DFB-Pokal

Als Gladbach magisch ins Finale kam: Ewald Lienen erinnert sich an einen besonderen Pokal-Moment

Ewald Lienen erinnert sich

Wechsel mit Wirkung: Als Gladbach "magisch" ins Finale einzog

Die Entscheidung: Hans-Jörg Criens drischt den Ball zum 5:4 ins Werder-Tor.

Die Entscheidung: Hans-Jörg Criens drischt den Ball zum 5:4 ins Werder-Tor. picture alliance

Das war eines dieser Highlight-Spiele, an die man sich später immer wieder erinnert. Genauso wie an die Helden, die an diesen Tagen geboren werden. Hans-Jörg Criens war so einer, an jenem Abend im Mai 1984. Die Spannung war fast greifbar, und das nicht nur wegen des reinen sportlichen Geschehens. Ich erinnere mich noch, wie die Partie länger unterbrochen werden musste, weil das ganze Spielfeld nach einem Rauchgasdosenwurf aus dem Bremer Block in Nebel gehüllt war. Wir konnten einfach nichts mehr sehen.

Als es weiterging, kamen nach 82 Minuten schließlich Uli Borowka und eben Hans-Jörg für Winnie Schäfer und mich ins Spiel. 3:3 stand es da, und unser Trainer Jupp Heynckes wollte mit frischem Blut die Entscheidung zu unseren Gunsten herbeiführen. Der Schuss ging zunächst nach hinten los. Ich hatte kaum auf der Bank Platz genommen, da traf Uwe Reinders zur Bremer Führung.

Volles Risiko

Nun wählten wir volles Risiko. Aber alles schien vergebens, zumal Schiedsrichter Hontheim in der Nachspielzeit einen Treffer von Wilfried Hannes aberkannte. Lothar Matthäus, der den Ball zu Wilfried hereingegeben hatte, war außer sich und tobte vor dem Linienrichter, der die Fahne gehoben hatte. Doch es lief noch einmal weiter, es wurde mehrere Minuten nachgespielt. In der letzten Aktion zirkelte Hans-Günter Bruns den zehnten Eckball für uns vors Tor, aus kürzester Distanz nickte Hans-Jörg Criens den Ball ein. 4:4, Verlängerung!

Das hat Criens klasse gemacht.

Die Nordkurve mit unseren Fans, wo an diesem Tag auch noch die entscheidenden Tore fielen, war eh außer Rand und Band. Aber alle, auch auf der Tribüne hinter uns, wollten nun den Lucky Punch. Die Nerven? Zum Zerreißen gespannt. Heynckes behielt wie immer die Ruhe und stellte uns vor der Extrazeit gezielt auf den großen Showdown ein. Der folgte dann - mit Hans-Jörg nach 107 Minuten. Wie er die halbhohe Flanke von Uli Borowka mit der rechten Fußspitze annahm, den Ball mit der Stirn noch einmal vorlegte und dann mit links zum 5:4 abzog, war einfach überragend. Das hat er wirklich klasse gemacht. Minuten später kannte der Jubel keine Grenzen. Wir hatten das Pokalfinale erreicht - für jeden Fußballer eine Sternstunde.

Es war ein magischer Moment.

Heute treffe ich Hans-Jörg vornehmlich bei den Borussia-Heimspielen. In jenen 80er Jahren hatte er als sehr guter Nachwuchsstürmer bei uns in Gladbach Fuß gefasst. Er hat dann seinen Weg gemacht, mit vielen Toren. Er war einer der Effektivsten jener Zeit. Abschlussstark, gute Schnelligkeit, gefährlicher linker Fuß. Dazu sein Kopfball. Diese Präsenz, Wucht und Durchschlagskraft machten ihn zu einer echten Bedrohung für jeden Gegner. Er ließ sich einfach nicht zur Seite drängen. Criens war die Art Stürmer, die sich jeder im Team wünscht. Sein Doppelschlag damals gegen Bremen kam deshalb nicht von ungefähr. Und doch war es ein magischer Moment, der ihm zu Recht einen Platz in den Geschichtsbüchern beschert hat.

Dieser Erlebnisbericht erschien in der kicker-Edition "Mythos Pokal". Dort finden Sie viele weitere Texte zu magischen Pokal-Duellen, Triumphen, Helden und Tragödien.

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