Bundesliga

Etwas mehr Balance und ganz viel Bellarabi

Analyse der Entwicklung von Bayer Leverkusen

Etwas mehr Balance und ganz viel Bellarabi

Überflieger: Leverkusens Karim Bellarabi verkörpert Roger Schmidts Vorstellungen.

Überflieger: Leverkusens Karim Bellarabi verkörpert Roger Schmidts Vorstellungen. picture alliance

Aus Leverkusen berichtet Frank Lußem

Logischerweise verteidigte Trainer Roger Schmidt den von ihm verordneten Vollgas-Fußball. Die Gegentore seien häufig individuellen Fehlern entsprungen und keine Folge der Spielart. Dem hielten Kritiker entgegen, diese Unkonzentriertheit könnte auch damit zusammen hängen, dass der eine oder andere Spieler ob des Tempos überfordert war und damit anfälliger für Fehler.

Bei all den Diskussionen verwies Schmidt immer auf den Lernprozess, dem man in Leverkusen noch unterworfen sei. Nach dem bitteren 3:3 gegen den VfB Stuttgart nach 3:0-Führung scheint dieser Prozess deutlich mehr Schwung aufgenommen zu haben. Denn in den beiden Spielen danach gab es kein Gegentor, Bayer siegte gegen Zenit St. Petersburg (2:0) in der Champions League und gegen den FC Schalke (1:0) in der Bundesliga.

Eine Abkehr von der Idee?

Nein, sowohl der Eindruck als auch die Zahlen sprechen dagegen. So schoss Bayer gegen Schalke mehr als 20mal auf deren Tor, Schmidts Team hatte mehr Ballbesitz und gewann mehr Zweikämpfe. Immer noch gingen die Sechser früh drauf, rückten die Außen ins Zentrum, um es zu verdichten. Dies zwang St. Petersburg wie Schalke dazu, lange Bälle zu schlagen. Die Balance aber stellte Schmidt her, indem er nicht mehr beide Außenverteidiger mit bedingungslosem Offensivauftrag ins Spiel schickte. Einen von beiden - meist Wendell links - ließ er defensiver agieren, Donati marschierte rechts. Doch ging der Ball auf seiner Seite verloren, kam Bayer nicht mehr in die Gefahr, per Diagonalball ausgekontert zu werden. Exemplarisch dafür eine Szene aus dem Spiel gegen St. Petersburg, als Hulk mit einem eroberten Ball geschickt wurde, Wendell ihn aber schon weit außerhalb der Gefahrenzone abgrätschen konnte.

Bayer bleibt also in der Grundidee deutlich offensiv und aggressiv, lässt allerdings ein wenig Vorsicht walten. Die Vorteile: Die Räume für den Gegner sind weiter verengt und die Überzahl in Ballnähe meist gesichert, die Wege für die Pressingspieler aber sind kürzer und die Absicherung nach hinten lässt das Gebilde insgesamt kompakter erscheinen. Im Kölner EXPRESS nahm der verletzte Kapitän Simon Rolfes Stellung zu dieser Debatte: "In den letzten beiden Spielen haben wir vieles richtig gemacht. Wir haben im Prinzip keine Chancen zugelassen. Wenn du dauerhaft ganz oben sein willst, dann ist das Defensivverhalten wichtig." Die nach vorne gerichtete Spielweise will Rolfes nicht aufgeben, er mahnt aber: "Wir brauchen noch etwas mehr Kontrolle im Spiel, mehr Tempi- und Rhythmenwechsel. Ich sehe, dass wir uns da schon weiter entwickelt haben", so Rolfes' Urteil über das Defensivverhalten.

Karim Bellarabi - offensiv stark, defensiv zuverlässig

Dieses beginnt ja bekanntlich ganz vorne und da ist Karim Bellarabi ein leuchtendes Beispiel für einen Profi, der offensichtlich kapiert hat, um was geht. Nicht nur seine Aktionen in der Offensive machen ihn zum Shooting-Star der Liga. Der Neu-Nationalspieler besticht auch durch seine Arbeit in der Defensive, seine Bereitwilligkeit, jeden verlorenen Ball so schnell wie möglich zurückzuerobern. Mit 96 Kilometern Laufleistung überragt er in dieser Kategorie alle Offensivspieler, seine Zweikampfquote von 42 Prozent gewonnener Duelle liegt über dem Schnitt (39%). Karim Bellarabi - offensiv stark, defensiv zuverlässig. So wie Roger Schmidt sich Bayer Leverkusen wünscht. Kein Wunder, das ausgerechnet dieser Spieler unter diesem Trainer den größten Sprung machte.

Bilder zur Partie Bayer 04 Leverkusen - FC Schalke 04