Bergbau und Fußball – das war im Ruhrgebiet über Jahrzehnte hinweg untrennbar miteinander verbunden. Das Jahr 2018 wird nun zum "Schlussakt des Zechensterbens", wie es DFB-Präsident Reinhard Grindel zum Start der zunächst bis Weihnachten geöffneten Sonderausstellung "Schichtwechsel – FußballLebenRuhrgebiet" im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund formulierte. Der Bergbau ist tot, es lebe der Ruhrgebietsfußball.
Der S04-Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies schilderte seinen allgemeinen Eindruck, dass der krasse Strukturwandel, den der Pott seit Jahren vollzieht, eine gewisse "Wehmut" auslöse. Trübsal wollten die Protagonisten der Eröffnungsfeier aber nicht blasen. Im Gegenteil. Sie entzückten das Publikum mit lustigen Anekdoten und Liebesbekundungen ans Ruhrgebiet.
"Das Ruhrgebiet hat sich von der Ursprünglichkeit des Fußballs im Vergleich zu anderen Regionen am wenigsten entfernt", meinte DFL- und BVB-Präsident Reinhard Rauball, der dabei nicht nur, aber auch an das typische Merkmal pott’scher Fußballkultur dachte: die Ascheplätze. Aus seiner Anfangszeit als Fußballer bei der STV Horst-Emscher habe er "heute noch Steinchen" unter der Haut, scherzte Weltmeister und Ex-S04-Profi Olaf Thon.
Tatsächlich pocht in diesem westlichen Teil Deutschlands das Herz des Fußballs – früher wie heute. Um das zu erkennen, reicht eine Fahrt über die A40. Sieben Ruhrpott-Klubs zählten bisher zur Beletage. Die Städte, in denen sie beheimatet sind, liegen entweder unweit der A40 oder werden sogar erbarmungslos von ihr durchkreuzt: Dortmund (BVB), Gelsenkirchen (Schalke 04), Bochum (VfL, SG Wattenscheid 09), Essen (RWE), Oberhausen (RWO) und Duisburg (MSV).
Lippens: Schlafzimmer unter der Stadion-Tribüne
Willi Lippens, der die meisten seiner Spiele für Rot-Weiss Essen bestritt, habe "80 Mark im Monat" für seinen "ersten richtigen Vertrag" erhalten. Dafür, dass er in einem der Schlaf-Zimmer unter der Stadion-Tribüne eine Bleibe erhielt, musste er "30 Mark abdrücken", aber es sei eine "wunderbare Zeit" gewesen. "Ich bin aufgewacht, die Treppe runtergegangen und stand im Stadion. Ich habe manchmal die Leute grölen hören, dabei war gar keiner im Stadion", flachste Lippens. Für seinen Ex-Klub, inzwischen Regionalligist, sieht er derweil schwarz. "RWE wird den Weg nach oben nicht mehr schaffen, das Geld spielt heutzutage eine zu große Rolle."
Thon: "Schalke lebt"
Bernard Dietz, der einst selbst auf der Zeche arbeitete und dessen Vater und Bruder Bergmänner waren, schätzte die Perspektive seines geliebten Ex-Klubs MSV Duisburg im Rahmen der "Schichtwechsel"-Eröffnung da schon deutlich rosiger ein. Der Kapitän der Europameister-Elf von 1980 freut sich, dass "der MSV eine gute Rolle in der 2. Liga spielt". Und Thon stellte zufrieden fest: "Schalke lebt."
Fußball und der Bergbau eng verzahnt
Der Fußball im Ruhrgebiet hat viele Facetten zu bieten und ist die unerschütterliche Konstante im Pott, während es mit der Wirtschaftlichkeit des Bergbaus nach und nach den Bach runterging. Die Sonderausstellung im Deutschen Fußballmuseum zeigt, wie der Fußball und der Bergbau einst verzahnt waren und wie sie es in gewisser Weise auch heute noch sind. Bei Heimspielen des FC Schalke ertönt vor dem Anpfiff stets das Steigerlied. Ganz sicher auch am 15. April. Dann ist der BVB zu Gast – und der gesamte Pott wird wieder beben, nicht nur entlang der A40. Glückauf.