Bundesliga

Gisdol: "Ich sehe Rudy nicht als Härtefall"

Hoffenheims Trainer im kicker-Interview

Gisdol: "Ich sehe Rudy nicht als Härtefall"

Bezeichnet das Trainingslager in Südafrika als "Volltreffer": Hoffenheims Trainer Markus Gisdol

Bezeichnet das Trainingslager in Südafrika als "Volltreffer": Hoffenheims Trainer Markus Gisdol Getty Images

kicker: Herr Gisdol, hat sich der Trip nach Südafrika gelohnt?
Markus Gisdol: "Auf jeden Fall. Wir haben unsere Haupttrainingsarbeit planmäßig durchbringen können. Das ist im Winter ein großes Gut – und alles bei hervorragenden Bedingungen, ohne große Zeitverschiebung. Ich denke bei unserem Trainingslager kann man von einem Volltreffer sprechen."

kicker: Ist das aktuelle Niveau am höchsten in ihrer Amtszeit?
Gisdol: "Ja. Wir haben die Basics in jeder Vorbereitung wiederholt, die sitzen mittlerweile gut bei den Spielern. Jetzt geht es wirklich ums Verfeinern, dazu ist es wichtig, dass wir nun häufiger die original Spielfeldgröße nutzen und mit Korrekturen und Videoschulungen unser Spiel weiterbringen."

kicker: Details heißt was genau?

Gisdol: "Zum Beispiel bei der Abwehrarbeit das schnelle Rausrücken nach abgewehrten Bällen. Gleichzeitig aber auch zu erkennen: ist der entfernte Gegner am Ball unter Druck oder nicht? Können wir weiter rausrücken oder müssen wir abbrechen? Und dazu müssen alle Spieler auch vor der Abwehr nach vorne schieben, aber auch auf Kommando abbrechen. Oder unsere Sechserposition immer zu besetzen, dass wir da immer mindestens einen Spieler postiert haben. Dass diese sich nicht zu früh rauslocken lassen, aber auch die Innenverteidiger, die dafür sorgen müssen, immer einen Sechser in der Nähe halten zu müssen. Und natürlich ist auch die Fitness des Teams hier schon auf einer ganz anderen, besseren Grundlage gewesen. In den zwei Wochen Pause haben die Spieler kaum etwas verloren. Und noch Hausaufgaben gehabt, die sie auch erledigt haben."

Im letzten Jahr waren die zahlreichen Gegentore das große Thema. Das haben wir in den Griff bekommen.

Markus Gisdol

kicker: Was ist Ihr Ziel oder Thema für die Rückrunde?

Gisdol: "Im letzten Jahr waren die zahlreichen Gegentore das große Thema. Das haben wir in den Griff bekommen. Die Mannschaft macht immer weitere Schritte. Die waren natürlich anfangs größer. Aber jetzt geht es um viele kleine Details, die wir verfeinern müssen. Einen einzelnen Punkt an dem wir arbeiten und der alles überstrahlt, den haben wir nicht. Das ist auch gut so, dass es nicht dieses eine große Kernproblem gibt."

kicker: Ist es ein Ziel, noch mehr Offensivwucht zu entwickeln?

Gisdol: "Wir haben unglaublich viele Ballgewinne, die dann aber nicht zum Torabschluss kommen, schießen daraus immer noch zu wenig Tore. Da haben wir noch Luft nach oben."

kicker: Sie wollen in Ihrer Systematik flexibler werden. Heißt das, zwischen verschiedenen Grundformationen wechseln zu können oder eher die Anlaufhöhe zu variieren? Oder beides?

Gisdol: "Beides. Es hat sich in der Vorrunde schon das 4-2-3-1 als unser System durchgesetzt. Wobei ich mir schon gewünscht hätte, eine zweite Variante zu haben, die auch sofort sitzt. Das hatten wir leider noch nicht. Dass wir etwa schnell mal auf 4-3-3 umschalten können. Wir haben es zwar mal gemacht, aber ich stelle mir da einen Wechsel hin und zurück vor. Heißt: Flexibel genug zu sein, um nach einer Phase von 15 Minuten Vollgas auch wieder zurückzuschalten. Aber es betrifft auch unsere Anlaufhöhe. Das bedeutet, dass wir nicht nur richtig gut sind, wenn wir Mitte der gegnerischen Hälfte oder ganz früh attackieren, sondern das auch tiefer sehr aggressiv hinbekommen können. Es gibt eben Gegner, da tut man sich leichter, wenn man sie etwas rauslocken kann und man mehr Luft bekommt vor deren Tor. Das können wir zwar alles recht ordentlich, aber wir können überall noch zulegen."

kicker: Die Mannschaft scheint sich wohler zu fühlen, wenn sie direkt vorne draufgeht, weil sie dann den Eindruck hat, den Lauf der Dinge selbst zu bestimmen. Das ist nicht der Fall, wenn sie tiefer attackiert.

Gisdol: "Das stimmt, das suggeriert den Spielern, heute sind wir passiver. Aber das täuscht. Denn für mich ändert das überhaupt nichts an der Aggressivität oder der Art, wie wir den Ball erobern wollen."

kicker: Man läuft halt länger dem Gegner hinterher.

Gisdol: "Man muss dem Gegner nicht hinterherlaufen, sondern fängt nur an einer anderen Stelle an, ihn zu jagen. Das wird genauso vorbereitet, mit einer oder zwei Spitzen. Und dann kann man genauso aggressiv attackieren, vielleicht sogar erst in der eigenen Hälfte. Wenn dann ein Gegner in diese Zone spielt, ist er selber schuld. Aber es ist normal, dass sich eine Mannschaft leichter tut, wenn alle Fesseln abgelegt werden und sie voll draufgeht. Das aber auch in anderen Angriffshöhen zu perfektionieren, ist wieder der nächste Entwicklungsschritt."

kicker: Erklärtes Ziel war es, stets das Grundniveau sukzessive zu steigern. Schlägt sich das dann zwangsläufig in einer noch höheren Punktausbeute nieder?

Gisdol: "Das hoffe ich. Das ist ja unser Ziel. Wir wollen das Grundniveau soweit anheben, dass wir in der Lage sind, selbst an einem schlechten Tag noch ein Bundesligaspiel zu gewinnen. Das ist ein weiter Weg, für den noch einige Schritte nötig sind. Und so ist das auch mit unserer Kaderqualität. Wir müssen bei der Team-Planung versuchen, dass wir mit den ersten 16 oder 18 Spielern immer einen Tick besser werden."

kicker: Hat sich jemand besonders aufgedrängt in Johannesburg?

Gisdol: "Die Mannschaft hat ein Gesamtlob verdient. Es ist für uns nicht im Ansatz nötig gewesen, das Team aufzufordern oder anzuschieben. Sie haben einen sehr guten Eigenantrieb und tolle Charaktere. Es ist sehr angenehm für uns Trainer und wir sind froh, die Mannschaft so zusammenzuhaben."

kicker: Der hohe Konkurrenzdruck erzeugt auch Härtefälle wie zuletzt Sebastian Rudy, der als Nationalspieler auf der Bank saß. Wird das künftig ein Problem?

Gisdol: "Ich sehe ihn nicht als Härtefall, er war über die gesamte Vorrunde ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft, sicher mal auf einer anderen Position – als Außenverteidiger statt im Mittelfeld - oder auch mal als Einwechselspieler. Aber man muss sich ganz klar bewusst werden, dass man heutzutage nur noch Erfolg haben kann, wenn man 16 bis 18 klasse Spieler hat. Dabei müssen gleichzeitig alle ihre Position im Team annehmen. Ob sie gerade auf dem Platz sind oder nicht. Das ist ein zentrales Thema, und dafür haben wir Spieler mit Charakter, die damit gut umgehen können."

Da sehe ich durchaus Spieler, die das Zeug haben, irgendwann bei uns Fuß zu fassen.

Markus Gisdol über die nachkommenden Talente

kicker: Wie sind Sie mit den jungen Spielern in Südafrika zufrieden. Kann da der eine oder andere mittelfristig bei den Profis helfen?

Gisdol: "Da sehe ich durchaus Spieler, die das Zeug haben, irgendwann bei uns Fuß zu fassen. Aber man darf nicht vergessen, dass das zum Teil noch A-Jugendspieler sind. Man sieht, das könnte passen, aber man kann jetzt auf keinen Fall sagen, der oder der schafft es hundertprozentig. Mal sehen, was die nächste Zeit bringt. Einem 19-Jährigen kann man durchaus mal zwei Jahre geben, mit 21 ist er dann immer noch ein blutjunger Spieler."

kicker: Das wird schwierig, sollten Firmino und Volland irgendwann gehen.

Gisdol: "Darüber mache ich mir keine Gedanken."

"Gegen Frankfurt das war ein extrem emotionales Tor kurz vor Schluss. Da hätte ich auch das Trikot ausgezogen": Markus Gisdol über Firminos Torjubel.

"Gegen Frankfurt das war ein extrem emotionales Tor kurz vor Schluss. Da hätte ich auch das Trikot ausgezogen": Markus Gisdol über Firminos Torjubel. Imago

kicker: Bis wann wollen sie da Klarheit haben für die Planungen?

Gisdol: "Es besteht doch Klarheit. Beide haben Vertrag bis 2017. Jetzt sind wir wieder an dem Punkt wie vergangenes Jahr. Da hieß es auch, beide sind im Sommer sicher weg. Sie sind aber immer noch da."

kicker: Firmino hat sich zuletzt mehrfach Gelb bei Torjubel abgeholt. Müssen Sie ihn da bremsen?

Gisdol: "Gegen Frankfurt das war ein extrem emotionales Tor kurz vor Schluss. Da hätte ich auch das Trikot ausgezogen, wenn ich Spieler gewesen wäre. Das kann ich nachvollziehen."

kicker: Also darf er sich weiter Verwarnungen abholen?

Gisdol: "Nein, das darf er nicht, weil das jedesmal Gelb nach sich zieht. Aber Roberto weiß schon selbst, wann es angebracht ist und wann nicht. Da gibt es keine Anweisungen. In diesen Momenten ist ein Spieler nach Toren so voller Adrenalin und Freude, dass er gar nicht weiß, was er macht."

Michael Pfeifer