Bundesliga

"Wenn man Atletico nach Deutschland beamen würde"

Kritik: Was Kovac von den Schiedsrichtern fordert

"Wenn man Atletico nach Deutschland beamen würde..."

Will sich in Sachen Zweikampfführung an der Königsklasse orientieren: Frankfurts Trainer Niko Kovac.

Will sich in Sachen Zweikampfführung an der Königsklasse orientieren: Frankfurts Trainer Niko Kovac. imago

In der Fairplay-Tabelle steht Eintracht Frankfurt mit 56 Gelben, vier Roten Karten und einer Gelb-Roten Karte abgeschlagen auf dem letzten Platz. Kovac vertritt die Meinung, dass diese Vielzahl an Karten nicht berechtigt ist. "Von den Karten ziehe ich sicherlich 30 Prozent ab, in England kommen wir wahrscheinlich mit 70 Prozent weniger Karten aus", sagt der Fußballlehrer.

Die sogenannte Fallsucht, die teilweise in der Bundesliga grassiert, ist ihm ein Dorn im Auge: "Wir sind eine Mannschaft, die nicht unbedingt schnell fällt, zu meinem Bedauern manchmal. Wenn ich sehe, wie schnell die anderen fallen, dann frage ich mich, warum meine Spieler nicht fallen. Aber wir bleiben dabei."

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Der Vergleich Meier-Lezcano öffnet Kovac die Augen

Als Beispiel führt Kovac Alex Meier und Dario Lezcano vom letzten Gegner FC Ingolstadt an. Er nennt die Namen der zwei Stürmer zwar bewusst nicht, aber es besteht kein Zweifel daran, dass er sie meint, wenn er sagt: "Ich habe eine Statistik bekommen, laut der ein Stürmer von uns in 1300 Minuten siebenmal gefoult wurde, während ein Ingolstädter Stürmer in dieser Zeit 72-mal gefoult wurde. Das muss man in Relation setzen."

Ein kurzer Blick in die Datenbank reicht, um festzustellen, dass es sich dabei definitiv um Meier und Lezcano handelt. Die aktuellen Zahlen nach dem Spiel weisen acht Fouls an Meier und 76 Vergehen an Lezcano aus. Auch wenn man berücksichtigt, dass Lezcano in 1364 Spielminuten insgesamt 350 Zweikämpfe bestritt, und damit mehr als doppelt so viele wie Meier (166 Zweikämpfe in 1355 Minuten), bleibt die Diskrepanz gewaltig.

Ein Grund ist sicherlich, dass der fast zwei Meter große Top-Athlet Meier bei kleineren Kontakten nicht so schnell zu Boden geht wie der nur 1,78 Meter große Lezcano. Kovac moniert: "In der Bundesliga wird sehr kleinlich gepfiffen, nicht jeder Kontakt ist ein Foul."

Der Coach glaubt zudem, dass die Spieler viel weniger lamentieren würden, wenn Schiedsrichter grundsätzlich nach internationalem Maßstab pfeifen würden. Dahinter steckt der Gedanke, dass sich bei den Profis Frust aufstaut, wenn manche Kleinigkeiten abgepfiffen werden, andere aber nicht. "Wenn die kleinen Sachen, die nichts sind, nicht gepfiffen werden, weiß jeder genau, woran er ist. Dann kommt es auch nicht so zu Meckereien", behauptet Kovac. "Man muss nur nach England schauen, da wird nicht diskutiert."

Man muss sich nicht an England orientieren, sondern an Länderspielen, der Champions League und Europa League. Das ist für mich der Maßstab

Niko Kovac

Anders als in der Bundesliga wüssten die Spieler dort genau, wo die Grenze zum Unerlaubten liegt. Der Trainer sagt aber auch: "Man muss sich nicht an England orientieren, sondern an Länderspielen, der Champions League und Europa League. Das ist für mich der Maßstab."

Als Beispiel führt er Atletico Madrid an, das für seine resolute Zweikampführung bekannt und geachtet ist. In launigen Worten schildert Kovac: "Wenn man Atletico Madrid nach Deutschland beamen würde, dann würden alle die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sagen, was ist denn da los - angefangen vom Trainer, der da draußen Randale macht, und dann natürlich auch die Spieler. Aber das ist internationale Zweikampfführung." Der Trainer schert indes nicht alle deutschen Schiedsrichter über einen Kamm, er differenziert. "Es gibt international sehr gute Schiedsrichter, die in Deutschland pfeifen und auch in der Bundesliga sehr viel mehr laufen lassen."

Ungerechtigkeiten waren für mich als Spieler das Schlimmste, da habe ich mich hochgeschaukelt. Du brauchst Feuer im Spiel, du musst kochen.

Niko Kovac

Die Emotionen seiner Spieler, das ist ihm wichtig, will er auf keinen Fall unterbinden. Kovac meint gar: "Wir haben eine zu brave Mannschaft. Haben sie schon mal einen meiner Spieler erlebt, der einen Gegner am Schlafittchen gepackt hat? Okay, Huszti das eine Mal. Ansonsten? Natürlich ist das in der Bundesliga auch nicht mehr erlaubt. Und ich animiere meine Spieler nicht, dass sie jemanden umtreten oder grob foulen - um Gottes Willen. Aber ich brauche Typen, die sich ärgern, aufregen und nicht alles hinnehmen. Ungerechtigkeiten waren für mich als Spieler das Schlimmste, da habe ich mich hochgeschaukelt. Du brauchst Feuer im Spiel, du musst kochen."

Julian Franzke