Bundesliga

Perfekt! Herthas Mukhtar wechselt zu Benfica

Berlin verliert abermals ein großes Talent

Perfekt! Herthas Mukhtar wechselt zu Benfica

Verlässt Hertha BSC: Hany Mukhtar heuert bei Benfica Lissabon an.

Verlässt Hertha BSC: Hany Mukhtar heuert bei Benfica Lissabon an. imago

Nach einer durchaus hoffnungsvollen ersten Bundesliga-Saison 2013/14, die Mukhtar zehn Einsätze bescherte (zuvor sieben in der 2. Liga), ging in der aktuellen Spielzeit für ihn nichts. Keine Minute Einsatzzeit im Oberhaus, Frust, ein Beraterwechsel, schließlich der Abbruch der Gespräche über eine Verlängerung des 2015 auslaufenden Vertrages - Mukhtar wollte am Ende nur noch weg.

Jos Luhukay, der im Sommer noch sein Veto gegen einen Wechsel des frischgebackenen U-19-Europameisters zu Zweitliga-Aufsteiger RB Leipzig eingelegt hatte, hatte keine Verwendung für den Youngster. "Junge Spieler wie Hany reinzubringen, wenn das Gerüst fehlt, ist schwer", erklärte der Trainer zuletzt. "Es hat also nicht nur mit ihm zu tun, sondern auch mit der Gesamtsituation."

Hertha BSC - Die letzten Spiele
FC Schalke 04 Schalke (H)
5
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Benfica Lissabon - Die letzten Spiele
Casa Pia Lissabon Casa Pia (A)
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Glasgow Rangers Rangers (A)
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1
Spielersteckbrief Mukhtar
Mukhtar

Mukhtar Hany

Trainersteckbrief Luhukay
Luhukay

Luhukay Jos

Hertha BSC - Vereinsdaten
Hertha BSC

Gründungsdatum

25.07.1892

Vereinsfarben

Blau-Weiß

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Benfica Lissabon - Vereinsdaten
Benfica Lissabon

Gründungsdatum

28.02.1904

Vereinsfarben

Rot-Weiß

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Allerdings: Angesichts der Langzeitausfälle (Baumjohann, Cigerci), Formschwächen (Hegeler, Hosogai) und Unberechenbarkeit (Ronny) im zentralen Mittelfeld überraschte schon, dass Mukhtar komplett übergangen wurde. Fehlende Torgefahr und Defizite in der Rückwärtsbewegung wurden ihm intern vorgehalten - nichts, was der Rest der aktuellen Belegschaft nicht auch im Repertoire hätte . . .

Mukhtar hatte das Zeug zur Identifikationsfigur

Dass sich Mukhtar, dem Hertha schon vor etlichen Monaten ein Angebot zur Verlängerung bis 2018 vorgelegt hatte, partout nicht langfristig binden mochte, verschlechterte sein Standing zusätzlich. Der Sohn einer Deutschen und eines Sudanesen, der die deutsche U19 im Sommer mit seinem Tor im Finale gegen Portugal zum Europameister machte, hatte das Zeug zur Identifikationsfigur. Jetzt ist er Geschichte - und nicht das erste uneingelöste Versprechen beim Hauptstadt-Klub.

Nicht-optimale Durchlässigkeit zwischen Nachwuchs- und Profibereich

Aktuell gehören mit Nico Schulz, Änis Ben-Hatira und John Anthony Brooks drei Eigengewächse zum Stamm des Bundesliga-Teams. Doch die - nicht optimale - Durchlässigkeit zwischen Nachwuchs- und Profibereich bleibt ein Thema. Hertha bildet sehr gut aus - überwiegend für die Konkurrenz. Die hauseigene U17 wurde seit 2000 viermal Deutscher Meister. Seit der Jahrtausendwende schafften knapp 50 Spieler den Sprung in den Profibereich, drei wurden deutsche Nationalspieler (Jerome Boateng, Alexander Madlung, Malik Fathi).

Die Überflieger: Kevin-Prince Boateng (Schalke), dessen Transfer zu Tottenham Hotspur im Sommer 2007 Hertha stattliche 7,9 Millionen Euro einbrachte, und sein Bruder Jerome (Bayern München, 2007 für 1,1 Mio. zum HSV) gerieten seinerzeit zwischen alle Stühle - ihr damaliger Berater und Herthas Management verkrachten sich in jenem Sommer gründlich. Allerdings wären beide sportlich vermutlich ohnehin irgendwann zu groß geworden für den Klub, dem Strahlkraft und Titel fehlen.

Auch bei Ashkan Dejagah (Al-Arabi/Katar), der 2007 ablösefrei zum VfL Wolfsburg zog, verpasste der Klub eine frühzeitige Weichenstellung. Eine Rückkehr des iranischen WM-Teilnehmers von 2014, die Hertha mehrfach durchspielte, ließ sich nie realisieren.

Die Soliden: Malik Fathi (vereinslos) war bis zu seinem Blitzwechsel im März 2008 zu Spartak Moskau, der Hertha vier Millionen Euro einbrachte, über Jahre eine feste Größe - ebenso Sofian Chahed (vereinslos), der im Jahr 2009 ablösefrei nach Hannover ging. Patrick Ebert (Spartak Moskau), wie Dejagah, Chinedu Ede (Anorthosis Famagusta, von 1999 bis 2008 bei Hertha), Jerome Boateng und Änis Ben-Hatira (von 1995 bis 2003 bei Hertha, 2011 vom HSV zurückgekehrt) 2009 mit der U-21-Auswahl des DFB Europameister, war lange Stamm-Rechtsaußen, auch wenn Formschwankungen und Eskapaden Trainer und Manager öfter zur Verzweiflung trieben. 2012 verlängerte er nicht bei Hertha und unterschrieb bei Real Valladolid, wo er ein furioses erstes Jahr in der Primera Division ablieferte und sogar das Interesse von Atletico Madrid weckte.

Die Unterschätzten: Sejad Salihovic (Hoffenheim, von 2000 bis 2006 bei Hertha), Christopher Samba (Dynamo Moskau, von 2005 bis Januar 2007 bei Hertha) und Ibrahima Traoré (Gladbach, von Januar 2007 bis 2009 bei Hertha) erging es wie dem Lehrling im eigenen Betrieb. Sie galten als begabt - aber den nötigen Vertrauensvorschuss erhielten sie nicht. Den kantigen Innenverteidiger Samba ließen die Berliner für 600 000 Euro zu den Blackburn Rovers ziehen. Als ihn die Queens Park Rangers im Januar 2013 Antschi Machatschkala abwarben, zahlten sie 15 Millionen (!). Traoré ließ man 2009 ablösefrei zum FC Augsburg ziehen.

Auch Manuel Schmiedebach (Hannover, 2003 bis 2008 bei Hertha) und Alfredo Morales (Ingolstadt, 2000 bis 2013 bei Hertha) wurden intern für zu leicht befunden - und hätten gewiss das Zeug für eine Karriere in den eigenen Reihen gehabt. Der Österreicher Marco Djuricin, der 2008 zu Hertha kam und nur kurz sein Glück fand, startet gerade durch. Nach elf Saisontoren und vier Assists für Sturm Graz legte RB Salzburg jetzt 2,5 Millionen Euro für den Angreifer hin. Immerhin: Hertha partizipiert dank einer Vertragsklausel daran - und erhält einen Nachschlag von über 300 000 Euro.

Die Überschätzten: Längst nicht alle, die in ganz jungen Jahren Großes versprachen und in die Fremde auszogen, konnten die Erwartungen erfüllen. Christopher Schorch (MSV Duisburg, ging 2007 zum B-Team von Real Madrid), Sascha Bigalke (Unterhaching), Shervin Radjabali-Fardi (Hansa Rostock), Lennart Hartmann (Tennis Borussia Berlin) - diesem Quartett hatten nicht wenige deutlich mehr zugetraut.

In welche Kategorie Mukhtar fällt, wird sich in den nächsten Jahren erweisen. Fakt ist: Sowohl bei der Durchlässigkeit für Talente im eigenen Klub als auch bei möglichen Transfereinnahmen von Eigengewächsen hat Hertha BSC Nachholbedarf.

Steffen Rohr/Andreas Hunzinger