Bundesliga

Labbadia: "Es ist echt der Wahnsinn"

Wolfsburger Verletzungsprobleme - Der Trainer legt den Finger in die Wunde

Labbadia: "Es ist echt der Wahnsinn"

Hat keine leichte Aufgabe zu bewältigen: Bruno Labbadia.

Hat keine leichte Aufgabe zu bewältigen: Bruno Labbadia. imago

...die Verletztenmisere: "Es ist echt der Wahnsinn." Kein Tag ohne neue Hiobsbotschaft. Am Mittwoch wurde Admir Mehmedi am Mittelfuß operiert , nun hat es Josuha Guilavogui erwischt, der wegen Rückenproblemen mit dem Training aussetzen musste. "Trotzdem hoffe ich noch", sagt Labbadia, "dass er spielen kann." Ebenso besteht Hoffnung, dass Josip Brekalo (nach Gehirnerschütterung), Divock Origi (Wadenprobleme) und Daniel Didavi (Gesäßprellung), die am Mittwoch ebenfalls nicht mit dem Team trainieren konnten, rechtzeitig bis zum Spiel am Samstag gegen Schalke fit werden. Bei den Langzeitverletzten Ignacio Camacho, Felix Uduokhai, John Anthony Brooks und auch Jakub Blaszczykowski dämpft der Trainer die Erwartungen, zumal bis auf Camacho keiner wieder voll im Mannschaftstraining ist. "Es wäre falsch, zu sagen, dass sie unsere Hoffnungsträger in den nächsten Monaten sind."

...Admir Mehmedi: Labbadia spricht bei seinem Offensivmann von einer "sehr seltenen Verletzung" am Mittelfuß. Ein kleines Band, das "Ligamentum Lisfranc", ist gerissen. Der Schweizer wurde mittlerweile in seiner Heimat operiert, dabei wurde ihm eine Schraube eingesetzt. Der Haken: Die Verletzung, die sich Mehmedi bereits am 16. Februar zugezogen hat, wurde zunächst nicht erkannt, erst jetzt, fast vier Wochen später, steht die korrekte Diagnose. "Bei einer Spezialuntersuchung", so Labbadia, "ist es aufgetaucht." Die Folge: Mehmedi, der zuletzt möglicherweise auch bedingt durch die Verletzung ganz schwach agiert hat, fällt wochenlang aus und kann im Abstiegskampf seiner Mannschaft vielleicht gar nicht mehr eingreifen.

...mögliche Hilfe aus der U 23: Labbadia berichtet, dass er sich mit seinem Regionalligatrainer Rüdiger Ziehl gerade erst intensiv ausgetauscht hat. Der VfL II rangiert in der Regionalliga Nord auf Tabellenplatz zwei und verfügt über diverse Talente wie etwa Stürmer Blaz Kramer, der elfmal getroffen hat. "Wir haben uns über den einen oder anderen Spieler unterhalten", sagt Labbadia, "auf einzelne Namen will ich nicht eingehen. Aber da gibt es klare Empfehlungen vom Trainer." Mittelfeldmann Iba May, der zuletzt schon mal bei den Profis mittrainiert hat, wäre ein weiterer Kandidat - doch der 19-Jährige hat sich, wie soll es in Wolfsburg derzeit anders sein, gerade verletzt.

...Divock Origi: Nach der Höchststrafe am vergangenen Spieltag gegen Hoffenheim (0:3), als Labbadia den wiederholt enttäuschenden Stürmer noch vor der Pause auswechselte, gab es kaum eine Gelegenheit, diese Sache aufzuarbeiten. Origi war wegen seiner Wadenprobleme mehr beim Arzt als in des Trainers Nähe. "Divock", betont Labbadia, "ist einer der Spieler, mit denen ich mich fast am meisten beschäftigt habe. Ich kann mich als Stürmer gut in ihn reindenken." Der Coach weiß: "Dass so etwas keinen erfreut, ist klar. Dann kann es auch gut sein, einen Spieler nach einer solchen Aktion ein paar Tage in Ruhe zu lassen." Labbadia macht aber auch noch einmal deutlich, dass er keine Rücksicht auf Einzelschicksale nehmen kann. "Das war einfach zu wenig von ihm. Ich muss sehen, was das Wichtigste für die Mannschaft ist."

"Anspruchsvolle Fans suchen motivierte Mannschaft"

"Anspruchsvolle Fans suchen motivierte Mannschaft" imago

...die schwierige Situation und die Fans: Nach dem beeindruckenden Schulterschluss zum Ende der vergangenen Saison ist das Verhältnis zwischen Klub und Anhängerschaft derzeit angespannt. "Ich kann von niemandem außerhalb meines Teams etwas verlangen", sagt Labbadia. "Die Schuld" an der sportlichen Misere liege "beim Klub, bei uns". Der Trainer wirbt um Verständnis für die Situation, muss Dinge erklären, für die er gar nicht verantwortlich ist. Der 52-Jährige verweist auf den im Sommer getätigten Umbruch des Kaders, auf die vielen Verletzten ("Es sollten Eckpfeiler sein"), legt aber auch den Finger in die Wunde. "Ich hatte das Gefühl, dass man nicht erkannt hat, wo man ist. Das gilt für viele Bereiche. Vielleicht in der Mannschaft, vielleicht beim Verein. Die Situation ist sehr trügerisch, die Mannschaft stand noch nicht auf einem Abstiegsplatz. Aber als Trainer und als Verein musst du immer wachsam sein." Ob der Verkauf von Mario Gomez im Winter an den VfB Stuttgart ein Indiz dafür ist, dass die Situation völlig verkannt wurde, will Labbadia nicht kommentieren. "Auf Personalien will ich gar nicht eingehen."

...die Mentalität der Mannschaft: Der Druck ist groß, ganz offensichtlich lähmt der Abstiegskampf die Beine vieler VfL-Spieler. "Erfahrenen Spielern fällt das leichter", erklärt Labbadia, "aber die Mannschaft ist jung, es prallt nicht an ihr ab." Ein schmaler Grat auch für den Trainer: Einerseits muss er Dinge klar einfordern, andererseits darf er sein Team nicht noch stärker verunsichern. „Ich muss Dinge klar ansprechen", sagt er, "aber ich muss die Spieler gleichzeitig auffangen." An mangelnder Einstellung der Spieler liege es nicht, dass der VfL wieder im Tabellenkeller festsitzt, versichert Labbadia: "Sie wollen, sie tun. Ich verteidige die Mannschaft komplett." Gegen diesen angeblich unbändigen Willen spricht, dass sein Team zuletzt sowohl gegen Leverkusen (1:2) als auch gegen Hoffenheim jeweils rund fünf Kilometer weniger gelaufen ist als der Gegner. Für den Trainer, der erfahren ist im Abstiegskampf, offenbar keine Überraschung: "Manchmal will man, aber man kann nicht. Ich versuche jeden Tag, Blockaden zu lösen."

Thomas Hiete