Bundesliga

Pronichev: "Das habe ich von Tymoshchuk gelernt"

Hertha: Russischer U-21-Stürmer will sich durchsetzen

Pronichev: "Das habe ich von Tymoshchuk gelernt"

Kämpft bei der Hertha um einen Platz im Angriff: Maximilian Pronichev.

Kämpft bei der Hertha um einen Platz im Angriff: Maximilian Pronichev. imago

Aus Herthas Trainingslager in Neuruppin berichtet Steffen Rohr

Pronichev sitzt am Sonntagmittag auf der Terrasse des Team-Hotels Resort Mark Brandenburg unter einem Sonnenschirm und erzählt mir ruhiger, fester Stimme seine Geschichte, die davon handelt, wie er mit 16 Jahren Hertha verließ und mit knapp 20 und etlichen Erfahrungen im Gepäck zurückkehrte. Im Sommer 2014 wechselte er nach Russland, ins Heimatland seines Vaters Mikhael Pronichev. Der Papa war Mitte der 90er Jahre beim FC Berlin, der zuvor BFC hieß und längst auch wieder so heißt, eine feste Größe im Angriff. Der Filius, in Berlin geboren, zog aus Herthas B-Jugend weiter zu Zenit St. Petersburg.

2014/15 und 2016/17 spielte er für den russischen Topklub, dazwischen war er eine Saison an Schalke ausgeliehen, wo ihm für die U19 in der A-Junioren-Bundesliga West in 21 Einsätzen 15 Tore gelangen. "Mit 16 war es für mich die bessere Entscheidung, zu Zenit zu gehen", sagt Pronichev. "Aber drei Jahre später, im letzten Sommer, war es genauso richtig, dort meine Zelte abzubrechen, obwohl sie mir nochmal einen Dreijahresvertrag anboten und ich dort mehr verdient hätte. Aber nach drei weiteren Jahren mit 23 nach Deutschland - das wäre schwierig geworden."

Tymoshchuk "kam als Erster und ging als Letzter"

Der Stürmer landete nach einem Sommer voller Ungewissheit im September 2017 auch auf Betreiben von U-23-Coach Ante Covic wieder bei Hertha, es wurde eine Win-Win-Situation: Pronichev bekam Praxis im Männerbereich - und Hertha einen Torjäger fürs Regionalliga-Team. 19 Spiele, 15 Tore - der Lohn war ein Zweijahresvertrag bei den Profis, wo sich der aktuelle russische U-21-Nationalspieler in dieser Vorbereitung bei Trainer Pal Dardai empfehlen will.

"Ich habe viel mitgenommen aus meiner Zeit in St. Petersburg", sagt Pronichev. "Ich durfte dort zeitweise mit den Profis trainieren - mit Spielern wie Axel Witsel, Anatoliy Tymoshchuk, Hulk oder Andrey Arshavin, mit denen ich früher auf der Playstation FIFA gespielt habe. Da ist ein Traum in Erfüllung gegangen." Vor allem die Herangehensweise an den Beruf imponierte Pronichev: "Tymoshchuk war schon weit über 30, hatte alles gewonnen und mit die meisten Länderspiele auf der Welt - aber er kam als Erster drei Stunden vor dem Training und ging als Letzter, weil er für sich und seine Regeneration noch viele Extra-Sachen gemacht hat. Das war bemerkenswert, davon konnte man viel lernen."

Pronichev und die europäische Mentalität

Bewusst ist Pronichev mit dem Vorjahreswechsel zur U23 "ein paar Schritte nach unten" gegangen. "Jetzt", sagt er, "will ich vier, fünf Schritte nach oben machen." Die Konkurrenz im Berliner Sturm ist trotz des Ausfalls von Davie Selke (Pneumothorax) groß. Neben den Routiniers Vedad Ibisevic und Salomon Kalou drängt auch Neuzugang Pascal Köpke in die Mannschaft, zudem ist neben Pronichev mit Muhammed Kiprit (19) ein weiteres Sturm-Talent aus der eigenen Akademie gerade zu den Profis gestoßen. "Vielleicht haben mir meinen Weggang damals ein paar Leute im Verein verübelt", sagt Pronichev und lächelt. "Aber bei meiner Rückkehr wurde ich herzlich aufgenommen. Ich habe mich gleich wieder wie zu Hause gefühlt. Ich kannte Berlin, ich kannte den Verein."

Überall, wo er war, lieferte er beachtliche Torquoten ab. "Spielverständnis und im richtigen Moment an der richtigen Stelle stehen und knipsen" - das, sagt der 1,82 Meter große Angreifer, mache sein Spiel aus. Die Großeltern wohnen in Moskau, er selbst habe "trotz des russischen Passes eher eine europäische Mentalität". Mentalität braucht er, um sich durchzusetzen. Dass Dardai nach dem sechstägigen Camp in Neuruppin sechs, sieben Spieler von den Profis zur U23 schicken will, um den Kader fürs taktische Feintuning zu verschlanken, damit beschäftigt er sich derzeit nicht. "Bis zu dem Tag, an dem es entschieden wird, wird keiner von uns groß darüber nachdenken", sagt Pronichev. "Am Ende trifft es vielleicht ein paar von uns. Aber jeder hat seinen Plan, wie es für ihn weitergehen soll. Und jeder gibt in jeder Einheit Gas und will sich empfehlen." Und seine Empfehlung sind Tore.