kicker

Henrik macht die Hölle heiß

Schweden: Der Stürmer wird als Erlöser bejubelt

Henrik macht die Hölle heiß

So lieben ihn seine Landsleute: Schwedens Stürmerstar Henrik Larsson.

So lieben ihn seine Landsleute: Schwedens Stürmerstar Henrik Larsson. Kicker

In Glasgow haben ihn die Celtic-Fans schon seit langem heilig gesprochen. Und in Schweden ist er jetzt der Erlöser. Denn mit Henrik Larsson steigen die Erfolgschancen des Nationalteams bei der EURO beträchtlich. Als der Torjäger am 29. April sein Comeback bestätigte, halbierten die Wettfirmen die Quoten der Schweden für das Erreichen des Viertelfinales.

Das ganze Frühjahr hindurch hatte Fußball-Schweden gewartet, gebangt und gehofft. Sollte der als prinzipientreu geltende Larsson vielleicht doch noch seine Meinung ändern, die er nach dem Aus im WM-Viertelfinale 2002 gegen Senegal gefasst hatte? Damals kam ein klares "Jetzt ist Schluss!" Zwar hatte sich Schweden auch ohne den Superstar für die EM-Endrunde qualifiziert, aber der Mangel an internationalen Klasse-Stürmern war dennoch unübersehbar.

Also wurde Larsson bekniet. Die Liste der Bittsteller war lang. Selbst UEFA-Präsident Lennart Johansson hatte seinen Landsmann in persönlichen Briefen gebeten, seine Meinung zu ändern. In Schweden setzten 115 000 Menschen, darunter sogar einige Minister der Staatsregierung, ihren Namen auf eine Unterschriftenliste mit dem Titel "Bitte Henke, spiel' bei der EURO mit!" gesetzt.

43 Tage vor dem EM-Auftaktspiel gegen Bulgarien kam dann der Bescheid, von dem die meisten geträumt, an den aber kaum jemand wirklich geglaubt hatte. Henrik Larsson erhörte die Bitten. Sein "ja" erreichte die schwedischen Nationaltrainer Tommy Söderberg und Lars Lagerbäck auf der Rückreise vom EM-Testspiel in Portugal auf dem Frankfurter Flughafen, wo sich die beiden daraufhin spontan abklatschten.

Ein wichtiger Grund für sein Umdenken war der gleiche, der ihn einst zum Abschied bewegt hatte: Die Familie und vor allem sein Sohn Jordan. Der war traurig, als der Papa 2000 zur EURO nach Belgien und Holland abreiste und noch trauriger während Vaters WM-Teilnahme in Asien vor zwei Jahren. Jetzt ist er sieben Jahre alt und denkt anders. "Neulich hat Jordan mich gefragt: Warum spielst du nicht mehr für die Nationalmannschaft? Und ich habe geantwortet: Deinetwegen", erzählt Larsson, "aber jetzt ist er froh, dass ich fahre."

Es gibt inzwischen Behauptungen, der Stürmer spiele nur deshalb bei der EURO, um dort Eigenwerbung zu betreiben, nachdem er Celtic verlassen hat. Larsson weist solche Überlegungen kategorisch zurück: "Ich habe die Nationalmannschaft mehr vermisst, als ich vielleicht zugeben wollte. Und ich fahre sicher nicht nach Portugal, weil das ein Schaufenster ist."


Zur Person: Henrik Larsson


Die Zeit in Schottland ist allerdings endgültig vorbei. Das Haus ist verkauft, es wird kein Zurück geben. Der 32-Jährige hofft auf einen Vertrag in einem südlichen Land: "Noch zwei Jahre in Spanien, das wäre wunderschön." Durchaus wahrscheinlich, denn vier spanische Klubs sollen interessiert sein.

Sieben Jahre hat Larsson bei Celtic gespielt und ist dort in dieser Zeit zu einer lebenden Legende geworden. Der Abschied hätte kaum besser inszeniert werden können. Im letzten Ligaspiel traf er zwei Mal und schoss auch im Pokalfinale gegen Dunfermline zwei Tore beim 3:1, womit er seinem Klub das Double sicherte. Am Dienstag vergangener Woche kamen 60 000 Fans in den Celtic Park, um ihrem Idol in einem Abschiedsspiel ein letztes Mal zu huldigen. Nach dem Schlusspfiff lief Larsson mit Tränen in den Augen eine Ehrenrunde. "Celtic hat so viel, vielleicht sogar alles für meine Karriere bedeutet", erklärte Larsson, der auf seiner ersten Profi-Station bei Feyenoord Rotterdam den Durchbruch nicht geschafft hatte.

Vier Mal wurde er schottischer Meister, fünf Mal Torschützenkönig. 2001 gewann er sogar den "Goldenen Schuh" als Europas bester Torjäger. Im gleichen Jahr holte er das Triple: Meisterschaft, Pokal und Ligapokal. In 315 Spielen für Celtic hat Larsson sage und schreibe 242 Tore erzielt. Kein Wunder, dass die Fans ihm Titel wie "King of Kings", "Superswede", "Magnificent 7" (seine Trikotnummer) gaben und seinen Namen, sein Gesicht oder die "7" auf ihren Körper tätowierten. Ein Pfarrer soll ihm zu Ehren seinen Hund "Henrik" getauft haben.

Immer wieder ist ihm vorgeworfen worden, in der schottischen Liga könne doch jeder so viele Tore schießen. Doch Larsson hat seinen Killerinstinkt auch international bewiesen. Nicht zuletzt im UEFA- Pokalfinale 2003, als seine beiden Treffer die 2:3-Niederlage gegen den FC Porto allerdings nicht verhindern konnten.

Sein Torriecher und seine Überraschungsmomente waren genau das, was Schwedens Nationalelf, einer defensiv stabilen, aber im Angriffsspiel etwas statischen Mannschaft, fehlte. Die Erleichterungs-Seufzer über seinen Entschluss zur Rückkehr waren landesweit hörbar. Sogar Ministerpräsident Göran Persson schickte ein Dank-Telegramm. Die Teamkollegen übertrafen sich gegenseitig mit Lobpreisungen: "Das ist super, ein Riesenbonus", freute sich Arsenal-Star Fredrik Ljungberg, "ein fantastischer Spieler", jubelte der Ex-Rostocker Andreas Jakobsson und der Leverkusener Teddy Lucic erklärte Larsson und dessen Entscheidung kurzerhand zu "Weltklasse". Selbst von Gruppengegner Bulgarien waren respektvolle Worte zu hören: "Henrik wird uns die Hölle heiß machen", ahnt sein ehemaliger Celtic-Mitstreiter Stilian Petrov.

Das Trainerduo Söderberg und Lagerbäck bekommt mit Larsson nicht nur einen brandgefährlichen Torjäger als Verstärkung ins EM- Team, sondern betont auch seine große Bedeutung als Führungsfigur: "Er besitzt Humor und ist gleichzeitig hundertprozentig professionell. Ein gutes Vorbild." Am vergangenen Mittwoch kehrte der verlorene Sohn in den Kreis der Nationalmannschaft zurück. Und mit ihm die Hoffnung auf ein erfolgreiches Turnier. Auf jeden Fall darf sich die EURO auf einen sehenswerten Stürmer und attraktiven Farbtupfer zusätzlich freuen.

Torbjörn Westlin