Bundesliga

"Ich will eine Handschrift sehen"

Bayern: Interview mit Christian Nerlinger

"Ich will eine Handschrift sehen"

Mann mit Weitblick: der künftige Bayern-Sportdirektor Christian Nerlinger.

Mann mit Weitblick: der künftige Bayern-Sportdirektor Christian Nerlinger. imago

Herr Nerlinger, Glückwunsch zum ersten großen Coup als Sportdirektor, dem Gomez-Transfer.

Christian Nerlinger: Lassen wir dahingestellt, wie sehr ich beteiligt war. Aber ich habe große Hochachtung vor Mario Gomez, er passt charakterlich und sportlich zu uns. Auf beide Merkmale werden wir in Zukunft sehr viel Wert legen.

Was heißt das für Luca Toni?

Nerlinger: Der Konkurrenzkampf ist erhöht, klar.

Darf Toni gehen?

Nerlinger: Er hat einen Vertrag, das wird man sehen.

Wenn man aber meint, Bayern revolutionieren zu müssen, ist man auf dem falschen Weg.

Und jetzt muss noch Manuel Neuer als Torwart her?

Nerlinger: Das ist offen. Wir stecken voll in der Personalplanung und haben keinen Druck. Butt hielt zuletzt hervorragend, Rensing machte eine schwierige Saison durch. Aber wir diskutieren natürlich die Position des Torwarts.

Am 1. Juli fangen Sie als Sportdirektor an. Was ist der Unterschied zum Teammanager?

Nerlinger: In der neuen Position habe ich viel mehr Verantwortung. Ich bin für die Lizenzspieler, Jugend und Scoutingabteilung zuständig, kann mitgestalten und mitentscheiden. Teammanager war eine organisatorische Tätigkeit.

Wie sieht Ihr Konzept als Sportdirektor aus?

Nerlinger: Konzept ist ein hochgestochener Begriff. Unsere Gesellschaft lebt stark von der Außendarstellung, ich aber will intern fleißig, akribisch und authentisch arbeiten und ein starker, unabhängiger Partner sein, der kontrovers mitdiskutiert. Das will Uli Hoeneß. Ich habe meine Vorstellungen, gerade bei Spielertransfers. Wenn man aber meint, Bayern revolutionieren zu müssen, ist man auf dem falschen Weg.

Wie sieht der Profiklub der Zukunft aus?

Nerlinger: Im Sportlichen besteht die Gefahr, dass man sich zu sehr von den elementaren Dingen entfernt: Die Spieler technisch, taktisch und körperlich fit zu machen. Eine Mannschaft braucht gute Charaktere, Disziplin. Wir werden klare Ansagen haben, dafür steht Louis van Gaal, der Mitbegründer der Ajax-Schule, Jose Mourinho war sein Co-Trainer.

Was werden Sie zuallererst durchsetzen oder ändern?

Nerlinger: Zuviel zu ändern ist nicht nötig, schon unter Jupp Heynckes trat ein sehr positiver Effekt ein, unter van Gaal, hoffe ich, werden die elementaren Dinge umgesetzt. Wir haben einen Trainer ausgewählt, der die Spieler weiterentwickeln kann und der Mannschaft taktisch ein Gesicht gibt, auch personell.

Welchen Fußball wollen Sie?

Nerlinger: Einen Fußball mit Handschrift. Wir möchten, dass die Mannschaft auf dem Platz zeigt, dass mit ihr etwas erarbeitet wurde. Jeder einzelne Spieler soll sich nach drei, vier Monaten mit diesem Trainer weiterentwickelt haben.

Für welche Fußball-Philosophie stehen Sie?

Nerlinger: Ich möchte eine Handschrift des Trainers sehen. Wir müssen defensiv und offensiv organisiert sein. Ich habe mich sehr für van Gaal ausgesprochen, weil ich mir einen starken Trainer mit viel Erfahrung wünsche.

Welches System spielt er?

Nerlinger: Das macht er vom Kader abhängig; aber ich glaube, zwei Stürmer bieten sich an.

Kommt Hleb noch?

Nerlinger: Wir diskutieren viel. Wir werden ein starke Truppe haben.

Der zweite Platz ist also zu korrigieren?

Nerlinger: Ja. Wenn Bayern funktioniert, muss der Titel das Ziel sein.

Also hat er vorige Saison nicht funktioniert?

Nerlinger: Nicht so, wie wir es uns gewünscht haben.

Louis van Gaal wird keine Rücksicht auf Namen nehmen.

Wie ist van Gaal als Typ?

Nerlinger: Sehr geradeheraus, er wird seine Linie durchziehen und keine Rücksicht auf Namen nehmen. Wichtig ist ihm der Begriff Mannschaft: In allen großen Mannschaften weiß jeder, was er zu tun hat.

Werden Sie - wie bisher Uli Hoeneß - auf der Bank sitzen?

Nerlinger: Es ist ratsam, wenn man eng am Trainer sein will. Aber das werde ich erst mit ihm besprechen.

Wie wird Ihr Führungsstil aussehen?

Nerlinger: Ich werde auch unangenehme Wahrheiten aussprechen, ehrlich und kommunikativ sein.

Können Sie auch harte Entscheidungen treffen?

Nerlinger: Vor der Kamera flippe ich sicher nicht aus. Und ich trete keine Kabinentüren ein. Ich werde sauber mit allen umgehen, ich bin der sachliche Typ, der dem Spieler die Wahrheit ins Gesicht sagt.

Raten Sie Rensing zu gehen?

Nerlinger: Es ist zu früh, das zu entscheiden, seine Zukunft ist offen. Wir haben kein Problem, mit ihm und Butt in die Saison zu gehen.

Sie sind jung. Fürchten Sie Autoritätsprobleme?

Nerlinger: Nein. Ich werde mich behaupten. Außerdem ist es unangebracht, mich als den Erben oder Nachfolger von Uli Hoeneß zu bezeichnen. Der FC Bayern ohne Hoeneß ist nicht denkbar.

Hatten Sie seit Klinsmanns Entlassung Kontakt zu ihm?

Nerlinger: Nein.

Wäre Bayern Meister, wenn Heynckes früher gekommen wäre?

Nerlinger: Das kann man so nicht sagen. Seine Mission ist geglückt.

Hoeneß bezeichnete sich als Abteilung Attacke. Wie Sie sich?

Nerlinger: Darüber reden wir in 30 Jahren. Ich werde bedingungslos kämpfen für diesen Verein.

Interview: Karlheinz Wild