Regionalliga

Totale Vermarktung: Wird Wattenscheid zur Datenkrake?

Finanzierung der Idee steht auf wackeligen Beinen

Totale Vermarktung: Wird Wattenscheid zur Datenkrake?

Haben große Pläne: Oguzhan Can, Christof Wieschemann und Peter Jaeger (v.l.).

Haben große Pläne: Oguzhan Can, Christof Wieschemann und Peter Jaeger (v.l.). kicker

Derjenige, der Can Hoffnung macht, heißt Peter Jaeger. Der Hamburger arbeitete unter anderem für Microsoft Deutschland in leitender Position und sagt über sich selbst: "Ich weiß ein bisschen, wie Digitales funktioniert." Nun ist er der Chef eines Start-ups, das sich in Bochums Westen den großen Durchbruch zutraut und die SG Wattenscheid dasselbe mit dem Start-up. "Ha²lo" heißt die Firma, die Technologie und Fußball verknüpfen und dabei am besten zeitnah in die europäische Spitze vorstoßen möchte. Ohne eine große Vision geht es bei Jaeger nicht.

Die Pläne sind vage, aber ihre Dimensionen erkennbar. Jaeger schwebt nicht weniger vor als der gläserne Fußballklub, der rundum Daten erfasst, aus- und verwertet. Algorithmusbasierte Software soll bei der Spiel- und Trainingssteuerung helfen und ein eigenes Scouting-System aufgebaut werden. "Wir denken in Lösungen, die den Sport verändern werden", kündigt der Digital-Stratege an. Eine Nummer kleiner geht es nicht, irgendwann sollen auch die wirklich großen Vereine mit dieser Software arbeiten.

Das gilt auch für den Umgang mit den Fans. Eine neue App soll dem Fan einerseits den Zugang ins Stadion erleichtern und beispielsweise Schlangen am Würstchenstand eliminieren. Andererseits will Jaeger die totale Vermarktung. "Der Verein weiß aktuell nicht, wer im Stadion ist. Das ist schlecht", glaubt er. Geht es nach ihm, bekommen Fans bald maßgeschneiderte Werbung auf ihr Handy. Es lässt sich erahnen, dass das für Zündstoff mit dem eigenen Anhang sorgen könnte.

Den glauben Wattenscheid und Ha²lo aber gut im Griff zu haben. "Das Unverständnis war zuerst groß, die Stimmung dann aber positiv", berichtet Christof Wieschemann, Mitglied des Aufsichtsrates der SG von einer Veranstaltung, auf der die Mitglieder informiert wurden. Deren Zustimmung werden die Bosse benötigen: Für das geplante Projekt soll die Fußball-Abteilung ausgegliedert werden.

Knackpunkt Finanzierung

Stellten ihre Idee vor: Oguzhan Can, Christof Wieschemann und Peter Jaeger (v.l.).

Stellten ihre Idee vor: Oguzhan Can, Christof Wieschemann und Peter Jaeger (v.l.). kicker

Bleibt die Frage nach der Finanzierung - und da wird es komplex. Jaeger will eine eigene Kryptowährung ausgeben, die das nötige Kleingeld einspielen soll. Mindestens 25 Millionen Euro sollen so zusammenkommen, gerne mehr. Die sollen Investoren aus den USA und Asien kaufen, auch für die Mitglieder würden wohl ein paar digitale Münzen herausspringen. Zwei Millionen Euro bekäme der Lohrheide-Klub sofort, jeweils eine Millionen weitere Euro in den folgenden drei Jahren. Klubchef Can hob den Etat für die erste Mannschaft kürzlich auf 1,2 Millionen Euro an - kein Wunder, dass ihm diese Summe Hoffnung macht.

Funktioniert das Geschäft, wäre Wattenscheid zudem an Ha²lo beteiligt und könnte auch langfristig von dem Geschäft profitieren. Kommt zu wenig Geld zusammen, will das Startup die Einnahmen an die Investoren zurückzahlen. "Dann machen wir halt alle wieder Konzern-Jobs", sagt Jaeger flapsig. Die Kryptowährung dürfte demzufolge eine der Schwachstellen des Projektes sein. Wieschemann und Can betonen, für ihren Klub gebe es so gut wie kein finanzielles Risiko. Allerdings: Bei der bislang größten deutschen Kryptowährung Envion, bei deren Ausgabe rund 85 Millionen Euro zusammen kamen, endete das Projekt im Chaos. Dass Jaeger mit dem versunkenen Viertligisten immerhin knapp ein Drittel davon einsammeln will, erscheint mindestens ambitioniert.

Eine Wahl hat Can indes wohl nicht. Er weiß, dass die Kooperation mit Ha²lo alternativlos ist. Geld ist seit der Ära Klaus Steilmanns, der den Klub einst in die Bundesliga führte, nicht mehr vorhanden. Die Alternative wäre wohl die sportliche Bedeutungslosigkeit.

Jim Decker