Bundesliga

Todt: "1994 hatte uns niemand mehr auf der Rechnung"

Ex-Profi des SC Freiburg über das Derby gegen den VfB

Todt: "1994 hatte uns niemand mehr auf der Rechnung"

Ringt gegen Stuttgarts Guido Buchwald (li.) um den Ball: Jens Todt im Jahr 1994.

Ringt gegen Stuttgarts Guido Buchwald (li.) um den Ball: Jens Todt im Jahr 1994. imago

kicker: Herr Todt, erinnern Sie sich noch an Ihr allererstes Derby mit Freiburg gegen Stuttgart?

Jens Todt: Ich kann mich an ein 4:0 in Stuttgart erinnern.

kicker: Volltreffer. In der Saison 1993/94 startete Freiburg mit diesem Sieg eine Aufholjagd im Abstiegskampf. Niemand hatte den SC mehr auf der Rechnung.

Todt: Genau. Alle hatten uns abgeschrieben. Es war ein extrem heißer Tag damals in Stuttgart, und dann haben wir dort etwas gerissen, ein sehr gutes Spiel gemacht. Das war die Initialzündung, der Knalleffekt für den Endspurt, in dem wir noch die Kurve für den Klassenerhalt bekommen haben. Dieses Spiel hat uns gezeigt: Wir können es ja doch, da geht noch etwas.

kicker: Wie ist es zu erklären, dass ausgerechnet in Stuttgart, das noch um den UEFA-Cup-Einzug spielte, der Befreiungsschlag gelang?

Todt: Wir hatten eine sehr gute Grundorganisation auf dem Platz, die es auch schon vorher gab. Als Aufsteiger mussten wir jedoch oft Lehrgeld zahlen. Wir haben gut gespielt, wurden viel gelobt, verloren am Ende gegen cleverere Mannschaften aber oft 0:1 oder 1:2. Im Saisonverlauf setzte ein Lerneffekt ein, und als uns wirklich niemand mehr auf der Rechnung hatte, haben wir uns nochmal gestrafft. Wenn man auf die individuelle Qualität in unserem Kader schaut, waren wir den meisten Gegnern total unterlegen. Aber wir wussten, dass wir als Gruppe einen guten Plan auf dem Platz hatten und es darüber auch gehen kann. Außerdem war die Stimmung in der Truppe toll, der Zusammenhalt riesengroß. Vor dem Spiel in Stuttgart spürten wir alle, dass dieses Derby etwas Besonderes ist, schließlich ist auch die Rivalität zwischen den Fans groß. Die Summe daraus führte dazu, dass wir so eine tolle Leistung gezeigt haben.

Wenn sich Badener und Schwaben ein bisschen foppen, hat das nichts mit Aggressivität zu tun.

Todt über die Rivalität zwischen Baden und Schwaben

kicker: War die Rivalität damals schon genauso groß?

Todt: Absolut. Das liegt an der grundsätzlichen Rivalität zwischen Baden und Schwaben. Das geht über den Fußball hinaus, findet oft aber augenzwinkernd statt. Wenn sich Badener und Schwaben ein bisschen foppen, hat das nichts mit Aggressivität zu tun. Diese Rivalität, die es schon seit Jahrhunderten gibt, hat sich auf den Fußball übertragen.

kicker: Für Freiburg liefen Sie in fünf Derbys auf. Mit drei Siegen fällt die Bilanz positiv aus. Zweimal trugen Sie sich sogar in die Torschützenliste ein, am 26. November 1994 bei einem 2:0-Sieg und beim 2:1 am 24. November 1996. Was war ausschlaggebend?

Todt: 1994/95 hatten wir mit dem dritten Platz am Ende sowieso eine sehr gute Saison. Wir haben gespürt, dass die Fans einen Sieg gegen Stuttgart immer als etwas sehr Spezielles wahrgenommen haben, was ein paar Prozent extra aus uns heraus kitzelte. Jeder Spieler merkt, dass ein Derby etwas Besonderes ist, egal woher er kommt. Das hat man am vergangenen Wochenende auch beim Nordderby zwischen Werder Bremen und dem HSV gesehen, ein sehr intensives Spiel.

Die Leistung, heutzutage als SC Freiburg den Klassenerhalt zu schaffen, ist höher einzuschätzen als damals.

Jens Todt

kicker: An der Rollenverteilung hat sich bis heute nicht viel verändert, Freiburg ist in der Bundesliga immer noch der Underdog. Erkennen Sie Parallelen zu Ihrer Zeit früher?

Todt: An der Ausgangslage hat sich nicht so viel verändert. Es ist für Freiburg heute aber noch erheblich schwieriger, eine gute Rolle in der Bundesliga zu spielen und die Klasse zu halten. Wenn die Gehälter beim FC Bayern damals vielleicht um den Faktor fünf höher waren, so sind sie es heute mindestens um den Faktor zehn. Die Leistung, heutzutage als SC Freiburg den Klassenerhalt zu schaffen, ist höher einzuschätzen als damals.

kicker: Als Sie zwischen 1999 und 2003 beim VfB Stuttgart unter Vertrag standen, liefen Sie in keinem der Derbys auf. Woran lag das?

Todt: Das war meine letzte Station als Spieler. Ehrlicherweise muss man sagen, dass ich relativ viel verletzt war und speziell in den letzten beiden Jahren meiner Karriere nicht mehr so viel gespielt habe.

kicker: Mit welchen Gefühlen haben Sie die Derbys gegen Ihren Ex-Klub verfolgt?

Todt: Bei allem, was ich nach meiner Zeit in Freiburg gemacht habe, hatte ich für den Verein immer Sympathien. Natürlich war ich froh, wenn wir das Derby gewonnen haben. An der Grundsympathie für den SC hat das aber nichts geändert.

Im Schwarzwald-Stadion bin ich eher selten.

Jens Todt
Trainingslager des VfB Stuttgart 1999: Jens Todt (li.) und Martin Spanring.

Trainingslager des VfB Stuttgart 1999: Jens Todt (li.) und Martin Spanring. imago

kicker: Glühen noch Drähte zu den früheren Kameraden?

Todt: Martin Spanring ist ein enger Freund von mir, ich habe außerdem Kontakt zu Jörg Schmadtke, dem Teamkoordinator Torsten Bauer, natürlich kenne auch ich die Verantwortlichen Jochen Saier, Klemens Hartenbach und Fritz Keller. Es gibt immer mal wieder Berührungspunkte, ich bin gerne in Freiburg und freue mich, wenn ich frühere Kollegen wiedersehe. Im Schwarzwald-Stadion bin ich allerdings eher selten.

kicker: Wem drücken Sie vor dem Duell am Samstag die Daumen?

Todt: Ich trage heute Verantwortung beim KSC, damit habe ich genug zu tun (lacht). Ich wünsche beiden Vereinen, dass sie es schaffen und verteile an diesem Spieltag keine Sympathien.

kicker: Was spricht dafür, dass es beide Klubs packen?

Todt: Der SC Freiburg hat wie in jedem Jahr das Frühjahrshoch, sie haben nach der schwierigen ersten Saisonhälfte wahnsinnig gut die Kurve bekommen und in den vergangenen Wochen richtig gepunktet. Das freut mich total. Und auch beim VfB Stuttgart hat man das Gefühl, dass sie im Aufwind sind. Es dauerte lange, aber die Mannschaft wirkt jetzt stabiler. Die Grundqualität im Kader des VfB ist relativ hoch, daher glaube ich, dass sie die Liga halten.

kicker: An Huub Stevens festzuhalten war also richtig?

Todt: Ja, das ist ein erfahrener Mann, der solche Situationen schon mehrfach erlebt hat. So schnell lässt er sich durch nichts aus der Ruhe bringen.

Interview: Julian Franzke

Jens Todt als Sportdirektor beim Karlsruher SC.

Jens Todt als Sportdirektor beim Karlsruher SC. imago