"Normalerweise bin ich nicht so feige", sagt Streich und erklärt, warum er trotz seiner Vorahnung, dass manche Akteure seiner Meinung nach eine Ruhepause gebraucht hätten, am Böllenfalltor dieselbe Startelf wie beim 2:1 gegen Leverkusen aufbot. Das habe einerseits mit "internen Prozessen" zu tun. Es wäre innerhalb des Teams wohl nicht so leicht zu vermitteln gewesen, die Anfangsformation nach einem solch starken Auftritt wie gegen die Werkself durcheinanderzuwirbeln. Der zweite Grund: "Wenn wir in Darmstadt mit vier, fünf Änderungen verloren hätten, hätte es geheißen, der Streich und Freiburg wollen gar nicht in den Europapokal."
Selbst fünf Veränderungen hätten nicht gereicht
Nachvollziehbare Überlegungen des SC-Trainers. Allein, selbst wenn er eine Rotation mit etwa fünf Wechseln gewagt hätte, wäre das an diesem Samstag in Darmstadt vermutlich nicht genug gewesen. Denn keiner der elf Startspieler erreichte auch nur annähernd seine Normalform.
Der sonst so ballsichere Nicolas Höfler verlor die Kugel fast am laufenden Band, so etwa vor den ersten beiden Gegentoren. Der zweikampfstarke Mike Frantz lief diesmal oft hinterher, ließ sich vor dem 0:3 anfängerhaft von Sven Schipplock umspielen. Rechts hinten konnte Aleksandar Ignjovski Gegenspieler Mario Vrancic weder am Boden noch in der Luft stoppen, kam oft zu spät und ließ Jerome Gondorf beim 0:2 trotz klarer Zuordnung beim Freistoß freies Geleit zum Kopfballtreffer.
Gulde Notenbester
Caglar Söyüncü wirkte wie Nebenmann Marc-Oliver Kempf äußerst fahrig im Aufbau, wurde beim 0:1 von Felix Platte abgekocht. Christian Günter bemühte sich noch um Vorstöße, sah sonst oft nur die Rücklichter von Marcel Heller. Vom blassen Offensivquartett brachte Nils Petersen zwei und Florian Niederlechner einen ordentlichen Abschluss zustande, Janik Haberer eroberte immerhin noch ein paar Bälle, während Onur Bulut ohne Effizienz über den Platz rannte. Dazu machte der in den Vorwochen so starke und zuverlässige Keeper Alexander Schwolow beim 0:3 ins kurze Eck keine gute Figur. Innenverteidiger Manuel Gulde, der zur zweiten Halbzeit kam, war mit der kicker-Note 3,5 bester Freiburger Akteur, weil auch Joker Maximilian Philipp neben seiner Doppelchance mit einem haarsträubenden Ballverlust eine Darmstädter Großchance einleitete.
Es stinkt mir gewaltig, wie wir gekickt haben.
Christian Streich
Diese zahlreichen individuellen Ausfälle bekommen die Freiburger Profis höchstwahrscheinlich in der für diesen Dienstag angesetzten Videositzung noch einmal ausführlich vor Augen geführt.
"Wenn wir nicht voll an die Kante gehen, können wir kein Bundesliga-Spiel gewinnen. Es hat sich nun nochmal allen gezeigt, auf welch schmalem Grat wir wandeln. Ich wusste es schon", sagt Streich: "Wir haben 20 Punkte mehr als Darmstadt. Dafür kam alles zusammen. Glück, Können und Geschlossenheit. Das ist bei uns besonders wichtig, wenn wir ein Stück weniger geschlossen wären, würden wir dastehen, wo Darmstadt jetzt steht."
Streich: "Müssen uns zusammenreißen"
Der schmerzhafte Beweis seiner These tue auch seiner Mannschaft gut, meint Streich: "Und trotzdem stinkt es mir gewaltig, wie wir gekickt haben. Das heißt aber nicht, dass wir gegen Schalke chancenlos sind. Schon gar nicht nach diesem Spiel. Wir müssen uns zusammenreißen, werden nach der langen Woche mit voller Energie ins Spiel gehen, auch um den Zuschauern, die unser Stadion füllen, guten Fußball zu bieten." Nicht nur der Trainer erwartet eine positive Reaktion seiner Mannschaft am Sonntag. Gespannt sein darf man besonders auf Streichs Personalauswahl.
Topscorer Grifo zurück im Mannschaftstraining
Ob Vincenzo Grifo da schon eine Alternative ist, bleibt abzuwarten. Immerhin stieg der Freiburger Tospcorer am Dienstag nach seinem Innenbandanriss im rechten Knie wieder ins Mannschaftstraining ein. Während Marc Torrejon (Muskelfaseriss im Adduktorenbereich) Aufbautraining absolviert, pausierten Caglar Söyüncü und Mike Frantz jeweils wegen einer Fußprellung.