Bundesliga

Thy: der zweite Versuch bei Werder

Bremen: Torjäger hat Trauma seines Fehlschusses überwunden

Thy: der zweite Versuch bei Werder

Fehlschuss abgehakt: Bremens Eigengewächs Lennart Thy will sich im zweiten Anlauf bei Werder durchsetzen.

Fehlschuss abgehakt: Bremens Eigengewächs Lennart Thy will sich im zweiten Anlauf bei Werder durchsetzen. picture alliance

Das Video kursiert noch im Internet. Natürlich ist es jederzeit abrufbar, wie heutzutage alles, was das Interesse weckt. Es steht zu vermuten, dass das kleine Filmchen aktuell wieder häufiger angeschaut wird. Vor allem von Werder-Fans, seit im Winter publik wurde, dass der Hauptdarsteller des Streifens zurückkehrt nach Bremen.

"Das Ding ist für mich abgehakt", sagt Lennart Thy, der für dieses Dokument eines einzigartigen Fehlschusses gesorgt hat. Inzwischen hat er dieses Trauma überwunden, doch es habe schon gedauert. Thy, der 24-Jährige Stürmer, der bei Werder ausgebildet worden ist, seine Laufbahn beim FC St. Pauli in der 2. Liga fortgesetzt hat und nun zurückkehrt zu den Wurzeln, sitzt im Resort Mark Brandenburg und nimmt die Geschichte seiner spektakulären Fahrkarte mit Humor. Es sei vorbei, längst vergangen, "doch damals hat es schon an mir genagt. Es hat lange gedauert. Ich dachte, es ginge schneller, diese Szene aus dem Kopf zu kriegen."

Spielersteckbrief Thy
Thy

Thy Lennart

Es war am 14. August 2011. Spiel in Leverkusen. Querpass von rechts. Thy steht mutterseelenallein vor dem Kasten der Bayer-Elf. Das Zuspiel ist genau, gut getimt, doch er scheitert kläglich und setzt den Ball aus kurzer Distanz über das Tor. Auf Youtube ist ein Film vorhanden, in dem ein brasilianischer Kommentator diese Aktion mit ebenso lautstarken wie emotionalen Worten untermalt. Die ganze Tragik dieses Fehlschusses wird spürbar – auch im fremden Portugiesisch.

Das alte Kapitel seiner Werder-Geschichte. Nun beginnt ein neues. Werder im zweiten Anlauf. "Ich habe wieder richtig Bock auf Werder", sagt der Torjäger, der 2009 Europameister mit der deutschen U 17 wurde. "Ich halte es für einen guten Schritt, nun zu Werder zurückzukehren." Start im Trainingslager in Brandenburg, wo sich der "verlorene Sohn" vor seinem Wiedereinstieg bei seinem Ausbildungsklub recht kämpferisch gibt: "Ich weiß, was ich kann und versuche, es zu zeigen." Schließlich sei er nun kein Jungspund mehr, sei gereift zu einer Persönlichkeit, richtig erwachsen geworden. Thy will dort sein Ding machen, wo er damals sich nicht durchsetzen konnte.

Die Chancen dafür sieht er durchaus realistisch. Dass mit Anthony Ujah ein Rivale verkauft worden ist, hat er natürlich wahrgenommen. Ohne überschwängliche Gemütsregung: "Es kommen immer wieder Neue." Dass mit Claudio Pizarro der Platzhirsch gesetzt sein wird, hat er ebenfalls registriert. Sollte Trainer Viktor Skripnik weiterhin im 4-1-4-1 agieren lassen, bleibt kein Platz mehr für einen zentralen Stürmer, wie er ihn verkörpert. Abwarten, sagt sich Thy: "Mal sehen, auf welches System der Trainer setzt." Zudem könne er aus einer hängenden Position agieren, von den Flügeln indes weniger.

Mit großem Selbstvertrauen jedenfalls ist er angetreten. Ganz anders als in seiner ersten Zeit. Ihn baut auf, dass er ein Wunschkandidat von Skripnik ist, der ihn ein Jahr lang in der Jugend betreut hat. In der 2. Liga hat er acht Tore gemacht, dabei vier in einem Spiel. Zu wenig, gibt Thy zu, der dennoch auf die Fortschritte in seinem Spiel verweist. Bei seiner Weiterentwicklung sieht er diese Aspekte: Er könne nun besser den Ball halten und verarbeiten, er sei körperlich wesentlich robuster und durchsetzungsfähiger, er sei zielsicherer im Abschluss dank einer ausgefeilten Schusstechnik.

Thy: "Mit dem Herzen habe ich immer an Bremen gehangen"

Und der Sprung von der zweiten Klasse in die erste Garnitur? Für Thy, der vier Jahre unterklassig gespielt hat, kein Hindernis, das nicht zu überwinden wäre. Das Beispiel hat er nun täglich vor Augen: Fin Bartels, ebenfalls vom Hamburger Kiez gekommen, vor zwei Jahren. Als Zweitligaspieler naserümpfend begrüßt, hat sich Offensivspieler Bartels auch in der höchsten Spielklasse durchgesetzt. Bartels, sagt Thy schlicht über den alten, neuen Kollegen, habe er schon immer vor Augen bei seinem Unternehmen: "Er ist ein Vorbild."

So tritt Thy couragiert bei Werder an. So kann er auch die Kommentare verarbeiten, die auf seinen legendären Patzer in Leverkusen zielen und die sofort aufkamen, als sein Wechsel feststand. Thy glaubt an seine Zukunft bei Werder. Zumal er von einer Bauchentscheidung spricht: "Mit dem Herzen habe ich immer an Bremen gehangen."

Hans-Günter Klemm