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In Detroit beginnt das neue Autojahr

Mit Novitäten in allen Fahrzeugklassen

In Detroit beginnt das neue Autojahr

Das lieben die Amis: Im Cowboy-Outfit präsentieren Daimler-Chef Zetsche und Arnold Schwarzenegger die neue G-Klasse.

Das lieben die Amis: Im Cowboy-Outfit präsentieren Daimler-Chef Zetsche und Arnold Schwarzenegger die neue G-Klasse. Hersteller

Es ist schon mehr los gewesen in Detroit. Nein, das soll kein weiterer der mittlerweile überstrapazierten Hinweise auf die gloriose Vergangenheit der "Motown" ganz allgemein sein. Speziell um die NAIAS geht es, die North American International Auto Show, die traditionell im Cobo Center am Washington Boulevard das neue Autojahr einläutet und dies früher mit deutlich mehr Verve und Esprit getan hat.

Recht ruhig ist es in den Messehallen in diesem Januar. Draußen frieren bitterkalte Temperaturen und eine weiße Schneedecke das Leben ein, drinnen ist das Wummern, mit denen einst Muscle Cars das Showparkett stürmten, längst ebenso vage Erinnerung wie die beinahe staatstragenden Adressen, die Ex-VW-Chef Martin Winterkorn an die Journalisten zu richten pflegte.

Größte Autoshow der USA

Noch immer ist die NAIAS die größte Autoshow der USA, 800.000 Besucher werden in diesem Jahr erwartet. Für ihr Eintrittsgeld von 14 Dollar bekommen sie aber nur einen reduzierten Aufmarsch an Ausstellern geboten. Porsche ist ebensowenig nach Michigan gekommen wie Jaguar, Land Rover, Mazda, Volvo und die anziehungskräftigen Exoten von Ferrari bis Bugatti. Einzelstücke sind außerhalb der eigentlichen Hallen in der sogenannten "Gallery" aufgereiht, einen expliziten Stand wollten sich die Hersteller aber nicht leisten.

GMC Sierra All Mountain

Fit für die Piste: Der GMC Sierra All Moutain ist ein kettenbewehrtes Ungetüm für verschneite Skigebiete. ule

Profiteur solcher Zurückhaltung ist ganz klar Mercedes. Die Schwaben retten die Show mit der spektakulären Weltpremiere der G-Klasse, die am Vorabend der Messe im dekorativ-morbid verfallenen Michigan-Theatre – das heute einen Zweck als Parkhaus erfüllt – zelebriert wurde. Begeisterter Beifall, als Daimler-Chef Dieter Zetsche den ehemaligen "Governator" Arnold Schwarzenegger auf der Bühne empfängt und der eine glühende Werbebotschaft in Sachen "G" abliefert, solche Showeinlagen lieben die Amerikaner. Wie der G-Wagon, der bei Magna Steyr produziert wird, ist auch "Arnie" bekanntlich gebürtiger Grazer, da war es folgerichtige Folklore, dass man mit Zirbenschnaps auf eine gedeihliche Zukunft des neuen Modells anstieß. Die USA sind der größte Markt für die Gelände-Ikone. Im Mai kommt der optisch nur behutsam veränderte, technisch aber grundlegend renovierte Luxus-Offroader auf den Markt, zunächst als G500 mit Vierliter-V8-Biturbo, die Preise beginnen bei 107.041 Euro. Daneben führt die bei US-Kunden äußert beliebte Mercedes-Tuningschmiede AMG den CLS sowie das E-Klasse Coupé und -Cabrio als 53er-Modelle ein, die – Novum bei AMG - mit Hybridtechnologie und 48-Volt-Bordnetz arbeiten.

Wichtiges Pflaster für die Deutschen

Für die deutschen Hersteller sind die USA ein eminent wichtiges Pflaster. Wie sehr die Globalisierung die Verhältnisse verschiebt, dokumentieren Zahlen, die der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) in Detroit kommuniziert hat. 1998 produzierten VW & Co. noch fünf Millionen Autos, vier Millionen von ihnen in Deutschland, eine Million andernorts. Knapp 20 Jahre später stellt man über 15 Millionen Autos her, aber nur noch 5,6 Millionen zuhause, die restlichen zehn Millionen laufen dagegen im Ausland vom Band.

VW Jetta

Im Mittelpunkt: Der Jetta ist das wichtigste Modell von VW auf dem US-Markt. ule

VW hat sich einigermaßen erholt in dem Land, in dem es für den Abgasskandal am intensivsten büßen musste, allmählich scheint sich beim Kunden ein gnädiger Schleier des Vergessens über die Vorgänge zu breiten. Rund 340.000 Autos hat man in 2017 "drüben" verkauft, den Löwenanteil – ca. 115.000 Einheiten – trägt der Jetta. Ihn stellt VW in Detroit neu vor, coupéhaft gestylt und basierend auf dem Modularen Querbaukasten (MQB) des Hauses. Er gelte als "College-Girl-Car", sagt VW-Sprecher Pietro Zollino, als ein Wagen, den sich Mädchen zum Führerscheinerwerb von ihren Vätern wünschen. Nach Deutschland kommt der Jetta indes nicht.

2018 wird überhaupt ein wichtiges Jahr für die Nordamerika-Fraktion der Wolfsburger, auch der wichtige US-Passat (mit ca. 15.000 Einheiten das am zweithäufigsten verkaufte Modell) erfährt eine Neuauflage, ebenso wie das große SUV Touareg, zudem läuft im Januar der bei uns schon länger verkaufte neue Golf an.

BMW: Weltpremiere für den X2

BMW feiert im Cobo Center die Weltpremiere des neuen und formal überaus gelungenen X2, stellt den unmerklich aufgehübschten Mini zur Schau und präsentiert das Update des Hybridsportlers i8. Audi wiederum rückt die zweite Generation des viertürigen Edel-Coupés A7 in den Mittelpunkt; auf dem stillen Stand der Ingolstädter ist indes keine jener Studien zu sehen, wie man sie früher punktgenau zur NAIAS aus dem Hut gezaubert hat.

Während Deutschland den Abgesang auf den Diesel anstimmt, rüstet Ford im Nicht-D-Land USA ausgerechnet den ultimativen Chart-Stürmer F 150 mit Selbstzünder aus. Erstmals in seiner Geschichte fährt das meistverkaufte Modell der USA mit Kennzeichen D vor, der Power-Stroke-Turbodiesel ist ein Dreiliter-V6 mit 250 PS und könnte den F 150 auch für deutsche Kunden interessant machen. Überhaupt die Pick-ups: Trump's Own Country, in dem der Klimawandel gemäß präsidialer Einschätzung nicht stattfindet, blickt mit Interesse auf die 2019er-Versionen von Wuchtbrummen wie Chevrolet Silverado, RAM 1500 und Ford Ranger, der übrigens in der Pick-up-Diaspora Europa die Verkaufsrangliste seiner Gattung anführt.

Ford Mustang Bullitt

Legendär: Zum 50-jährigen Jubiläum des Kinoklassikers "Bullitt" legt Ford eine Sonderauflage des Mustang auf. Rechts das Film-Modell. ule

Geradezu andächtig zücken viele Besucher am Ford-Stand das Smartphone und lichten ein Duo ab, von dem zumindest der eine Teil eng mit der amerikanischen Filmgeschichte verbunden ist. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Kinoklassikers "Bullitt" mit Steve McQueen bringt Ford eine Sonderedition des Mustang, flankiert wird sie vom Original-Film-Mustang GT Fastback, der fast vierzig Jahre lang als verschollen galt.

Viele kommen nicht nach Deutschland

Den Begriff Neuheiten-Flaute hat Detroit im Januar 2018 letztlich nicht verdient, die meisten der gezeigten Novitäten finden aber halt nicht den Weg nach Europa. Die schicke kleine Kia-Kompaktlimousine Forte ebensowenig wie die zweite Generation des Hyundai Veloster mit seinem asymmetrischen Türkonzept, der Ford Edge, die Hybrid-Limousine Toyota Avalon oder die Wiedergeburt des Honda-Hybriden Insight. Einigen Erkenntniswert auch für Europäer liefern indes die im Cobo Center gezeigten Studien: Der knapp fünf Meter lange Crossover LF-1 Limitless beispielsweise, mit dem Toyotas Edel-Tochter Lexus ein künftiges Flaggschiff skizziert, das X-Motion Concept von Nissan, die Fingerübung eines kompakten SUVs mit gegenläufig öffnenden Portaltüren oder der Infiniti Inspiration, eine Luxuslimousine mit 550 PS starkem Hybridantrieb.

Elektroantrieb steht nicht gerade im Fokus der NAIAS, hier setzt sich am nachdrücklichsten der chinesische Hersteller GAC in Szene. Immerhin widmet man sich aber im Untergeschoss mit einer Spezialausstellung den Themen des vollautonomen Fahrens und neuer Mobilitätskonzepte. Auch der Urb-E ist dort zu sehen, ein faltbares Mini-E-Bike mit bis zu 32 Kilometern Reichweite, das vor allem im sonnigen Kalifornien Kunden findet.

Vom Ausstellerschwund sind übrigens auch die europäischen Automessen nicht verschont geblieben. Zuletzt haben die "Mondial" von Paris und die IAA in Frankfurt schmerzhafte Absagen namhafter Aussteller hinnehmen müssen. Ganz aktuell hat Opel der Frühjahrsmesse in Genf einen Korb gegeben, aus Kostengründen, wie es heißt. Nicht nur in Detroit ist schon mehr los gewesen.

Ulla Ellmer

Detroit Motor Show 2018: So beginnt das neue Autojahr