Wie eine Befreiung
Gemault hat er nie, als er auf der ihm fremden Position aushelfen musste. Dafür ist Galvez einfach zu höflich, als dass er öffentlich aufbegehrt hätte. Verstanden hat er indes nicht, warum der frühere Trainer, der ihn in der Vorbereitung noch als Innenverteidiger eingesetzt hatte, mit dem Saisonstart umdachte und ihn weiter vorn im Mannschafsgefüge platzierte. Der 25-Jährige, ablösefrei von Rayo Valecano in die Hansestadt gewechselt, fügte sich ohne Murren in sein persönliches Schicksal.
Doch den Moment, als Skripnik das Kommando übernahm und für ihn eine andere Verwendung vorsah, hat er wie eine Befreiung empfunden. Seit dem ersten Spiel unter dem Coach im Pokal in Chemnitz und danach auch in den beiden Bundesliga-Partien in Mainz und gegen Stuttgart spielt Galvez in der Innenverteidigung. "Es ist die Position, für die ich gekommen bin", kommentiert er diesen ersehnten Rollentausch. "Da fühle ich mich einfach wohl."
Die Schießbude hat geschlossen
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Galvez macht einen guten Job an der Seite von Sebastian Prödl, mit dem er ein gutes Gespann bildet. "Perfekt", nennt Skripnik dieses Duo. Am Spanier schätzt er diese Vorzüge: "Er hat ein gutes Auge, besitzt ein gutes Stellungsspiel und verfügt natürlich über große Erfahrung, die uns zugutekommt." Seit der Legionär, der den Italiener Luca Caldirola und den Kongolesen Assani Lukimya verdrängt hat, jedenfalls in der Zentrale postiert ist, hat die Schießbude Werder geschlossen: Zweimal spielte der Ab-stiegskandidat zu null, nur einen Treffer kassierte er in Mainz. Zuvor hatten die Norddeutschen 23 Gegentor schlucken müssen. Es ist nachvollziehbar, wenn Galvez diese Stellungnahme abgibt: "In der Innenverteidigung kann ich der Mannschaft am besten helfen."
Kompromisslos im Zweikampf, nah am Mann, stark im Kopfball und souverän, wenn es darum geht, Situationen vor dem Werder-Gehäuse zu erahnen - das sind die Qualitäten, die Galvez einbringen kann. Verbesserungswürdig sind ganz sicher noch sein Aufbauspiel und seine Passgenauigkeit. Doch gefragt sind momentan in erster Linie seine Fähigkeiten im Abwehrverhalten, um die zu Saisonbeginn doch recht poröse Deckung zu stabilisieren.
Galvez: "Das habe ich noch nie erlebt"
Der Südländer, der vor Vallecano, seiner letzten Station auf der iberischen Halbinsel, bei Sporting Gijon einmal drei Trainer in einem Spieljahr erlebt hat, gilt als ein Spezialist im Abstiegskampf. In der Primera Division musste er mit seinen Vereinen immer zittern und um den Klassenerhalt kämpfen. Von daher ist die bedrohliche Situation in Bremen für ihn kein Neuland.
Für Galvez ist durch den Trainerwechsel bei Werder "ein Ruck durch die Mannschaft gegangen", wie er sagt. Als Profi hat er schon viel erlebt und durchgemacht, doch die Geschehnisse an der Weser sind auch für ihn absolutes Neuland. Verblüfft zeigte er sich von der Reaktion der Anhänger nach dem Wechsel von Dutt zu Skripnik vor einigen Tagen: "Ich habe noch nie erlebt, dass 800 Leute zum Training kommen und applaudieren, obwohl wir Letzter waren."
Hans-Günter Klemm