WM

Künstler Kroos und die einfachen Wahrheiten

Noch-Bayern-Profi überragt gegen Brasilien

Künstler Kroos und die einfachen Wahrheiten

Kompliziertes einfach aussehen lassen - das gelang Toni Kroos gegen Brasilien in Perfektion.

Kompliziertes einfach aussehen lassen - das gelang Toni Kroos gegen Brasilien in Perfektion. Getty Images

Im Fußball wird geköpft und geschossen, seine Sprache ist militärisch-martialisch. Folter, Hackfleisch, Blitzkrieg - diese Worte fielen der internationalen Presse nach Deutschlands 7:1-Sieg gegen Brasilien im WM-Halbfinale ein. Und mittendrin bei diesem "Massaker auf Weltniveau" (AS) war Toni Kroos, der Oberschlächter, zu dem derlei Begriffe aber so gar nicht passen wollen.

Kroos ist Künstler, er malt mit Außenrist- und Doppelpässen, mit Flankenwechseln und Volleyschüssen. Mit Worten malt er nicht. "Meine Leistung war nicht so schlecht", zuckte er am Dienstagabend in Belo Horizonte mit den Schultern. "Ich habe aber auch schon andere gute Spiele gemacht."

Spielersteckbrief Kroos
Kroos

Kroos Toni

84 Ballkontakte, 93 Prozent Passquote

Nur: Wie Kroos in seinem 50. Länderspiel Angriffe einleitete, Bälle forderte, Fehler ausnutzte, Tore schoss, das war nicht "gut", das war genial. An seine 84 Ballkontakte kam keiner der 28 eingesetzten Spieler heran, 93 Prozent seiner 71 Pässe erreichten den Mitspieler. 70 Sekunden lagen zwischen seinem ersten Treffer mit links (24.) und seinem zweiten mit rechts (26.). Da hatte er seine vierte Turniervorlage (Ecke vorm 1:0, 11.) und einen einleitenden Steilpass (vor dem 2:0, 23.) schon hinter sich. "Der Toni", sagte Miroslav Klose, "bringt den Ball jedes Mal dahin, wo er hin muss."

Kroos ließ Kompliziertes einfach aussehen, lässig gar. Nicht immer ist ihm das in der Vergangenheit gelungen - warum gegen Brasilien nun auf diese magische Weise? Vielleicht, weil die Gastgeber durchgehend viel zu weit weg von ihren Gegenspielern standen und wild verteidigten. Vielleicht, weil sein kolportierter Wechsel zu Real Madrid perfekt ist. Oder eben, "weil ich gut drauf und fit bin". Kroos mag's auch in Interviews unkompliziert.

Weltmeister ist noch niemand im Halbfinale geworden.

Toni Kroos

Dass ihm, der nun mal viel lieber nach vorne als nach hinten arbeitet, bei dieser WM im Mittelfeld gleich zwei Nebenleute zur Seite gestellt werden, hat er Joachim Löw zu verdanken. "Er ist immer anspielbar", sagt der Bundestrainer. "Die Dinge, die er macht, haben Hand und Fuß. Unser Mittelfeld ist bei dieser WM immer sehr dominant. Und Toni Kroos hat dazu einen großen Teil beigetragen."

Analyse

Neben Mats Hummels und Thomas Müller hat kein Nationalspieler bei dieser WM sein Standing derart erhöht wie er. 2010 und 2012 war Kroos jeweils nur Einwechselspieler. Seinen zuvor einzigen Startelf-Einsatz bei einem großen Turnier hatte er im EM-Halbfinale gegen Italien (1:2) erlebt, die massive Kritik hinterher entlud sich ganz besonders an seiner Nominierung. Doch seitdem, so Löw heute, gebe er dem Team "wahnsinnig viele Impulse".

Zum Beispiel den, jetzt nicht abzuheben. "Weltmeister ist noch niemand im Halbfinale geworden", sprach Kroos, "wir sind hier, um Weltmeister zu werden, das sind wir noch nicht." So einfach, so wahr. Auch in Madrid ist Kroos noch nicht, seine nahe Zukunftsplanung werde er - wie gesagt - nach der WM bekanntgeben, es sei "viel Quatsch" geschrieben worden. Eingeleitet hatte Kroos diese Ausführungen mit einem "ach ja".