2. Bundesliga

St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig zu 50+1: "Letztes Stoppschild auf der Kommerzialisierungsschiene"

St. Paulis Geschäftsführer sorgt sich weiter um den Fußball

50+1: "Letztes Stoppschild auf der Kommerzialisierungsschiene"

Sieht Investoren weiter kritisch: St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig.

Sieht Investoren weiter kritisch: St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig. imago

Rettig ist bekanntermaßen ein Verfechter der 50-plus-eins-Regel, die dafür sorgt, dass nur Kapitalgesellschaften am Spielbetrieb der Lizenzligen teilnehmen können, an denen der jeweilige Verein die Mehrheit der Stimmanteile hält. Damit soll eine Übernahme der teilnehmenden Gesellschaften mit entsprechenden Entscheidungsbefugnissen durch Investoren verhindert werden, der Verein die Entscheidungshoheit behalten.

Im Interview bei "fcstpauli.tv" hat sich der Geschäftsführer des Kiezklubs erneut ausgiebig zum Thema 50+1 geäußert. "Es handelt sich nicht um eine rechtliche Bewertung, sondern eine rein sportpolitische Entscheidung", sagt der 54-Jährige. "Diese geht der Frage nach: Wollen wir weiterhin Mitbestimmung und Teilhabe? Oder wollen wir einen anderen Weg einschlagen?" Rettig betont, dass mit einem Wegfall von 50+1 auch positive Effekte wegfallen würden. Speziell das ehrenamtliche Engagement würde auf den Prüfstand gestellt.

"Ich frage mich auch, ob es Sinn macht, wenn Vereine privatisiert würden", so Rettig. "Denn nichts anderes wäre es, wenn ein Verein ein von einem Investor übernommener Klub wird. Daher sehen wir das insgesamt sehr kritisch."

Frage nach den Motiven des Investors

Darüber hinaus müsse auch stets geprüft werden, welche Interessen ein möglicher Investor verfolgt, denn dieser hätte auch heute schon Möglichkeiten, einen Verein zu unterstützen. "Zum einen möchte man vielleicht Autos verkaufen oder Tabletten oder Brausegetränke oder Hörgeräte. Auf der anderen Seite kauft man sich vielleicht gesellschaftliche Anerkennung auf diesem Wege - oder, wie auch jüngst geschehen politischen Lobbyismus, den man mit einem Investment in einen Fußballverein betreibt."

50+1 sei für St. Pauli "das letzte Stoppschild auf einer immer schneller fortschreitenden Kommerzialisierungsschiene", so Rettig, der zugleich "große Gefahren für die Integrität des Wettbewerbs" sieht.

"Wenn man sich vorstellt, wie unkontrolliert Geld in den Fußball-Kreislauf geschwemmt wird, dann kann einem angst und bange werden", mahnt Rettig und warnt vor der Undurchsichtigkeit über die Herkunft der Gelder, wie auch in der Wirtschaft.

Wettbewerbsfähiger ohne 50+1? Rettig sagt "nein"

Dass eine Mannschaft durch Investoren-Millionen zwangsläufig wettbewerbsfähiger wird, bezweifelt der ehemalige DFL-Geschäftsführer. "Wovon reden wir da? Internationale Wettbewerbsfähigkeit? Dann würde das bedeuten, dass wir in der Frage einen Unterschied machen, was die Wertigkeit der Investorenanteile angeht. Ganz konkret: Eintracht Frankfurt wird immer mehr Geld einsammeln können bei Investoren als Darmstadt 98. Das heißt, das Delta zwischen den Klubs wird weiterhin bestehen. Die erfolgreichen Klubs werden immer mehr einsammeln als die weniger erfolgreichen."

Dadurch werde in seinen Augen die internationale Wettbewerbsfähigkeit ebenfalls nicht erhöht. "Bayern München wird Neymar nicht für 250 Millionen verpflichten können, denn dann bezahlt der Scheich 300 Millionen. Den Wettstreit um die Ressourcen können wir nicht gewinnen. Daher sehen wir da ein großes Problem. Die Konsequenz wird sein, dass es zu einer emotionalen Entfremdung kommt, wenn die Vereine privatisiert werden - und dem gilt es Einhalt zu gebieten."

kid

Die Trainingslager der Zweitligisten