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Mercedes: Drei Streifen für die S-Klasse

Neue Motoren, mehr teilautonome Kompetenz, Wellness-Oase

Mercedes: Drei Streifen für die S-Klasse

Mercedes S-Klasse: Das Flaggschiff mit Stern ist die weltweit meistverkaufte Luxuslimousine.

Mercedes S-Klasse: Das Flaggschiff mit Stern ist die weltweit meistverkaufte Luxuslimousine. Hersteller

Die S-Klasse von Mercedes gilt seit jeher als Institution, wenn es darum geht, die Reichen und Mächtigen dieser Welt standesgemäß zu befördern. Die Bezeichnung "S-Klasse" datiert zwar erst aus dem Jahr 1972, damals wurde die Baureihe W116 offiziell so tituliert. Doch schon vorher taten die Oberklasse-Modelle mit Stern Dienst als höchst reputierliches Transportmedium. Legendär ist beispielsweise der von 1951 bis 1962 gebaute "Adenauer-Mercedes" 300 als Repräsentationsfahrzeug für den ersten Kanzler der jungen Bundesrepublik. Immer war die S-Klasse auch ein Technologieträger, von deren Innovationen – dem Airbag etwa oder dem ESP – nachfolgend auch die automobile Basis profitierte.

Es gibt Kritiker, die halten Luxusliner wie das Mercedes-Flaggschiff inzwischen für überholt, betrachten sie als motorisierte Dinosaurier aus einer vergangenen, gänzlich unelektrifizierten Ära. Dabei wird übersehen, dass sich die großen Limousinen nach wie vor großer Nachfrage erfreuen. Von der aktuellen S-Klasse hat Mercedes seit 2013 über 300.000 Exemplare ausgeliefert, noch vor 7er BMW und Audi A8 sind die S-Modelle die weltweit meistverkauften Luxuslimousinen. Es gibt sie in sechs Karosserievarianten, von der Kurzversion über die verlängerte Variante bis hin zu Coupé, Cabrio, extralangem Pullman und besonders edlem Maybach. Dass das jetzt anstehende Facelift ausgerechnet zur "Auto Shanghai" (21. bis 28. April) zelebriert wird, ist kein Zufall. China stellt nicht nur für die S-Klasse, sondern "für Mercedes überhaupt den größten Markt dar", wie der fürs China-Geschäft zuständige Vorstand Hubertus Troska sagt. Jede dritte S-Klasse wird im Reich der Mitte verkauft.

Mercedes-Maybach

Intensiver Blick: Drei LED-Streifen sind Kennzeichen der Multibeam-Scheinwerfer. Hersteller

Optisch sind die Modifikationen eher behutsam ausgefallen. Am ehesten werden sie an der Front augenfällig, und da besonders bei Dunkelheit. Kennzeichen der neuen Generation von Multibeam-Scheinwerfern sind drei LED-Streifen. Das sogenannte Ultra-Range-Fernlicht gewährt bis zu einer Distanz von 650 Metern optimale Lichtausbeute.

Widescreen-Cockpit wie in der E-Klasse

Mehr als an der Karosserie hat sich darunter und dahinter getan. Analog zur E-Klasse bekommt nun auch die S-Klasse das volldigitale Widescreen-Cockpit mit zwei großen, frei konfigurierbaren 12,3-Zoll-Displays, die sich optisch zu einer Einheit fügen. Befehle nimmt das Infotainment über konventionellen Tastendruck entgegen, aber auch via Sprachsteuerung und – wiederum lässt die E-Klasse grüßen – mit Hilfe der berührungssensitiven Mini-Touchfelder im Lenkrad oder des größeren Touchpads in der Mittelkonsole.

Sechs Wellness-Programme

Neu ist, dass sich das Flaggschiff aus dem Schwäbischen mit sechs jeweils zehnminütigen Wellness-Programmen ums Wohlbefinden seiner Passagiere kümmert. Dabei werden verschiedene Komfortsysteme miteinander vernetzt, Klimaanlage, Beduftung, Sitzmassage und Ambientelicht addieren sich zu einem bestimmten Set-up, das außerdem von der passgenauen Musik untermalt wird. Songs aus dem abgespeicherten Musikprogramm werden vom Fahrzeug analysiert und - mit den "beats per minute" als Referenzgröße - bestimmten Programmen wie "Vitalität" oder "Behaglichkeit" zugeordnet. Sogar drei Trainings lassen sich aktivieren, die der Muskelentspannung, Muskelaktivierung und der Balance dienen.

Widescreen-Cockpit

Widescreen-Cockpit: Wie in der E-Klasse ergänzen sich zwei 12,3-Zoll-Displays zu einer optischen Einheit. Hersteller

Dem mag man sich dann mit besonderer Hingabe widmen, wenn die S-Klasse alleine fährt. Komplett tut sie das noch nicht, der Fahrer muss immer wieder Berührungskontakt mit dem Lenkrad aufnehmen. Aber beim teilautonomen Fahren hat der Luxusliner dazugelernt; es genügt beispielsweise ein kurzes Antippen des Blinkerhebels, damit ein selbstständiger Überholvorgang eingeleitet wird – immer vorausgesetzt, die Nebenspur ist frei. Im Stau hält die S-Klasse jetzt bis zu dreißig Sekunden lang an, um dann automatisch wieder anzufahren und dem vorausfahrenden Verkehr zu folgen. Der Aktive Abstands-Assistent "Distronic" bedient sich nunmehr intensiver aus Karten- und Navigationsdaten, das hilft, die Geschwindigkeit möglichst vorausschauend anzupassen und im Bedarfsfall - etwa vor Kurven - automatisch herabzuregeln. "Auf diese Weise decken wir jetzt auch das Landstraßennetz zu rund 80 Prozent für teilautonomes Fahren ab", sagt Mercedes-Sprecher Kurt Groeneveld.

Verbessert wurde zudem der "Road Surface Scan", mit dessen Hilfe das Fahrzeug straßenbauliche Malaisen vorausahnt und das Fahrwerk entsprechend ausrichtet. Auch kann die S-Klasse jetzt "Remote Parking", sie lässt sich also ferngesteuert ein- und ausparken, dabei unterstützt eine Smartphone-App. Und der Aktive Nothalt-Assistent bremst den Wagen in Kooperation mit dem Aktiven Lenk-Assistenten bis zum Stillstand ab, wenn die Technik erkennt, dass der Fahrer offensichtlich nicht handlungsfähig ist.

Starker Diesel mit 340 PS

Im Motorenprogramm werden die bisherigen V6-Triebwerke von Reihensechszylindern abgelöst, sowohl auf Benziner- wie als Dieselseite. Der neue R6-Biturbo-Diesel ist in den Leistungsstufen 286 PS/600 Nm (S 350 d 4Matic) sowie 340 PS/700 Nm (S 400 d 4Matic) erhältlich und wird von den Schwaben als "stärkster Pkw-Diesel in der Mercedes-Benz-Geschichte" beworben. Gleichwohl weiß man, dass sich dunkle Wolken des Misstrauens über den Selbstzündern zusammenbrauen, und so wird nicht versäumt, auf die Erfüllung der zukünftigen Emissionsgesetzgebung gemäß RDE (Real Driving Emissions) hinzuweisen. Nichtsdestotrotz erscheinen die in Aussicht gestellten Verbrauchswerte von 5,5 bzw. 5,6 l/100 km arg mutig formuliert.

Der neue Reihensechszylinder-Ottomotor kommt erst im Herbst und ebenfalls in zwei Leistungsstufen, die allerdings noch nicht näher spezifiziert sind. Der R6-Benziner sagt dem Turboloch mit einem elektrischen Zusatzverdichter und einem Integrierten Starter-Generator (ISG) den Kampf an. Dass ISG klassische Hybridfunktionen wie Boosten oder Rekuperieren übernimmt, soll sich verbrauchssenkend auswirken und macht außerdem das Hybridmodell S 300 h überflüssig, das somit ausgemustert wird. Außerdem kommt künftig ein 48-Volt-Bordnetz zum Einsatz, das für den integrierten Starter-Generator ebenso genutzt wird wie für intensive Stromverbraucher wie Wasserpumpe und Klimakompressor.

Mercedes S-Klasse

Starker Diesel: Der Reihensechszylinder leistet bis zu 340 PS und 700 Nm Drehmoment. Hersteller

Die Achtzylinder-Fraktion wird auch weiterhin bedient, mit dem Vierliter-V8 und 469 bzw. 612 PS im AMG S 63 4Matic+. Unangetastet bleibt das Leistungspotenzial des Zwölfzylinders im S 600 (530 PS) bzw. AMG S 65, der 630 PS und ein mächtiges Drehmoment von 1000 Nm freisetzt.

Aktuell startet die S-Klasse bei rund 82.000 Euro. Anzunehmen ist, dass da nach dem Facelift ein paar Tausender draufzulegen sind. Wie viele, hat Mercedes indes noch nicht bekanntgegeben.

Mehr Reichweite für das Plug-in-Modell

Schon bislang gibt es die S-Klasse als Plug-in-Hybrid, mit der aktuellen Reichweite (33 km) lässt sich indes noch verhältnismäßig wenig anfangen. Im Herbst bekommt die Oberklasse mit Stecker eine größere Batterie (13,3 kWh), sie soll dem S 500 e – bei dem der V6 ebenfalls gegen einen R6 ausgetauscht wird - zu 50 km elektrischer Reichweite verhelfen. Auch ein Luxusliner muss hier Flagge zeigen – denn "standesgemäß" heißt in zunehmendem Maße auch "alternativ angetrieben".

ule

Mercedes S-Klasse: Facelift für das Flaggschiff