft, die fortan Paul Pogba ausfüllen soll.

Andrea Pirlo hinterlässt eine Kluft, die fortan Paul Pogba ausfüllen soll. imago

Doch Juventus Turin wäre nicht das große Juventus Turin, wenn es keinen Plan hätte. Die Verteidigung um die Zweikampfmaschinen Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci dürfte weiterhin stehen, Claudio Marchisio gibt den neuen Chef im Mittelfeld als Aufbauspieler. Außerdem wurde das Team mit den Neuzugängen Paulo Dybala (21, von US Palermo), Angreifer Mario Mandzukic (Atletico Madrid) und Weltmeister Sami Khedira (Real Madrid, aktuell verletzt) sinnvoll verstärkt. Die größten Hoffnungen ruhen natürlich auf Juwel Paul Pogba (22), der fortan mit der heiligen Nummer "10" (ehemals Alessandro del Piero und Carlos Tevez) auflaufen wird.

AS ROM: Anfällig für Nackenschläge trotz breiterem Kader

Sinnbildlich für die verbesserte AS Rom in der kommenden Spielzeit 2015/16 war eine Szene aus dem Testspiel gegen Europa-League-Sieger FC Sevilla am 14. August 2015, das die Giallorossi mit 6:4 nach 6:0-Führung gewannen: Es lief die 60. Minute, als Trainer Rudi Garcia dreimal wechselte und für die vielversprechenden Neuzugänge Edin Dzeko (Manchester City), Mohamed Salah (FC Chelsea) und Iago Falque (CFC Genua) die Flitzer Gervinho und Juan Manuel Iturbe sowie die größte Identifikationsfigur für die Romanisti brachte, "Il Capitano" Francesco Totti.

Das allein zeigt, wozu die Hauptstädter im besten Fall fähig sind - zumal mit Victor Ibarbo, Miralem Pjanic, Adem Ljajic und dem hoffentlich fitten Kevin Strootman weitere Power für das Angriffsspiel zur Verfügung steht. Furioser Offensivfußball wie zu Beginn der letzten Saison soll gezeigt werden, gepaart mit solider Defensive um Neu-Torwart Wojciech Szczesny (Arsenal), dem nach Gehirn-OP genesenen Leandro Castan, Chef Daniele de Rossi und dem Kämpfer beziehungsweise "Ninja" Radja Nainggolan.

Mohamed Salah und Edin Dzeko

Neu bei der Roma: Mohamed Salah und Edin Dzeko (re.). imago

Was es aber unbedingt zu vermeiden gilt, ist eine vorzeitige Meisterschaftsankündigung von Coach Garcia & Co. wie im vergangenen Jahr, als die Roma mit fünf Siegen in die Liga startete. Was dann folgte, ist bekannt: Die Hauptstädter verloren das spannende Duell mit Juventus Turin 2:3, ehe der FC Bayern anrückte und das zu überstürzte Rom in der Königsklasse mit 7:1 (!) aus dem Stadio Olimpico kehrte. Eine Erholung von diesem Nackenschlag fand nie wirklich statt, die Giallorossi mühten sich vielmehr auf Platz zwei in die Zielgeraden und schieden sowohl in der Champions-League-Gruppenphase als auch im Europa-League-Achtelfinale gegen Florenz (1:1, 0:3) verdientermaßen aus.

Trainer Garcia spricht deswegen warnende Worte vor dem Start am Samstag (18 Uhr) bei Hellas Verona um den nimmermüden "Ohrenschrauber" Luca Toni (22 Tore in 38 Spielen 2014/15). "Im Angriff sind wir stark", sagte der 51-Jährige, "aber es liegt noch viel Arbeit vor uns". Ihm fehle vor dem Auftakt vor allem "die Zeit, mit den Neuen in der Defensive zu arbeiten". Gemeint war damit auch Neuzugang Antonio Rüdiger vom VfB Stuttgart, der erst spät und verletzt zum Team gestoßen ist.

LAZIO ROM: Der "Ewige Miro" in der "Ewigen Stadt"

Miroslav Klose

Nimmermüde auf der Jagd nach Toren und Erfolgen: Weltmeister Miroslav Klose. imago

Im zarten Alter von 37 "Lenzen" schlägt Weltmeister und WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose noch einmal auf internationaler Ebene auf. Der deutsche Stürmer ist bei den Biancocelesti, die die Saison 2014/15 auf dem dritten Rang abgeschlossen haben, bei voller Gesundheit gesetzt. Mit 13 Liga- und drei Pokaltreffern war der frühere Lauterer, Bremer und Münchner zuletzt erfolgreichster Torschütze bei den Adlern. Nach einer durchschnittlichen Vorbereitung (unter anderem ein klares 0:3 bei Bundesligist Mainz) stellt sich allerdings die Frage, wo das Team von Trainer Stefano Pioli steht: Mit Felipe Anderson, Antonio Candreva & Co. könnte offensiv wie beim 1:0 im Hinspiel der Champions-League-Qualifikation gegen Bayer Leverkusen viel möglich sein, doch die Konkurrenz ist stark und lauert auf ihre Chancen.

Klose geht in jedem Fall als Leitwolf voran - und sieht sich als Stütze für seine Teamkollegen: "Ein Vorbild war ich schon immer, so wie ich mich gebe. Ich versuche, alles vorzuleben. Wenn ich im Training etwas sehe, gehe ich natürlich auf die Jungs zu. Dann tauschen wir uns über die Situationen aus. Mal sehen, wie es in diesem Jahr läuft. Wir haben viele junge, talentierte Spieler, die noch geschliffen werden müssen wie Diamanten."

AC FLORENZ: Neuer Trainer, neuer Aufschwung?

Auf der toskanischen Kommandobrücke bei der AC Florenz: Paulo Sousa.

Auf der toskanischen Kommandobrücke bei der AC Florenz: Paulo Sousa. imago

Das aufgrund von vielen Verletzungen nicht gerade ruhmreiche Kapitel Mario Gomez bei der Fiorentina ist nach 14 Toren in 47 Spielen beendet: Der deutsche Nationalspieler hat sich im Sommer-Transferfenster Besiktas Istanbul angeschlossen. Doch nicht nur im Sturm gibt es bei den Toskanern Veränderung, auch auf dem Trainerstuhl: Der ehemalige italienische Nationalstürmer Vincenzo Montella räumte nach Querelen seinen Platz, es kam der Portugiese Paulo Sousa vom FC Basel. Mit den Violetten plant der 44-Jährige eine weitere Attacke auf die internationalen Ränge (2014/15 Rang vier hinter Juventus, AS Rom und Lazio): "Ich habe den Calcio aufmerksam verfolgt und bin ein echter Fan von Montella. Er hat einen couragierten Fußball angeboten, wie auch ich ihn schätze. Ich hoffe, dass sie (die Florentiner; Anm. d. Red.) sich später vor allem wegen der gemeinsam erreichten Erfolge an mich erinnern." Die Eckpfeiler im Team: Borja Valero, der von Atletico Madrid geholte Mario Suarez, Davide Astori (Cagliari Calcio, AS Rom) und Angreifer Giuseppe Rossi.

SSC NEAPEL: Wie schwer wiegt der Fehlschuss von Higuain?

Einen Trainer-Tausch gab es auch bei der SSC Neapel, die durch das verlorene "Endspiel" am 38. Spieltag gegen Lazio Rom (2:4) nach furioser Aufholjagd durch einen kläglich verschossenen Elfmeter von Gonzalo Higuain die Champions League verspielte: Der rotationsverliebte Rafael "Rafa" Benitez, im Sommer durch einen verbalen Clinch mit Chelsea-Trainer José Mourinho präsent, wechselte zu Real Madrid. Bei den Neapolitanern künftig am Ruder: Taktik-Fuchs Maurizio Sarri. Der 56-Jährige stieg selbst über Amateurklassen zum Profi-Coach auf und hievte Empoli bis in die Serie A. Wichtig wird auch sein, dass der bisweilen in Träumen schwelgende und medial äußerst präsente SSC-Präsident Aurelio de Laurentiis sachlich und in Ruhe arbeiten lässt. Die Rückkehr in die Champions League soll es aber schon sein - ohne den etablierten Schweizer Mittelfeldmann Gökhan Inler, den es zu Leicester City zog.

INTER MAILAND: Einkaufstour I - Neue Säulen für alle Mannschaftsteile

Die beiden Mailänder Klubs lechzen nach neuer Glorie, die Realität ist nämlich sowohl für Milan als auch für Inter unerträglich und nicht akzeptabel: Zum ersten Mal seit 60 (!) Jahren finden die internationalen Wettbewerbe ohne Beteiligung der Lombarden statt. Die Antwort: Geld, Geld, Geld.

Tabellenrechner Serie A

Mit rund 80 Millionen Euro preschten die Nerazzurri um Trainer Roberto Mancini voran - und mehr soll bis zum Ende der Transferphase am 31. August noch ausgegeben werden. Bislang schon an Land gezogen sind die zweikampfstarken Miranda von Atletico Madrid und Jeison Murillo vom FC Granada sowie der flinke Martin Montoya vom FC Barcelona und Stürmer Stevan Jovetic von Manchester City. Außerdem schnappte Inter eiskalt Geoffrey Kondogbia dem Erzrivalen Milan vor der Nase weg - für kolportierte 35 Millionen Euro. Kein Wunder, dass sich bei solch einem Zuwachs auch direkt Juves Meistermacher Massimiliano Allegri zu Wort meldete: "Schon jetzt müssen wir Inter als ersten Konkurrenten um den Titel erachten." Einen Verlust gilt es aber auch zu verkraftene: Mateo Kovacic wechselte für stolze 32 Millionen Euro (inklusive Bonuszahlungen) von Inter Mailand in die spanische Hauptstadt Madrid - und erhielt bei Real einen Sechsjahresvertrag bis 2021!

AC MAILAND: Einkaufstour II - Das Problem mit dem Ego

Das große Milan dümpelt seit zwei Jahren vor sich hin: 2013/14 landeten die Rossoneri auf Rang acht, 2014/15 war es nur Platz zehn. Die Folge: keine Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb. Die glorreichen Zeiten mit Meisterschaften (zuletzt 2011), Triumphen im Pokal (zuletzt 2003) oder in der geliebten Königsklasse (zuletzt 2007) sind längst verblasst.

Luiz Adriano (links) und Carlos Bacca

Neuer und vor allem vielversprechender Milan-Sturm: Luiz Adriano (links) und Carlos Bacca. imago

Ein endgültiger Neuanfang ohne große Gedanken an schnelle Erfolge muss her. Helfen sollen dabei die verpflichteten Stürmer Carlos Bacca (FC Sevilla) und Luiz Adriano (Schachtar Donezk), Innenverteidiger-Talent Alessio Romagnoli (20, AS Rom) sowie der neue Trainer Sinisa Mihajlovic. Der 46-Jährige war jüngst bei Sampdoria Genua beschäftigt und hatte zu seiner aktiven Zeit bei den römischen Klubs, Samp und Inter Mailand zu den besten Abwehrspielern der Welt gezählt. Er soll den Lombarden allen voran zur alten Stabilität verhelfen, war der Klub doch einst berüchtigt für effektiven Offensivfußball und eine schier undurchdringbare Defensive. Sein forsches Zitat zum Amtsantritt: "Unsere Farben sind Rot wie das Feuer und Schwarz wie die Angst, die wir unseren Gegnern einflößen."

Unsere Farben sind Rot wie das Feuer und Schwarz wie die Angst, die wir unseren Gegnern einflößen.

Milan-Coach Sinisa Mihajlovic

Doch die Spielzeit hat noch nicht einmal angefangen, da ertönt aus dem Hinterhalt schon wieder der altbekannte Größenwahn. Milan-Boss Silvio Berlusconi, der offenbar 48 Prozent des Vereins an den thailändischen Unternehmer Bee Taechaubol für 480 Millionen Euro veräußert und obendrein immer noch auf die Rückkehr von Zlatan Ibrahimovic (33, Paris Saint-Germain) hofft, sagte gegenüber "Sky Italia": "Coach Sinisa ist die wichtigste Verpflichtung, wir erhoffen uns die Rückkehr in die Champions League. Das Team ist stark, weil Sinisa stark ist. Er ist ein Leader." Doch damit nicht genug, der millionenschwere Patron ergänzte nach seinem Aus in der Politik voller Inbrunst: "Ich habe mich entschieden, wieder mehr zu investieren, weil wir zurück zum alten Glanz kommen wollen. Wir streben nach Platz eins."

Die Serie A in der Spielzeit 2015/16 darf damit als eingeläutet angesehen werden. Wie immer werden die ersten Wochen erst zeigen, wie stark die jeweiligen Top-Teams tatsächlich sind und eingeschätzt werden können. Außerdem spannend: Wie schlagen sich die Aufsteiger FC Bologna, FC Carpi und Frosinone Calcio?

Eine Regeländerung trifft derweil alle Mannschaften: Ab der Saison 2015/16 installierte der Verband Europapokal-Regularien: Der Kader aller Vereine wird auf 25 Spieler limitiert, von denen vier im Klub, weitere vier in Italien ausgebildet worden sein müssen.

"Vergessen und neu durchstarten": Lesen Sie im aktuellen kicker (Donnerstag-Ausgabe) zum Thema das große Interview mit Milan-Kapitän Riccardo Montolivo - über den Umbruch bei den Rossoneri, Neu-Coach Mihajlovic und Zlatan Ibrahimovic.

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Grazie Maestro: Weltmeister und Trophäensammler Andrea Pirlo