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Schweinsteiger in die Startelf? Dafür gibt's keinen Anlass

kicker-Kolumne: Wenn ich Bundestrainer wäre...

Schweinsteiger in die Startelf? Dafür gibt's keinen Anlass

Seine körperliche Verfassung vermittelt nicht den Eindruck, dass der er eine nachhaltige Bereicherung darstellen könnte: Bastian Schweinsteiger.

Seine körperliche Verfassung vermittelt nicht den Eindruck, dass der er eine nachhaltige Bereicherung darstellen könnte: Bastian Schweinsteiger. picture alliance

Aus Evian berichtet kicker-Chefreporter Karlheinz Wild

Es ist eine heikle Entscheidung, die da getroffen werden muss: mit Jerome Boateng oder ohne ihn? Macht es mehr Sinn, die rechte Wade des bei dieser EM herausragenden deutschen Abwehrchefs noch eine Woche bis zu einem möglichen hochbrisanten Viertelfinale gegen Spanien oder Italien zu schonen? Wie viel Risiko birgt sein Einsatz?

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Die DFB-Mediziner um Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, den bei Muskelproblemen ein außerordentliches Tastgespür befähigt, werden gewiss ziemlich verbindlich Auskunft geben können, aber keine Garantie. Entscheidend ist, ob sich der Patient zu 100 Prozent einsatzfähig glaubt. Die letzte Verantwortung und damit die definitive Entscheidung liegt bei Boateng. Er selbst muss das Risiko abwägen und sich eher von zu großer Vorsicht als zu viel Ehrgeiz lenken lassen.

Höwedes wäre die erste Wahl für Boatengs Stellvertretung

Boateng ist zwar mit seiner unerschütterlichen Persönlichkeit und allgegenwärtigen Präsenz nicht nur in der eigenen Spielhälfte extrem wertvoll, sondern auch als präziser Passgeber mit langen Schlägen in die Tiefe und in die Diagonale; doch gegen die Slowakei muss der Weltmeister auch ohne ihr wertvolles Kadermitglied Nummer 17 gewinnen - bei allem Respekt vor jedem Gegner. Benedikt Höwedes ist eine Fachkraft im Abwehrzentrum, Shkodran Mustafi müsste es gegen diesen voraussichtlich nicht überwältigend offensivstarken Außenseiter hinten genauso richten. Aber Höwedes wäre die erste Wahl für Boatengs Stellvertretung.

Weitere Personalwechsel drängen sich nach dem 1:0-Sieg gegen die drittklassigen Nordiren nicht auf. Joshua Kimmich hat als offensiver Rechtsverteidiger mit feinen Flanken und gewieftem Passspiel für seine Weiterbeschäftigung auf dieser Planstelle geworben. Defensiv wurde er allerdings nicht geprüft. So wird es vermutlich auch gegen die Slowaken, die beim höchst glücklichen 0:0-Remis gegen England aufopferungsvoll und mit allem Glück der Welt verteidigten.

Vorschau

Kimmichs offensive Interpretation des rechten Verteidigers ist auch für Thomas Müller hilfreich, weil der nominelle Rechtsaußen dann torgefährlich wird, wenn er sich nach innen Richtung Straf- und Fünfmeterraum aufmachen kann - wie gegen Nordirland deutlich wurde. Kimmich kann dann den Freiraum rechts draußen nutzen und mit seinen Hereingaben die Mitspieler bedienen.

Gomez' körperliche Wucht ist erneut gefragt

Dort vorne, im Getümmel des Sechzehners, ist die körperliche Wucht des klassischen Mittelstürmers Mario Gomez erneut gefragt. Gomez erzielte bei seiner 2016er EM-Premiere gegen Nordirland das Siegtor und legte ein paar Mal die Bälle für die Kollegen gut ab: Es gibt keinen Anlass, das Modell mit einem echten Mittelstürmer abzuändern. Mario Götze, der Protagonist für die Variante mit einer falschen 9, fühlt sich in den Zwischenräumen ohnehin wohler. Obwohl der feine Techniker noch immer um seine beste Verfassung ringt, hat er das erneute Vertrauen als Offensivkraft auf der linken Seite verdient. Ein Tor, von dem er - gefühlt - nicht mehr so fern ist, hätte gewiss erlösende und ermutigende Wirkung für ihn. Außerdem haben Julian Draxler und André Schürrle bisher nicht nachgewiesen, dass einer von ihnen die bessere Alternative für die linke Offensive wäre.

Schweinsteiger-Frage und Leistungsprinzip

kicker-Chefreporter Karlheinz Wild

kicker-Chefreporter Karlheinz Wild kicker

Dieser Befund ist auch mittelbar die Antwort auf die Schweinsteiger-Frage. Da stehen zwar dessen Verdienste in zwölf Jahren Nationalmannschaft und in 117 Länderspielen, für die ihm eine besonders respektvolle Behandlung zusteht; aber da ist auch das nicht verhandelbare Leistungsprinzip. Und da vermittelt Schweinsteigers körperliche Verfassung eben nicht den Eindruck, dass der eigentliche Kapitän eine nachhaltige Bereicherung für das Spiel der deutschen Elf darstellen könnte. Ein paar routinierte, beruhigende Querpässe in gut 20 Minuten gegen harmloseste und ermüdete Nordiren sind kein Beweis dafür, dass Schweinsteiger im Zentrum des defensiven Mittelfelds gegnerische Tempogegenstöße stoppen könnte. Die Partnerschaft mit Toni Kroos und Sami Khedira bildet dafür die bessere Lösung.

Beide Sechser sind gefordert, wenn Marek Hamsik, der Präzisionsschütze der Slowakei, zu seinen Schüssen ansetzt. Und wenn der Gegner Konter startet. Um diese Möglichkeit schon im Grundsatz zu ersticken, dürfen sich die deutschen Spieler nicht so viele krasse Fehlpässe und Ballverluste gönnen wie vor der Pause gegen die Nordiren. Sonst wackelt die bisherige Zu-Null-Stabilität.