2. Bundesliga

Jens Keller und der harte Einschnitt beim FC Ingolstadt

Wie Schlusslicht Ingolstadt an der Wende arbeitet

Keller und der harte Einschnitt

"Es haben Persönlichkeiten gefehlt": Ingolstadts Trainer Jens Keller.

"Es haben Persönlichkeiten gefehlt": Ingolstadts Trainer Jens Keller. imago

Aus dem Trainingslager des FC Ingolstadt in Alicante berichtet David Bernreuther

Die schwierige Mission des FC Ingolstadt beginnt im hügeligen Hinterland der Costa Blanca. Auf der Anlage des Hotel Campoamor, wo der Tabellenletzte in den vergangenen Tagen trainierte, wurden große Teile eines Berges einfach abgetragen, um Platz für die Fußballfelder zu schaffen. Es ist ein harter Einschnitt in eine karge Landschaft - und somit die passende Kulisse.

FC Ingolstadt 04 - Vereinsdaten
FC Ingolstadt 04

Gründungsdatum

05.02.2004

Vereinsfarben

Schwarz-Rot

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Trainersteckbrief Keller
Keller

Keller Jens

Auch der FC Ingolstadt hat sich nach einem desolaten Halbjahr mit nur zehn Punkten und 35 Gegentoren für einen harten Einschnitt entschieden. "Wir müssen Veränderungen vornehmen, damit unsere Mannschaft, die bis heute keine ist, eine wird", hatte Geschäftsführer und Interimssportdirektor Harald Gärtner bereits vor Weihnachten angekündigt.

Kapitän Matip verbannt

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Die härteste Entscheidung traf den langjährigen Kapitän: Marvin Matip wurde aus dem Profikader verbannt . Sportlich gibt es nachvollziehbare Gründe dafür, der 33-Jährige war zuletzt nicht mehr auf der Höhe und unter Trainer Jens Keller bereits aufs Abstellgleis geraten. Der Umgang mit einem verdienten Profi ein halbes Jahr vor Vertragsende erscheint allerdings fragwürdig. Keller begründet ihn so: "Marvin hat für den Verein sehr viel geleistet, aber er hat seine Leistung in dieser Saison nicht mehr so abgerufen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er gespielt hätte, wäre gering gewesen. Mit einem verdienten Spieler muss man offen umgehen. Es ist eine Frage der Fairness, dass man ihm die Möglichkeit gibt, sich nach einer neuen Option umzuschauen." Matip hofft auf einen Wechsel nach England oder in die USA.

Auch Leipertz und Osawe vor dem Absprung

Seine Ausbootung in Ingolstadt ist ein Signal. Es geht den Verantwortlichen auch darum, alte Strukturen im Team aufzubrechen, damit etwas Neues entstehen kann. Damit eine Mannschaft, die oft leblos auftrat, endlich Leidenschaft zeigt. Bei der Analyse der vergangenen Monate sind Gärtner, Keller und der Ende November als externer Berater zurückgeholte Thomas Linke zu dem Ergebnis gekommen, dass der maßgeblich vom inzwischen entlassenen Sportdirektor Angelo Vier zusammengestellte Kader zwar individuell gut bestückt, aber in seiner Gesamtheit eher wild als harmonisch komponiert ist. Diese Fehlplanung versuchen sie nun zu beheben. Aus diesem Grund wurden auch die Offensivkräfte Robert Leipertz und Osayamen Osawe aussortiert.

Die vierte Nummer 1

Ingolstadts größtes Problem aber war die Defensive, die nun radikal umgebaut wurde. Torwart Philipp Tschauner (33) kam auf Leihbasis aus Hannover und wird Ingolstadts vierte Nummer 1 der Saison. Der krisenerprobte Routinier Mergim Mavraj (32) soll der neue Abwehrchef werden und das Team mit seiner Ausstrahlung und kommunikativen Art führen. "Wir hatten zum Schluss eine sehr junge Abwehr, der die Stabilität und das Selbstbewusstsein fehlten. Deshalb brauchten wir vor allem Mentalität und Erfahrung", erläutert Keller. "Mergim Mavraj und Philipp Tschauner sind zwei Typen, die viel erlebt haben und ihre Meinung sagen, sie sind positive Leader. Die Mannschaft hatte davon zu wenig, es haben solche Persönlichkeiten gefehlt." Dazu kam für knapp eine halbe Million Euro der Däne Björn Paulsen (27), ein Typ Wikinger, 1,91 Meter groß, kopfballstark und torgefährlich, er ist vorwiegend als Rechtsverteidiger eingeplant. "Man sieht bereits in den ersten Einheiten, welchen Willen und welche Physis er mitbringt. Das wird uns guttun", meint Keller.

Das Warten auf den Sieg

Der 48-Jährige legte den Fokus in Spanien auf die Defensivarbeit und auf die Physis. "Wir brauchen die Fitness, um so zu spielen, wie ich es mir vorstelle", sagt Keller. Auch in diesem Punkt besteht offenbar Nachholbedarf. Kompaktheit, Aggressivität und Geschwindigkeit im Umschaltspiel sind gefragt. Keller macht die Dinge nicht zu kompliziert, ist klar in seiner Ansprache, fordernd und entschlossen. Er coacht engagiert und lautstark, greift immer wieder ein, ist viel auf dem Platz unterwegs und zeigt, was er sehen will. Ein Kontrastprogramm zu Vorgänger Alexander Nouri, der die Einheiten meist als Beobachter vom Spielfeldrand aus verfolgte und nach acht Spielen ohne Sieg schnell wieder gehen musste.

Wir brauchen die Fitness, um so zu spielen, wie ich es mir vorstelle.

Ingolstadts Trainer Jens Keller

Nach Stefan Leitl und Nouri ist Keller Ingolstadts dritter Trainer in dieser Saison, gewonnen hat auch er in seinen ersten drei Spielen noch nicht. Statt der erhofften Wende gab es kurz vor Heiligabend beim 1:2 gegen Regensburg einen bitteren Dämpfer, der Keller vor Augen führte, was der Mannschaft abgeht. Der Chef vermisste bei seinen Spielern "das Bewusstsein für die Situation", etwas Grundlegendes also. "Nach dem Spiel habe ich eine deutliche Ansage gemacht, hier auch immer wieder welche. Ich gehe davon aus, dass das so langsam in den Köpfen ist", sagt Keller.

Drei Punkte Rückstand

Eineinhalb Jahre nach dem Abstieg aus der Bundesliga befindet sich Ingolstadt am Abgrund zur 3. Liga. Es steht viel auf dem Spiel für den Klub, der eigentlich oben angreifen wollte, aber jetzt ganz unten festhängt. Das Glück der Schanzer ist, dass der Abstand auf Platz 15 nur drei Punkte beträgt. Der harte Einschnitt könnte also noch rechtzeitig erfolgt sein. Doch zeigen wird sich das erst ab dem 29. Januar, wenn der FCI gegen Fürth in die Rückrunde startet.