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IAA: Die Chinesen kommen

Chery, Wey, Borgward

IAA: Die Chinesen kommen

Borgward Isabella: Das fünf Meter lange Coupé zitiert einen illustren Namen aus der Firmenhistorie.

Borgward Isabella: Das fünf Meter lange Coupé zitiert einen illustren Namen aus der Firmenhistorie. ule

"Die Chinesen kommen": Schon vor Jahren löste dieser Satz in der deutschen Automobilwelt einen bedrohlichen Widerhall aus. Letztlich aber scheiterten die Versuche chinesischer Hersteller, bei uns Fuß zu fassen, auf ziemlich erbärmliche Weise. Schon 2005 zerbröselte der Billig-Geländewagen Landwind katastrophal beim ADAC-Crashtest, und 2007 erging es dem China-Import Brilliance BS6 nicht viel besser. Qoros wiederum hatte auf dem Genfer Automobilsalon von 2013 hochfliegende Pläne verkündet, mit deutschem Know-how wollte man die westliche Welt erobern. Die Offensive ist bislang allerdings jämmerlich im Sande verlaufen, nicht einmal auf dem chinesischen Heimatmarkt sind die Qoros-Modelle gefragt. Auch Geely konnte sich nicht bei uns etablieren.

Also zurücklehnen und entspannen? Besser nicht. Denn die Hersteller aus dem Reich der Mitte sind zäh, sie geben nicht auf. Neben Volvo und Tesla haben unter anderem auch Mitsubishi, Nissan, Peugeot und Fiat der Frankfurter IAA eine Absage erteilt. Dafür sind Chery, Wey und Borgward in die Bresche gesprungen. Wie – Borgward? Richtig gelesen – Borgward! Das traditionsreiche deutsche Unternehmen mit Sitz in Bremen ging 1961 unter zweifelhaften Umständen pleite. Heute ist man zwar in Stuttgart beheimatet, gehört aber zum chinesischen Lastwagenhersteller Beiqui Foton Motor.

Borgward BX7 TS

Borgward BX7 TS: Das SUV soll über die Online-Plattform Sixt Neuwagen vertrieben werden. Hersteller

Borgward: Deutschland-Start noch 2017

Der Restart in Deutschland soll noch 2017 erfolgen. Im vierten Quartal will man die ersten Exemplare des 4,70 m langen und damit in der Größenklasse eines VW Tiguan Allspace angesiedelten SUVs BX7 TS ausliefern. Beim Vertrieb geht Borgward ähnlich wie Tesla vor, verzichtet also auf ein eigenes Händlernetz und verkauft das Fahrzeug stattdessen im Internet, konkret über die Online-Plattform Sixt Neuwagen. So zumindest hat es der Vorstandsvorsitzende Ulrich Walker auf der IAA angekündigt. Der limitierten BX7 TS-Edition sollen später BX7, BX5 und BX6 folgen. Anders als ursprünglich geplant legt der permanent allradgetriebene BX7 aber nicht als Elektrofahrzeug los, sondern arbeitet mit einem 224 PS starken Zweiliter-Vierzylinder-Turbobenziner.

Bedauern dürfte es mancher IAA-Besucher, dass die bildschöne Isabella nicht zu kaufen ist, sondern nur als Concept Car auftritt: Das fünf Meter lange Coupé zitiert den Namen eines legendären Borgward-Modells, fährt aber elektrisch, mit 300 PS und 400 km Reichweite.

Chery Exeed

Chery Exeed: Das SUV soll ab der zweiten Jahreshälfte 2018 zunächst in China verkauft werden. ule

Elektro-SUV von Chery

Auch Chery unterhält in Frankfurt einen Messestand. In Halle 8 ist der Exeed zu besichtigen, ein stattlicher Geländewagen mit Elektroantrieb (natürlich), der ungefähr so groß wie ein VW Touareg ist. Ganz serienreif sei der Exeed noch nicht, aber fast, sagt der kanadische Chefdesigner James Hope und verweist auf Leder-Interieur, Premium-Materialien und Assistenzsysteme wie Spurhalteassistent oder Totwinkelwarner. Optional gibt es Allradantrieb, auch eine Hybrid- und Plug-in-Hybridversion sind geplant. Zunächst soll der Exeed auf dem Heimatmarkt China an den Start rollen, vermutlich im der zweiten Jahreshälfte 2018. Und Europa? Europa, sagt Hope, sei der tougheste Markt der Welt. Man nütze die IAA als Plattform, um die Reaktionen des Publikums auszuloten. Zeigen sich die Besucher angetan vom Exeed, dürfte einem Verkauf bei uns nichts entgegenstehen.

Ähnlich äußert man sich auch bei Wey. Wey – das ist die Edelmarke von Great Wall. Crossover wie der VV5s und der größere VV6s werden in China bereits verkauft, auch als Hybride. In Deutschland ist davon nicht die Rede, noch nicht, erst einmal will Wey bei uns nur Präsenz zeigen. Das gelingt vor allem mit dem Concept-Car XEV, einem leicht futuristischen Crossover mit autonomen Fahrfunktionen, der Flügeltüren wie ein Tesla Model X besitzt. Für Vortrieb sorgt ein Elektromotor mit rund 250 PS, er soll eine Topspeed von 160 km/h ermöglichen. Die Reichweite liegt bei 530 km. Danach geht es nicht etwa an die Steckdose. Stattdessen positioniert sich der XEV über einem sogenannten "Matrix-Charger", einer kleinen Ladeplatte.

Wey XEV

Wey XEV: Die Studie besitzt ebenso spektakuläre Flügeltüren wie das Tesla Model X. Hersteller

Wey nimmt Mercedes und BMW ins Visier

Der Mann hinter dem Unternehmen ist Wei Jianjun (oder Jack Wey), der das seinerzeit marode Great Wall mit erst 26 Jahren übernommen und zurück in die Erfolgsspur geführt hat. Heute wird das Privatvermögen des 53-jährigen auf rund sechs Milliarden Dollar geschätzt. Mit der Premiummarke Wey will er die Nobelmarken Mercedes, BMW und Audi ins Visier nehmen. Hilfreiche Unterstützung sollen dabei illustre Namen aus der deutschen Automobilindustrie leisten. Markenchef ist Jens Steingräber, ein Mann mit Vergangenheit als Entwicklungsingenieur bei Audi, als Designer holte man sich Pierre Leclercq ins Boot, der schon für BMW Autos entworfen hat. Die Chinesen kommen – und diesmal vielleicht richtig.

Ulla Ellmer