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Bayern München, der Meister der Namenlosen?

1984/85 - Briegel glänzt in Verona und wird Fußballer des Jahres

Bayern München, der Meister der Namenlosen?

Erster Meistertitel: Bayern-Neuzugang Lothar Matthäus startete sofort durch.

Erster Meistertitel: Bayern-Neuzugang Lothar Matthäus startete sofort durch. imago

Masse statt Klasse. Das blamable Ausscheiden der Deutschen Nationalmannschaft in der Vorrunde der Europameisterschaft in Frankreich überträgt sich auch auf die Bundesliga. Franz Beckenbauer löst Jupp Derwall als Bundestrainer ab. Eine ungewisse Zukunft steht der DFB-Elf bevor. Nicht anders beim großen FC Bayern München. Der Vorjahres-Vierte verliert mit Karl-Heinz Rummenigge seinen besten Spieler und aktuellen Torschützenkönig. Die zwölf Millionen Mark, die Inter Mailand überweist, investiert der FCB aber nicht in Top-Stars - im Gegenteil.

Kalle Rummenigge soll der Torschützenkönig der Zweiten Liga, Roland Wohlfahrt, vom MSV Duisburg ersetzen. Norbert Eder aus Nürnberg, Ludwig "Wiggerl" Kögl vom Lokalrivalen TSV 1860 München und aus der eigenen Jugend Manfred Schwabl heißen die Neuzugänge bei den Bayern. Als aktueller Nationalspieler wird der 23-jährige Lothar Matthäus für 2,3 Millionen Mark aus Mönchengladbach transferiert. Eben jener Matthäus verschießt unmittelbar vor Saisonbeginn im Pokalfinale seiner Gladbacher einen Elfmeter. Gegner: Bayern München. Eigentlich will er nicht schießen: "Ich habe zum Trainer Jupp Heynckes gesagt, dass ich mich nicht gut fühle und der Druck vielleicht zu groß sei."

Bundesliga - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
Bayern München Bayern München
50
2
Werder Bremen Werder Bremen
46
3
1. FC Köln 1. FC Köln
40

Matthäus: "Ich bin nach München gewechselt, weil ich Meister werden will!"

Heynckes überredet ihn ("Hör zu Lothar, du bist unser Elfmeterschütze Nummer eins, du schießt auf jeden Fall"), doch Matthäus verschießt den ersten Elfer - Gladbach verliert 6:7, und der Franke wechselt zu den Bayern. Er soll der neue Star nach Rummenigge werden. Um den Mittelfeld-Antreiber buhlen auch der Hamburger SV und der 1. FC Köln. Nach monatelangem Transfer-Hickhack kommt Matthäus an die Isar: "Ich bin nach München gewechselt, weil ich Meister werden will!" Dort findet er eine Mannschaft vor, die sich in ihrem 26-Mann-Kader sortieren muss. Beckenbauer, Müller, Breitner und Maier sind Geschichte. Matthäus erinnert sich: "Interessant war, dass es in diesem Team keine festgehaltene Hierarchie gab."

Lattek formt, Matthäus trifft: Die Bayern starten durch

Beim Auftaktsieg in Bielefeld trifft der Gladbacher Neuzugang zum 3:1-Endstand in der 81. Minute. Nicht die Stürmer Michael Rummenigge oder Roland Wohlfahrt, sondern der Mittelfeld-Arbeiter Lothar Matthäus wird am Ende der Saison die meisten Bayern-Tore geschossen haben (16). Eine Hierarchie in der Mannschaft entwickelt sich mit zunehmender Saisondauer. Für Matthäus ein leichtes Spiel: "Ich bin schnell zurecht gekommen in dem neuen Umfeld und habe - wie es nun mal mein Naturell ist - Verantwortung übernommen." Abwehrrecke Klaus Augenthaler und Breitner-Ersatz Sören Lerby werden neben Matthäus zu den tragenden Säulen, Wiggerl Kögl zum Senkrechtstarter der Saison.

Bayern-Blamage gegen Uerdingen

12:0 Punkte stehen auf der Haben-Seite zum Saisonstart der Bayern. Für Lothar keine Überraschung: "Viele Spieler wollten Macht haben und ausüben, es entwickelte sich ein fruchtbarer Konkurrenzkampf, der das Team nach vorne trieb." Coach Udo Lattek formt ein Team, das niemand den Titel zugetraut hatte. Vier Punkte vor Werder Bremen stehen die Bayern mit der besten Defensive der Liga (38 Gegentore) am Schluss ganz oben. Selbst das Double ist möglich, doch ein Underdog verhindert dies. Im Endspiel verliert der große FCB nach einer 1:0-Führung gegen die kleinen Uerdinger 1:2. Horst Feilzer und Wolfgang Schäfer schießen Bayer zum Titel und in den internationalen Fußball.

Der Torschützenkönig

Kalle Rummenigge hat den Weg frei gemacht. Hinter ihm muss sich Klaus Allofs ein Jahr vorher noch mit dem zweiten Platz der Torjäger-Liste begnügen. Jetzt steht er mit 26 Treffern nach 1979 zum zweiten Mal in der Sonne. Seine Tore helfen dem 1. FC Köln als Dritter in den UEFA-Pokal. Zweimal Zweiter wird Rudi Völler: Hinter Allofs mit 25 Toren in der Torschützenliste und mit Werder Bremen hinter den Bayern in der Tabelle.

Was sonst noch geschah

Vorjahresmeister VfB Stuttgart enttäuscht auf ganzer Linie. Mit dem zehnten Platz und dem Ausscheiden in der ersten Runde des Landesmeister-Pokals gegen Spartak Sofia trennen sich die Schwaben vom Meistertrainer Helmut Benthaus. Ein Jahr vorher, nach dem Aus der Nationalmannschaft bei der EM, soll Benthaus Jupp Derwall ablösen. Der genießt seinen Urlaub in Kanada und ist nicht erreichbar, woraufhin Beckenbauer zum Teamchef ernannt wird.

Werder Bremen reiht sich hinter den Bayern auf Rang zwei ein und verbessert sich um drei Plätze im Vergleich zur Vor-Saison. In die Zweitklassigkeit rutschen Eintracht Braunschweig und der Aufsteiger Karlsruher SC ab. In der Relegation scheitert Bielefeld an Saarbücken (1:1, 0:2) und muss ebenfalls runter.

Briegel fährt mit Verona den Titel ein

Für ein Novum sorgt Hans-Peter Briegel: Die "Walz aus der Pfalz" feiert in seinem ersten Jahr bei Hellas Verona die italienische Meisterschaft und gewinnt als erster deutscher Legionär die Wahl zum Fußballer des Jahres.