Bundesliga

Dr. Felix Brych beim "Runden Tisch": "Wir wollen nicht zerrissen werden"

Für diese Unsportlichkeit gibt es künftig Gelb

Brych: "Wir wollen nicht zerrissen werden"

Dr. Felix Brych beim "Runden Tisch" zusammen mit Matthias Lehmann.

Dr. Felix Brych beim "Runden Tisch" zusammen mit Matthias Lehmann. Getty Images

Als die Veranstaltung am Mittwochnachmittag endete, blickte man in zufriedene Gesichter. HSV-Sportdirektor Jens Todt meinte: "Das war eine richtig gute Sache, weil man sonst oft nur miteinander redet, wenn alle Parteien einen Puls von 180 haben. Es ist sehr viel angenehmer, wenn man das mal in einer Atmosphäre bei einem Kaffee tut, dann kann man deutlich mehr Verständnis füreinander entwickeln. Es war sehr konstruktiv, wir haben in vielen Punkten einen guten Konsens gefunden." Auch Kölns Coach Peter Stöger, der schon in den vergangenen Jahren an "Runden Tischen" teilnahm, zeigte sich zufrieden. "Es ging viel um die Zusammenarbeit, die Kommunikation, den Austausch. Es ist wichtig, dass man alle Gruppierungen zusammenführt und ein Gefühl dafür bekommt, was jeweils für die Schiedsrichter, die Spieler und die Trainer wichtig ist. Ich finde das richtig gut, es waren spannende Dinge dabei", sagte Stöger. Insgesamt habe er "das Gefühl, dass man mehr und mehr Verständnis für alle Seiten aufbringen kann".

Bessere Umgangsformen erwünscht

Bessere Umgangsformen erhofft sich nicht zuletzt Brych. "Wir haben den Wunsch geäußert, dass nicht immer alles gleich in die Öffentlichkeit getragen, sondern vielleicht auch mal in der Schiedsrichterkabine besprochen wird, da kann man sich besser austauschen. Wir wollen auch als Sportler gesehen werden, die dem Fehlerpotenzial eines jeden Menschen unterliegen. Das können wir nicht abschalten. Entsprechend möchten wir behandelt werden, wir wollen nicht immer gleich in der Öffentlichkeit zerrissen werden", bekräftigte der FIFA-Schiedsrichter.

Zur Sprache kam natürlich auch der Videobeweis – für den es in der Liga einen breiten Konsens gibt. Zur Veranschaulichung wurden am Mittwoch einige Szenen gezeigt und erörtert. Stöger erklärt zuversichtlich: "Man muss keine Angst haben, dass permanent unterbrochen wird. Es geht um einige ganz wenige klare Situationen, die man korrigieren kann. Es wird gewiss besser laufen als beim Confed-Cup, da kann man den Leuten schon vertrauen. Es wird sicher 100-prozentig gut funktionieren."

Künftig Gelb für Forderung nach Videobeweis

Apropos Confed-Cup: Es hatte nicht lange gedauert, bis sich bei vielen Spielern die Unsitte eingeschlichen hatte, den Referee mit einer eindeutigen Geste zum Heranziehen des Videobeweises aufzufordern. Dies soll in der Bundesliga von Anfang an klar unterbunden werden. "Dieses Fernsehzeichen ist eine Unsportlichkeit und wird mit einer Gelben Karte geahndet", betont Brych. Die Einführung des Videobeweises sieht er überaus positiv: "Wir haben das ein Jahr lang offline getestet, sind optimistisch und haben ein gutes Gefühl. Das Spiel ist so schnell, schwierig und komplex geworden, dass wir jede Hilfe gebrauchen können. Wir freuen uns darauf."

Ein anderer wichtiger Punkt, der in den Schulungen, die während der Vorbereitung bei den Klubs durchgeführt werden, zur Sprache kommen wird, betrifft das Verhalten, wenn ein Mann auf dem Rasen liegt. Dass Spieler den Ball nicht ins Aus spielen sollen, wenn ein Gegner verletzt am Boden liegt, ist nichts Neues. Es ist längst beschlossene Sache, dass dem Schiedsrichter die Entscheidung obliegt, die Partie zu unterbrechen. In der Praxis war es dennoch so, dass der Ball oft ins Aus gespielt wurde – als Geste des Fairplay. Künftig sollen die Spieler dies jedoch konsequent unterlassen. Brych: "Wir haben besprochen, dass die Mannschaften den Ball nicht mehr ins Aus zu spielen brauchen, wenn da ein verletzter Spieler liegt. Das entscheiden wir, im Zweifel lassen wir das Spiel sogar laufen. Wenn wir merken, dass es eine schlimmere Verletzung ist, unterbrechen wir."

Der Hintergrund ist, dass auf diese Weise Schauspieleinlagen vermeintlich verletzter Akteure minimiert werden sollen. Spieler, Trainer und Fans mussten sich schon zu oft über Profis ärgern, die sich mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden wälzten, in der nächsten Sekunde aber wieder quicklebendig über den Platz flitzten.

Nachspielzeit wird verlängert

Eine Neuerung ist, dass die Spiele im Schnitt etwas länger dauern sollen. So kündigte Brych an, dass die Nachspielzeit eher mal um eine Minute verlängert wird. An der Kürze der Nachspielzeit hatte sich immer mal wieder Kritik entzündet. Auch wurde der Wunsch an die Schiedsrichter herangetragen, Schwalben außerhalb des Sechzehners konsequenter mit einer Gelben Karte zu bestrafen. "Wenn wir das klar erkennen können, sollten wir durchgreifen, aber das ist immer Frage der Wahrnehmung", sagt Brych.

Bleibt die Frage, was "Runde Tische" am Ende tatsächlich bringen, wenn im Bundesliga-Alltag die Emotionen hochkochen. Ist dann alles vergessen? Folgen auf freundliche Worte Schimpftiraden? Brych konstatiert: "Es bringt schon etwas, die Kommunikation und der Kontakt über Jahre sind sehr wichtig. Wenn man Menschen mit der Zeit besser kennenlernt, wächst die Hemmschwelle der Kritik. Als Schiedsrichter, der schon länger dabei ist, merke ich das schon – man kommt eher ins Gespräch. Als junger Schiedsrichter muss man sich erst mal durchbeißen."

Julian Franzke