2. Bundesliga

"Gerade und ehrlich" - Luhukay geht seinen Weg

Nächster Schadensfall beim VfB

"Gerade und ehrlich" - Luhukay geht seinen Weg

Auf die Zunge beißen ist nicht sein Ding: Jos Luhukay.

Auf die Zunge beißen ist nicht sein Ding: Jos Luhukay. imago

Wenn einer den zu diesem Zeitpunkt schrottreifen Absteiger aus der Stadt der Edelflitzer wieder zu altem Glanz und Ligastand verhelfen könne, dann der 53-Jährige, der diese Reparaturarbeiten dreimal zuvor schon erfolgreich hinbekommen hatte. Wenn auch mit Startschwierigkeiten, die bei den Schwaben - anders als bei ihren vermeintlichen Vorgängern – zum nächsten Schadensfall führte.

Rund vier Monate später ist der VfB von neuem Glanz noch weiter weg als der in seine niederländische Heimat zurückgekehrte Trainer von seinem Stuttgarter Arbeitgeber. Eine Trennung, die sich länger wie Donner angekündigt und plötzlich wie ein Blitz beim VfB eingeschlagen hat. Nachdem Wilfried Porth tags zuvor seinen Wunschkandidaten für die VfB-Bank öffentlich gemaßregelt hatte. Ob die zu erwartende Reaktion in Kauf nehmend oder unwissentlich auslösend bleibt das Geheimnis des stellvertretenden Aufsichtsratschefs. Jedenfalls tat Luhukay das, was er in solchen Situationen für gewöhnlich immer tut: Er nimmt seinen Hut. Einen Tag nach einem Runden Tisch mit den Vorständen Stefan Heim (Finanzen), Jochen Röttgermann (Marketing und Vermarktung) und Jan Schindelmeiser (Sport), die den Coach zu einer besseren Zusammenarbeit überreden bzw. drängen wollten.

Da war das Tischtuch zwischen Führung und Führungskraft längst zerschnitten. Nachdem Luhukay sich erst von der Klubführung bei der Auswahl und Verpflichtung des Sportvorstands und später von diesem bei der Kaderplanung übergangen fühlte. Schindelmeiser wurde dem bis zu seiner Inthronisierung weitgehend alleinverantwortlichen Trainer vorgesetzt, ohne – wie es mit den Klubbossen eigentlich abgesprochen war – diese Personalie mit ihm auf ihre Alltags- und Zukunftstauglichkeit abzuklopfen. Später hatte der Manager sein gutes und nachvollziehbares Recht geltend gemacht und andere Spielerprofile verpflichtet als Luhukay vorschwebten. Das Verhältnis, das von Beginn an schon kontaminiert war, ähnelte zuletzt einem Giftschrank. Man sprach nicht miteinander, sondern übereinander - und das dazu auch noch öffentlich. Was zur – nicht wirklich besseren – ebenfalls öffentlichen Zurechtweisung durch Wilfried Porth führte.

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Der Knall war abzusehen, kennt man den Charakter des Niederländers, der gewisse Dinge weniger verzeiht als Kritik: Zweifel an ihm und seinem Weg. Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn. Luhukay, den selbst Schindelmeiser als "gerade, ehrlich und diszipliniert" beschreibt, lebt nicht nur seine Werte - er verkörpert sie wie wenig andere. Wo im Fußball nicht nur der Ball gerne mal neben das Ziel geht und trotzdem gestreichelt wird, kennt der "kleine General" wie ihn der Boulevard einst taufte, nur einen Weg: seinen, den kürzesten, immer geradeaus. Verbiegen ist nicht. Er steht für Loyalität, bedingungslos, und fordert diese aber genauso bedingungslos ein. Dass ihm mit Thomas Hitzlsperger in dessen Rolle als Beauftragter des Vorstandes in der Schnittstelle zwischen der Vereinsführung und dem Lizenzspielerbereich ein Schattenmann im Mannschaftskreis zugeordnet wurde, empfand Luhukay zusätzlich als Affront.

Er zog sich weiter zurück, hielt aber weiter die Fassade aufrecht. Bis zum vergangenen Wochenende. "Ich kann mich doch nicht hinstellen und so tun, als ob alles gut ist", erklärte Luhukay gegenüber dem kicker, nachdem er die jüngsten Verpflichtungen Carlos Mané (22), Takuma Asano (21) und Benjamin Pavard (20) vor laufenden Kameras kritisch bewertet hatte. Mit dem Hinweis, dass es ihm nicht darum ginge, die drei schlecht zu machen, sondern "darum, den Erwartungsdruck auf sie zu minimieren, der auf ihnen lastet. Wir werden Geduld mit Ihnen brauchen".

Ähnliches Ende schon in Paderborn und Augsburg

Und den Druck auf sich, der nach dem durchwachsenen Saisonstart mit zwei Siegen und mageren Darbietungen schon anstieg. Ein Zustand, der dem 53-Jährigen grundsätzlich nicht viel ausmacht. Sein Selbstvertrauen ist weitaus größer als seine Statur, sein Selbstverständnis nach drei Aufstiegen mit Gladbach, Augsburg und Berlin in Marmor gemeißelt. "Ich weiß, was ich mache und was ich machen muss", so Luhukay, der das Verhalten der Klubführung als Misstrauensvotum empfand. Dann eben nicht, heißt es dann für den Trainer, der auch schon Paderborn und Augsburg in ähnlicher Situation den Rücken kehrte. Beim FCA war Schluss, weil die ihm versprochenen Vertragsverlängerungen seines Trainerstabs auf die lange Bank geschoben wurden. Beim SCP gab es Unstimmigkeiten bei der Kaderplanung. Dass er diesmal auf einen siebenstelligen Abfindungsbetrag freiwillig verzichtet unterstreicht, worum es ihm geht: Unabhängigkeit, die er längst hat; Stolz, den er sich nicht nehmen lässt; Charakterfestigkeit, die über allem steht.

Schindelmeiser, der sich seines Berufsbild inklusive seiner Aufgaben zwar klar ist und trotzdem alles andere als ein typischer Machtmensch ist, sucht jetzt einen neuen Coach. Im Gespräch sind, wen wundert's, unter anderem Markus Gisdol und Mirko Slomka. Am Samstag in Kaiserslautern werden Olaf Janßen, der unter Luhukay für die Spielbeobachtung zuständig war, sowie die beiden früheren VfB-Profis Andreas Hinkel, der Co-Trainer beim VfB II ist, und Heiko Gerber, der nach seiner Rolle als Coach der hauseigenen U16 im Moment seine Trainerausbildung beim DFB absolviert, die Mannschaft betreuen.

George Moissidis