Bundesliga

Röber: "Ich bin raus aus der Warteschleife"

Ex-Trainer im Interview über Karriere und Leben

Röber: "Ich bin raus aus der Warteschleife"

Jürgen Röber in seiner Zeit als Hertha-Coach, hier mit Rob Maas (li.) und Dick van Burik (re.).

Jürgen Röber in seiner Zeit als Hertha-Coach, hier mit Rob Maas (li.) und Dick van Burik (re.). picture alliance

Zentraler geht es nicht, aber Röber wirkt entspannt. Er war fast vier Jahrzehnte im Hamsterrad Profi-Fußball: 303 Bundesliga-Spiele (75 Tore) als Profi für Werder Bremen, den FC Bayern München und Bayer Leverkusen, nach dem Ende der Laufbahn als Aktiver bei Rot-Weiß Essen wechselte er 1991 nahtlos ins Trainer-Business. Fünf Stationen im Inland, drei im Ausland - 2011 verkündete Röber sein Karriere-Ende als Coach. Am Samstag treffen im Berliner Olympiastadion mit Hertha BSC und Borussia Dortmund zwei seiner Ex-Klubs aufeinander.

kicker: Mit Berlin, Dortmund, Stuttgart und Bremen rangieren vier Vereine, bei denen Sie als Spieler oder Trainer gearbeitet haben, im Keller der Liga. Haben Sie überhaupt genügend Hände fürs Daumendrücken, Herr Röber? Jürgen Röber: Emotional bin ich natürlich den Klubs am engsten verbunden, bei denen ich am längsten war: Werder Bremen und Hertha BSC. Bei Werder sitzt mit Hans Schulz mein bester Freund im Aufsichtsrat, in Berlin wohne ich und hatte als Trainer sechs tolle Jahre.

Bundesliga - 15. Spieltag
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Trainersteckbrief Röber
Röber

Röber Jürgen

Hertha BSC - Vereinsdaten
Hertha BSC

Gründungsdatum

25.07.1892

Vereinsfarben

Blau-Weiß

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Borussia Dortmund - Vereinsdaten
Borussia Dortmund

Gründungsdatum

19.12.1909

Vereinsfarben

Schwarz-Gelb

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kicker: Wer aus dem Quartett steigt ab? Röber: Ich hoffe, dass keiner der vier absteigt. Die Liga ist so eng, da genügen zwei Siege, um sich vier, fünf Plätze nach vorn zu schieben. Dortmund wird sich von dort unten schnell verabschieden. Ich traue Borussia sogar immer noch zu, mit einer Super-Serie noch die Champions-League-Qualifikation zu erreichen. Für die anderen drei wird es schwerer.

Vorschau

kicker: Gewinnt Dortmund am Samstag in Berlin? Röber: Der BVB scheiterte über Wochen an seiner schlechten Chancenverwertung und an den individuellen Fehlern in der Defensive. So ein Sieg wie gegen Hoffenheim kann Blockaden lösen - unabhängig von dem späten Gegentor am Dienstag gegen Anderlecht. Es wird für Hertha sehr, sehr schwer am Samstag.

Auf dem Platz fehlt mir im Mittelfeld ein Lenker. Hosogai ist es nicht, Skjelbred - bei allem Fleiß - auch nicht.

Jürgen Röber

kicker: Vor einem Jahr sagten Sie, Jos Luhukay sei "ein guter Trainer mit einem klaren Plan". Verzettelt er sich gerade etwas? Röber: Um das zu beurteilen, bin ich nicht nah genug dran. Grundsätzlich halte ich Luhukay immer noch für einen sehr guten Trainer. Aber ich denke auch, dass dem Klub mehr Fußball-Kompetenz - in den Gremien - gut tun würde. Auf dem Platz fehlt mir im Mittelfeld ein Lenker. Hosogai ist es nicht, Skjelbred - bei allem Fleiß - auch nicht. Und Ronny, der ein genialer Fußballer ist, hat körperlich offenbar zu kämpfen mit den Anforderungen der Bundesliga. Das ist schade. Denn er hat das Auge und das Füßchen, um eine tragende Rolle zu spielen.

kicker: Wundern Sie sich, dass Stars wie Kalou und Heitinga, die im Sommer mit großen Erwartungen verpflichtet wurden, nur auf der Bank sitzen? Röber: Natürlich ist das auffällig. Aber Jos Luhukay ist ein erfahrener und, wie ich höre, geradliniger Trainer. Er sieht die Jungs jeden Tag im Training. Kein Trainer der Welt lässt einen Profi draußen, von dem er annimmt, dass er die Mannschaft stärker macht.

kicker: Benötigen besondere Profis auch eine besondere Behandlung? Röber: Sicher. Du kannst nicht 25 oder 28 Spieler gleich behandeln. Ich hatte in Berlin Alex Alves und Marcelinho, in Wolfsburg später Andres D’Alessandro. Das waren Spieler für die besonderen Momente. Das waren aber auch Spieler, für die die Mitspieler mehr arbeiten mussten. Das ist immer eine Gratwanderung.

kicker: Wer war Ihr talentiertester Schützling? Röber: Ganz klar Sebastian Deisler. Eine phantastische Schlagtechnik, Übersicht, Schnelligkeit, Intuition - er hatte alles, nur den Körper nicht für den Hochleistungssport. Und als der Körper nicht mehr mitmachte, machte auch die Seele irgendwann nicht mehr mit.

kicker: Sie waren sechs Jahre bei Hertha und zwischen Dezember 2006 und März 2007 vier Monate in Dortmund: War Ihr Engagement beim BVB ein Missverständnis? Röber: Nein. Ich würde diesen Schritt immer wieder gehen. Wir gewannen damals das erste Spiel unter meiner Führung gegen die Bayern mit 3:2, aber am Ende lief es eben anders als erhofft. Der Klub war mit Thomas von Heesen für den Sommer im Grunde schon klar, das hat es nicht einfacher für mich gemacht. Und der Kader, muss ich im Rückblick sagen, gab vielleicht auch nicht mehr her. Von der heutigen Mannschaft sind noch Kehl und Weidenfeller übrig - und Kehl war verletzt zu meiner Zeit.

kicker: 2011 verkündeten Sie, nie mehr als Trainer arbeiten zu wollen. Besteht Rückfall-Gefahr? Röber: Es wird kein Comeback als Trainer geben. Wenn ich lese, dass ich bei irgendwelchen Klubs gehandelt werde, muss ich schmunzeln. Ich bin raus aus der Warteschleife.

Jürgen Röber, Bernd Storck (re.)

Im Gespräch mit dem "Co": Jürgen Röber auf der Dortmunder Bank mit Bernd Storck (re.). imago

kicker: Und erleichtert darüber? Röber: Ich bin raus aus der Tretmühle, das erhöht die Lebensqualität. Ich will im Frühjahr zum zweiten Mal auf den Jakobsweg, ich war während der WM mit der MS Europa vier Wochen unterwegs und habe an Bord die Spiele geschaut und analysiert - mit Hermann Gerland, Marko Rehmer, Mario Basler. Ich war zuletzt in Thailand, in Schottland, in den Dolomiten. Ich bin fast nur unterwegs, spiele viel Golf, habe Shania Twain und Celine Dion im Konzert gesehen und lese gerade Ken Folletts "Kinder der Freiheit". Ich kann heute entscheiden, was ich morgen machen will. Diese Freiheit ist etwas sehr Schönes.

kicker: Aber? Röber: Ich werde nicht mein ganzes Leben Golf spielen oder reisen. Ich bin 60, ich bin fit. Eine Berater- oder Scouting-Tätigkeit für einen Klub kann ich mir vorstellen - womöglich auch eine Rolle als Sportdirektor, wobei ich da schon wieder drin wäre im Hamsterrad. Aus der Türkei gab es zuletzt Interesse in dieser Richtung. Aber vielleicht mache ich auch etwas außerhalb des Fußballs.

kicker: Sie waren Trainer bei Partizan Belgrad, Saturn Ramenskoje und Ankaraspor. Ist auch ein Comeback im Ausland ausgeschlossen? Röber: Als Trainer schon, ja.

kicker: Haben Sie als Trainer einen Klub gehabt oder ausgelassen, von dem Sie heute sagen: Das war ein Fehler? Röber: Es hat alles gepasst, wie es war - bis auf eine Sache vielleicht: In meiner Berliner Zeit hatte ich eine Anfrage aus Hoffenheim. Die waren damals ein No-Name-Klub, mit Hertha hatte ich gerade in der Champions League gespielt. Ich habe der TSG abgesagt, obwohl ich mit Dietmar Hopp, den ich sehr schätze, vermutlich gut zusammengearbeitet hätte.

kicker: Was machen eigentlich Ihre Klavierkünste? Röber: Ich besitze einen Flügel und habe eine sehr gute Klavierlehrerin. Aber da ich fast nur unterwegs bin, kommen wir kaum zum Üben. Zwei, drei Sachen - etwa Bachs Präludium - kriege ich unfallfrei hin. Meine Frau ist ganz angetan. Sie sagt dann meistens: 'Es ist immer noch besser, du sitzt am Klavier, als wenn die ganze Zeit im Fernsehen Fußball läuft.' (lacht)

Steffen Rohr