Der Sonntag stand im Zeichen der Aufarbeitung. Mal wieder. Die Suche nach den Gründen, weshalb Hamburgs Profis beim entscheidenden Schritt in verlässlicher Regelmäßigkeit versagen, hat bei René Adler (28) zu einem Ergebnis geführt. Ungeschminkt nennt er die bittere Wahrheit. "Wenn man von Europa redet, muss man auch bereit sein, jeden Tag alles dafür zu tun." In Hamburg sind nicht alle bereit, jeden Tag alles zu tun. Maßgeblich beteiligt an der Pleite gegen Augsburg waren zwei Youngster, die als Musterbeispiel dafür dienen, wie Arbeitswochen eines Profis nicht aussehen sollten, und exemplarisch dafür stehen, weshalb der HSV auf der Stelle tritt.
Bruma lässt den Frisör einfliegen und patzt beim Gegentor
Jeffrey Bruma (21) fabuliert seit Wochen über seine Zukunft und darüber, ob ein Verbleib über den Sommer hinaus für ihn Sinn mache. Bewerbungsschreiben aber bleibt er schuldig. Symptomatisch: Ausgerechnet in jener ersten Märzwoche, in der Thorsten Fink (45) Bruma nach verbüßter Rotsperre öffentlich zum Kampf um den Stammplatz aufgefordert hatte, setzte der Niederländer ein Zeichen an der falschen Stelle. Er hatte seinen Friseur aus Amsterdam einfliegen lassen - ein neuer Schnitt auf dem Kopf statt der Konzentration auf das Wesentliche darin. "Alles für den Erfolg tun", hat Sportchef Frank Arnesen (56) mal gesagt, "fängt nicht samstags zwei Stunden vor dem Spiel an, sondern montags zum Start der Trainingswoche." Bruma bekam trotzdem wieder die Chance. Zufall, dass ausgerechnet ihm zum wiederholten Mal die Konzentration vorm entscheidenden Gegentor fehlte?
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Beister sichert sich endgültig den Tribünenplatz
Maximilian Beister (22) hatte vergangene Woche aufreizend lässig sein Trainingspensum absolviert, den Test gegen Oslo (2:3) zur Bewerbung für einen Platz auf der Tribüne benutzt und mit seinem brutalen Tritt und der Roten Karte seinen Platz darauf gesichert. Auch nach Ablauf der Sperre. "Er hat sich mit der Aktion nach hinten manövriert", wettert Fink und räumt ein: "Eigentlich hatte Beister schon vor der Partie einen Denkzettel verdient, aber Marcus Berg fehlte mit Grippe. Ich hatte keine andere Möglichkeit." Berg wird auch in den kommenden Wochen keine Alternative sein: Der Schwede wurde am Wochenende in seiner Heimat an der Hüfte operiert und fällt voraussichtlich drei Monate aus.
Wir kriegen den Europacup nicht auf dem Silbertablett serviert. Jeder muss bereit sein, mit allem was er hat, dafür zu kämpfen.
HSV-Torhüter René Adler
Einstellungsprobleme von Youngstern als ein Grund für den Stillstand. Der andere: Der Umgang damit. Dass Fink Beisters Trainingswoche trotz Personalnot nicht sanktionierte und erst im Nachhinein anprangert ist ein Teil des Problems. Dass Arnesen seine Entdeckungen wie Bruma öffentlich immer wieder schützt, ebenso. "Wir kriegen den Europacup nicht auf dem Silbertablett serviert", schimpft Adler, "jeder muss bereit sein, mit allem was er hat, dafür zu kämpfen." Neun Monate in Hamburg haben dem Keeper gereicht, um zu erkennen, woran es beim HSV krankt. Darin unterscheidet sich die aktuelle Generation nicht von früheren.
Sebastian Wolff
